AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome Erworbenes Immunschwäche-Syndrom) ist das letzte Stadium einer HIV-Infektion. Das Human Immunodeficiency Virus (HIV) bewirkt eine schrittweise Zerstörung des Immunsystems. Wenn das Immunsystem nicht mehr intakt ist, kann es Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze nicht mehr abwehren: Solche Erreger verursachen dann so genannte opportunistische Infektionen. Die dadurch verursachten Erkrankungen führen bei HIV-Infizierten im Verlauf zum Endstadium »AIDS«.
Einen Impfstoff gegen HIV und AIDS gibt es bisher nicht. Mehrere potenzielle Impfstoffe werden gegenwärtig auf ihre Wirksamkeit geprüft, werden jedoch wenn überhaupt erst in fünf bis zehn Jahren zur Verfügung stehen. Zur Zeit können Menschen mit HIV nur mit antiretroviralen Medikamenten (ARV) behandelt werden. Diese Medikamente können zwar die Krankheit nicht heilen, sie unterdrücken jedoch die Virusvermehrung und können das Auftreten opportunistischer Infektionen erheblich verringern. Das heißt, Menschen mit HIV leben dank ARV mit weniger Krankheiten länger, und es gibt nicht so viele Aidswaisen.
Zur Behandlung von AIDS wird in den Industrieländern seit 1996 eine Kombinationstherapie mit antiretroviralen Medikamenten (ARV) eingesetzt. ARV werden erst verabreicht, wenn die Infektion ein bestimmtes Stadium erreicht hat. Ende 2003 lebten von rund 800.000 Menschen weltweit, die antiretrovirale Medikamente einnahmen, etwa 500.000 in den westlichen Industrieländern. Weniger als acht Prozent aller Betroffenen in Afrika hatten Zugang zu einer Kombinationstherapie. Drei Jahre zuvor waren es weniger als ein Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich mit ihrer »3 by 5«-Initiative zum Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahres 2005 drei von weltweit sechs Millionen Behandlungsbedürftigen mit ARV-Medikamenten zu versorgen. Im Juni 2005 waren in den Entwicklungsländern immerhin schon rund eine Million Menschen in Behandlung.
ARV-Medikamente kosten in den Industrieländern pro Patient zwischen 10.000 und 15.000 US-Dollar im Jahr. Bedingt durch internationalen Druck und Konkurrenz durch Generika, hat die Pharmaindustrie die Preise für antiretrovirale Medikamente in afrikanischen Ländern um bis zu 90 Prozent gesenkt. Damit sind sie jedoch für die meisten Aidskranken immer noch zu teuer. Billigere Nachahmerprodukte gibt es dort ab 200 US-Dollar. Die neueren ARV-Medikamente der zweiten Generation sind wieder teurer. Sie kosten 10.000 US-Dollar und mehr. Hersteller von Generika, etwa in Indien, bieten bisher nur Nachahmungen der ersten Generation an jetzt allerdings schon ab rund 150 US-Dollar pro Patient und Jahr. Im März 2005 sah sich Indien allerdings gezwungen, gemäß des Abkommens über die handelsbezogenen Aspekte intellektuellen Eigentums (TRIPS) im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), den Patentschutz für Arzneimittel deutlich zu verschärfen. Es wird befürchtet, dass dieses den Zugang zu billigeren Medikamenten der zweiten Generation, die für die Therapie von AIDS notwendig sind, sehr erschweren wird.
In Afrika südlich der Sahara leben zehn Prozent der Weltbevölkerung, jedoch 60 Prozent aller HIV-Infizierten. Das waren im Jahr 2004 rund 25,4 Millionen Menschen; davon sind in jenem Jahr 2,3 Millionen an AIDS gestorben, etwa 3,1 Millionen haben sich neu infiziert. Infolge von HIV/AIDS ist die Lebenserwartung drastisch gesunken: Während Anfang der neunziger Jahre die Bevölkerung in Afrika südlich der Sahara mit einer Lebenserwartung von bis zu 60 Jahren rechnen konnte, werden diejenigen, die zwischen 2005 und 2010 geboren werden, im Durchschnitt voraussichtlich 15 Jahre früher sterben. In Swasiland, Sambia und Simbabwe wird sogar erwartet, dass Neugeborene, sofern keine antiretroviralen Medikamente verfügbar sind, im Durchschnitt nicht einmal 35 Jahre alt werden.
