Nachruf auf Hans-Otto Hahn, den ehemaligen Leiter von “Brot für die Welt”Leidenschaftlicher Kämpfer für eine bessere WeltDr. Hans-Otto Hahn verabschiedete sich mit den Worten “Es sind gute Leute” von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, als er Ende 1999 in den Ruhestand ging. Fast 30 Jahre stand der Pfarrerssohn an der Spitze der Aktion “Brot für die Welt”. Durch seine lange Krankheit schwer gezeichnet und eingeschränkt, war Hahn immer bewusst, wie sehr er sich auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen konnte. Er prüfte ihre Ideen und Vorschläge, er ließ sich beraten und dann entschied er.
Am 3. November letzten Jahres ist Hahn unerwartet gestorben. Er war 67 Jahre alt. In den Jahren nach seinem Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Pfarrer Dr. Ishmael Noko, bezeichnete Hahn als einen “leidenschaftlichen Kämpfer für eine bessere Welt”. Er habe mit seiner Arbeit einen beträchtlichen Beitrag geleistet “zu unserer gemeinsamen Verpflichtung in der weltweiten Diakonie”. Diese weltweite Diakonie lag Hahn am Herzen. Er war ein unermüdlicher Reisender. Er wollte die Menschen vor Ort sehen, ihnen begegnen. Regelmäßig zu Weihnachten, wenn andere sich zurückzogen zu ihren Familien, ist der Junggeselle losgezogen in ein Land des Südens, um dort den Heiligen Abend zu verbringen. Hahn hatte durch seine zahlreichen internationalen Kontakte eine gute Kenntnis der sozialen Verhältnisse vor Ort. Und er suchte die Begegnung mit den Menschen. Geboren wurde Hahn 1936 im hessischen Erbach. Sein Theologiestudium - vor allem in Marburg - und seine Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung waren ihm wichtig und haben ihn geprägt. 1963 wurde er von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zum Pfarrer ordiniert. Dieser Beruf, auch wenn er ihn später nicht mehr ausübte, hat ihn zeitlebens fasziniert. Deshalb nahm er auch seinen Verkündigungsauftrag sehr ernst. Gerne hielt er die wöchentliche Andacht im Diakonischen Werk der EKD. Seine Predigten waren vor allem seelsorgerisch ausgerichtet. In seinen letzten Amtsjahren nahm er, der wegen seiner Behinderung kein Buch mehr halten konnte, oft lediglich das Losungsbuch mit auf seine Reisen oder in seinen Urlaub. Das musste genügen und das genügte ihm. Nach ersten Jahren im Pfarramt wurde er 1966 zunächst Stipendienreferent in der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der EKD und dann ab 1969 Direktor des Bereichs Ökumenische Diakonie. Neben der Leitung von “Brot für die Welt” war Hans-Otto Hahn auch verantwortlich für die zwischenkirchliche Hilfe “Kirchen helfen Kirchen”, die noch junge Aktion “Hoffnung für Osteuropa” und die Diakonie Katastrophenhilfe. Gerade die Katastrophenhilfe, dort, wo die Not der Menschen am augenscheinlichsten war, lag ihm in den letzten Berufsjahren sehr am Herzen. Er scheute hier auch keine Gefahren, wenn er in Länder reiste, wo der Bürgerkrieg tobte oder Naturkatastrophen zu beklagen waren. Dabei hatte der Direktor von “Brot für die Welt” eine große Affinität zu Südostasien. Und dort war es besonders Vietnam, ein Land, das ihm sehr nahe ging. Noch während der Kriegszeiten reiste Hahn in das asiatische Land, um erste Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Er ist diesem Land treu geblieben und hat durch regelmäßige Besuche die Bedeutung des Engagements von “Brot für die Welt” noch unterstrichen. Dass er dafür zahlreiche zum Teil sehr hohe Ehrungen der Vietnamesischen Regierung erhielt, war nur folgerichtig. Auch andere Länder haben seine Verdienste erkannt und ihm deshalb die Ehrendoktorwürde verliehen, so das Lutherische Thiel-College in Greenville (Pennsylvania, USA) und die Akademie für Theologie in Madras (Indien).
Afrika war nicht minder ein Kontinent, der ihm wichtig war. Begegnungen in Südafrika, Kenia, Sudan und Eritrea standen regelmäßig auf seiner Agenda. Für Reisen nach Lateinamerika blieb da allerdings kaum Zeit übrig. Der Theologe hat sich in seinem Amt immer als politisch Handelnder verstanden. “Den Armen Gerechtigkeit” hat er mit großem Engagement mitgetragen. Und er hatte keine Scheu, seine Meinung deutlich auszudrücken, auch wenn diese den Adressaten in Politik und Wirtschaft nicht immer genehm war. Er verstand sich als Anwalt der Schwachen und machte dies auch deutlich. Dabei betonte er immer wieder die Unabhängigkeit von “Brot für die Welt” als spendenfinanzierter Einrichtung gegenüber der Politik. Als vor wenigen Jahren die so genannten “Eine-Welt-Projekte” bei “Brot für die Welt” eingeführt werden sollten, war Hahn ein glühender Verfechter dieser Idee, vor allem gegen innerkirchlichen Widerstand. Hilfe im Ausland und Bildungsarbeit im Inland - das gehörte für Hahn zusammen, und hier stärkte er seinen Mitarbeitern immer wieder den Rücken. Viel Arbeits- und Lebenszeit hat Hans-Otto Hahn in Genf zugebracht. Der Lutherische Weltbund (LWB) und der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) waren für ihn vertraute Einrichtungen, die ihn oft und gerne in ihre Gremien beriefen. Zuletzt war er maßgeblich am Zustandekommen einer gemeinsamen Not- und Katastrophenhilfe von ÖRK und LWB beteiligt, der heutigen Action by Churches Together (ACT). Hans-Otto Hahn war auch viele Jahre als Herausgeber von “der überblick” tätig. Dabei war es ihm wichtig, dass bei der Berichterstattung über Themen der Entwicklungszusammenarbeit immer die journalistische Freiheit gewahrt blieb. Er schätzte die Zeitschrift und war immer wieder auch Autor von Beiträgen, die sich mit den Grundlagen der Entwicklungshilfe, später der Entwicklungszusammenarbeit, beschäftigten. Er hatte ein sehr unverkrampftes Verhältnis zur Presse und zu den Medien. Er mochte die Gespräche und Interviews mit den Journalisten und war sich auch immer bewusst, dass seine Anliegen und die von “Brot für die Welt” nur dann eine breite Öffentlichkeit finden, wenn darüber unabhängig und offen berichtet wird. Mit Hahn hat die Ökumenische Diakonie einen Mann mit viel Erfahrung und mit großer Weitsicht verloren. Dabei war ihm in all seinem Tun immer wichtig, dass Ökumenische Diakonie nicht ohne Anbindung und allein auf sich gestellt tätig wird, sondern im großen Verband der Diakonischen Werke. “Brot für die Welt” gehörte für ihn zur Diakonie, da gab es kein Rütteln. Das hat er verteidigt. Deshalb hat er trotz aller Belastung bis zu seinem Amtsende auch die Aufgabe des Vizepräsidenten des Diakonischen Werkes der EKD gerne und bewusst wahrgenommen. Sein früherer Vorgesetzter, Diakoniepräsident Jürgen Gohde, bezeichnete Hahn in einer Würdigung nicht zu Unrecht als “das Gesicht von Brot für die Welt”. Klaus Rieth |