Der afrikanische Kontinent ist sehr unterschiedlich von HIV/AIDS betroffen. Mit einem Anteil der HIV-Infizierten an der Gesamtbevölkerung von 0,8 Prozent hatte Senegal im Jahre 2004 eine sehr niedrige Infektionsrate, während in Botsuana HIV-Infizierte 37 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ausmachten und das Land damit die wahrscheinlich höchste Infektionsrate vorwies. Die meisten HIV-Infizierten leben in Südafrika. Hier waren in 2004 um die fünf Millionen Menschen Träger des Virus. Im südlichen Afrika ist die Pandemie besonders stark verbreitet: Dort leben 30 Prozent aller HIV-Infizierten, aber nur 2 Prozent der Weltbevölkerung.
Die hohe Infektionsrate in Südafrika ist zum Teil auf die sehr zögerliche Haltung der Regierung bei der Bekämpfung der Seuche zurückzuführen. Führende Politiker verharmlosten das AIDS-Problem zunächst. Im Senegal dagegen unternahm die Regierung bereits in einem frühen Stadium der Pandemie energische Anstrengungen zur Prävention. Auch Uganda ist es gelungen, hohe HIV-Infektionsraten zu senken. In beiden Ländern waren von Anfang an die religiösen Gemeinschaften in den Kampf gegen HIV/AIDS einbezogen, was entscheidend zum Erfolg der Programme beigetragen hat, und dank einer Reihe von Hilfsfonds haben viele Länder in Afrika mittlerweile Programme der antiretroviralen Behandlung.
Die meisten Kinder werden von ihren Müttern sei es in der Schwangerschaft, während der Entbindung oder Stillzeit mit HIV infiziert. Acht Prozent der HIV-Infizierten südlich der Sahara sind Kinder unter 15 Jahren. Über 12 Millionen Kinder sind im südlichen Afrika zu Waisen geworden. Bis zum Jahr 2010 wird nach Schätzungen die Zahl der AIDS-Waisen auf 18 Millionen steigen. Bei elternlosen Kindern besteht ein höheres Risiko, dass sie Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch werden, an Hunger leiden und ihre Arbeitskraft ausgebeutet wird. Das alles sind Faktoren, die sie wiederum anfälliger für eine HIV-Infektion machen.
Ein Fünftel der Haushalte in Afrika südlich der Sahara wird von Großeltern geführt, fünf Prozent von verwaisten Kindern. Besonders zu leiden haben solche Kinder, deren Eltern an AIDS erkrankt sind. Häufig können sie nicht mehr zur Schule gehen und müssen statt dessen ihre Eltern pflegen und Geschwister versorgen.
Der Ausfall von Lehrerinnen und Lehrern durch Tod und Krankheit infolge von AIDS ist in einigen Ländern Afrikas gravierend: In Sambia sterben mehr Lehrkräfte als neue ausgebildet werden. Der sich daraus ergebende Lehrermangel wird auch auf lange Sicht verheerende Auswirkungen auf die Entwicklung der Länder haben.
HIV/AIDS wirkt sich unmittelbar auf die Ernährungssicherheit aus. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird AIDS bis zum Jahr 2020 ein Fünftel der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Ostafrika und im südlichen Afrika fordern. Erkrankt oder stirbt ein Erwachsener, verliert die Familie häufig die Person, die für den Unterhalt sorgte; gleichzeitig wird das Familienbudget durch die Pflegekosten und die Beerdigung stark belastet. Im Durchschnitt gibt ein betroffener Haushalt ein Drittel seines monatlichen Einkommens für die Pflege und medizinische Versorgung aidskranker Angehöriger aus. Viele Haushalte verarmen und verschulden sich dadurch.
Ohne medikamentöse Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten wird HIV/AIDS nach Schätzungen bis zum Jahr 2010 das Leben von 48 Millionen Erwerbstätigen fordern. Bis zum Jahr 2015 könnte diese Zahl auf 74 Millionen ansteigen. Im südlichen Afrika stellen viele Betriebe infolge von HIV/AIDS schon einen Rückgang ihrer Umsätze fest. Bisher haben nur wenige Strategien entwickelt, um etwa auf Arbeitskräftemangel, Fehlzeiten und Mehrausgaben für Krankheiten und Renten infolge von HIV/AIDS zu reagieren. Eine Reihe großer Unternehmen wie Anglo American, BMW, DaimlerChrysler, VW oder Eskom entwickeln jedoch eigene Aids-Präventionsprogramme. Von 500 Großunternehmen in Südafrika verfügen 86 Prozent über Präventionsprogramme und 65 Prozent bieten ihren Arbeitnehmern medizinische Versorgung an.
Weltweit sind rund die Hälfte der Menschen mit HIV Frauen. In Afrika südlich der Sahara sind es sogar 57 Prozent. Dreiviertel aller HIV-infizierten Frauen leben in dieser Region. Und rund um den Globus nimmt die Zahl der weiblichen HIV-Infizierten überproportional zu.
In Afrika südlich der Sahara sind in der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren Frauen dreimal häufiger von Neuinfektionen betroffen als Männer. Gründe für die hohen Infektionsraten bei jungen Frauen sind mangelndes Wissen über HIV/AIDS und seine Übertragung sowie der Anspruch von Männern, über Frauen verfügen zu können. Frauen werden häufig durch Partner infiziert, deren Sexualverhalten sie wenig oder gar nicht kontrollieren können. Sexuelle Gewalt gegen Frauen erhöht die HIV-Rate.
Für viele arme Frauen ist zudem (oft ungeschützter) Geschlechtsverkehr mit häufig älteren Männern das einzige Mittel, um sich und ihren Kindern das Überleben zu sichern. Sehr junge Frauen gelten noch als »rein« und werden deshalb leicht Opfer von Vergewaltigungen.
Mit der Pflege kranker Familienmitglieder sind hauptsächlich Frauen und Mädchen belastet. Mädchen müssen deswegen die Schule eher verlassen als Jungen. Verheiratete Frauen verlieren in Teilen Afrikas mit dem Tod ihres Ehemannes der traditionellen Nachlassregelung entsprechend ihren Besitz.
Seit dem Auftreten der ersten HIV-Fälle im Jahr 1981 haben sich mehr als 60 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Circa 23 Millionen der HIV-Infizierten sind gestorben, 18 Millionen davon lebten in Afrika. Jeden Tag sterben in Südafrika 600 bis 1000 HIV-Infizierte. Zum Vergleich: In Deutschland sterben jährlich 600 Menschen infolge von AIDS. Im Jahr 2004 gab es weltweit 39,4 Millionen HIV-Infizierte. Mehr als 90 Prozent der HIV-infizierten Menschen leben in Entwicklungsländern. Dort mangelt es an medizinischer Versorgung und Behandlung sowie Informationen über HIV/AIDS. Regionen, in denen es viele Arme gibt, sind auch besonders von HIV/AIDS betroffen.
In allen Regionen der Welt ist die Zahl der HIV-Infizierten in den letzten zwanzig Jahren gestiegen. In den USA hat seit Ende 2003 die Zahl der HIV-Positiven die Millionengrenze überschritten. In Osteuropa, Zentral- und Ostasien hat es in den letzten Jahren den stärksten Zuwachs bei Neuinfektionen gegeben. Besonders betroffen sind die Ukraine, Russland und China. Hier breitet sich HIV vor allem im Zusammenhang mit Drogengebrauch aus.
Literatur:
aus: der überblick 02/2005, Seite 19