Kaufen und verkaufen in Soweto
von Themba Hlengani
In Soweto stehen die Zeichen auf wirtschaftlichen Aufbruch. Das zeigt sich in der Entwicklung immer neuer Shopping Malls, beim Bau des Fußballstadions für die Weltmeisterschaft 2010 und riesigen Infrastrukturprojekten wie Straßen und Krankenhäusern. Und auch der Immobilienmarkt in den verschiedenen Stadtteilen wächst, blüht und gedeiht so wie im ganzen Land. Es gibt mehr Beschäftigung, obwohl es heißt, dass die Arbeitslosigkeit weiter bei rund 40 Prozent liegt. Aber die jüngste Entwicklung hat zu großem Optimismus unter den eine Million Einwohnern geführt.
"Jetzt ist es an der Zeit für Soweto, etwas aus sich zu machen", sagte Richard Maponya, im August der südafrikanischen Zeitschrift Financial Mail. Der 82-jährige Unternehmer muss es wissen, baut er doch gerade eine 500 Millionen Rand (gut 50 Millionen Euro) teure Shopping Mall, die nach ihm benannt wird. 50 Jahre ist er schon im Geschäft in Soweto und so bekannt, dass erfolgreiche Unternehmer oft als "Maponyas" bezeichnet werden.
Einer dieser Investoren, Mike Nkuna, steht hinter der Jabulani Mall, die am 26. Oktober 2006 eröffnet wurde. 350 Millionen Rand soll das 45.000 Quadratmeter große Einkaufszentrum gekostet haben. Die Maponya Mall, die im September 2007 eröffnet werden soll, wird mit 65.000 Quadratmetern die größte in Soweto sein. Protea Gardens (17.500 Quadratmeter plus 7.000 Erweiterung) und Bara Mall (10.000 Quadratmeter) sind schon seit einiger Zeit im Geschäft.
Große Projekte mit gemischter Bebauung gibt es ebenfalls. Auf dem Gelände des ehemaligen Elektrizitätswerks (Orlando Power Station) entsteht ein eine Milliarde Rand schweres Projekt mit 1000 Wohneinheiten, Extrem-Sportstätten und anderen Unterhaltungs- und Erholungseinrichtungen. Dazu gehören auch 24.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche und 14.000 Quadratmeter Büroraum (mit einem großen Call Center), 150 Apartments an einem See und ein 2500 Quadratmeter großes Fitnesscenter. In Diepkloof wird es eine 100 Millionen Rand teure Bebauung geben: 20.000 Quadratmeter Shopping-Fläche, ein Hauskomplex mit 60 Wohnungen und der Neubau des Soweto-Hospizes. In Kliptown wird im Oktober ein Vier-Sterne-Hotel eröffnet als Teil der Entwicklung des Walter Sisulu Square of Dedication (in Kliptown war 1955 unter der Teilnahme von Walter Sisulu die Freiheitscharta des ANC angenommen worden).
Die Regierung fördert auch die Ansiedlung von Leichtindustrie in der Soweto Empowerment Zone. Neue Unternehmen bekommen hier Unterstützung durch eine Reihe von Dienstleistungen. Kurz: Soweto beginnt wie eine Baustelle auszusehen, und alle diese Aktivitäten deuten auf das ökonomische Erwachen des townships hin.
Jahrzehntelang hatte es keine bedeutenden Infrastrukturentwicklungen oder private Investitionen gegeben. Den Banken erschien so etwas zu risikoreich. Diese Sichtweise begann sich erst in den letzten Jahren zu ändern, als durch verschiedene Untersuchungen ans Tageslicht kam, dass sich der Lebensstandard vieler Einwohner von Soweto deutlich gebessert hatte.
Mit zwei von der Stadt Johannesburg in Auftrag gegebenen Studien der Soweto Retail Stategy und dem Soweto Investment Framework kam Bewegung in die Sache. Die beiden Berichte bestätigten, dass die Bürger Sowetos mehr als 4,2 Milliarden Rand jährlich zur Verfügung hatten, dass aber nur 1,05 Milliarden in dem township ausgegeben wurden. Das wurde mit einem Mangel an Einzelhandelsflächen und geeigneten Angeboten begründet. Gäbe es geeignete Läden in Soweto, könnten die Ausgaben um 25 bis 50 Prozent gesteigert werden.
Haushalte mit geringem Einkommen (800 Rand im Monat oder weniger) bezogen 49 Prozent ihres Bedarfs aus Geschäften in Soweto, während die Besserverdienenden nur 9 Prozent ihres Budgets dort ausgaben. Könnten die Menschen sich in Malls in Soweto versorgen, würden sie vier Prozent an Fahrzeit sparen, außerdem könnten einige tausend Jobs in Soweto geschaffen werden. Nach Auskunft von Lebo Ramoreboli von der Wirtschaftsbehörde der Stadt, war es nicht schwierig, die Handelsketten dazu zu bewegen, Läden in Soweto zu eröffnen, nachdem sie die Studien gelesen hatten. Sie sagte der Financial Mail: "Die haben gleich verstanden, dass man in Soweto Geld verdienen konnte und es sich nicht um eine Art Sozialprogramm handelte. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass Soweto weniger attraktiv sein sollte als die nördlichen Vororte von Johannesburg."
Der Unternehmer Maponya hat das schon lange gewusst: "Ich habe immer geglaubt, dass Soweto eines Tages eine Stadt in der Stadt sein wird, dass der Tag kommt, an dem es auch in Soweto Malls geben wird. Aber sehr lange waren die Zeit und die Gesetze des Landes dagegen." Hätten die Banken und die Gesetze der Regierung nicht gemeinsam dafür gesorgt, dass Unternehmer, die Soweto entwickeln wollten, vor verschlossenen Türen standen, so Maponya, hätte die gegenwärtige Entwicklung im Einzelhandel schon in den achtziger Jahren beginnen können.
An die achtziger Jahre erinnert auch das Treffen des Soweto Crisis Committee (SCC) im Baragwanath Career Centre: "Amandla, Amandla" ruft der akkurat gekleidete Kea Mafura, "Genossen, ich wäre gerade beinahe eingeschlafen, als handle es sich hier um eine Aufsichtsrat-Sitzung." Die ungefähr etwa 100 Anwesenden bedanken sich mit einem kräftigen Applaus für diese Begrüßung. Sie hatten auf Mafura, den campaigner gewartet, wollten ihn auf ihrem wöchentlichen Treffen hören.
"Ich höre, dass Ihr von Wirtschaft und Entwicklung in Soweto sprecht. Aber wer hat denn davon profitiert? Doch nicht wir. Die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch; die Shoprites (eine südafrikanische Lebensmittelkette) dieser Welt kommen immer noch nur hierher, um uns Geld aus der Tasche zu ziehen, dann verschwinden sie damit in die besseren Stadtviertel. Die bei uns entstehenden Gewerbe sind doch in diesen Malls gar nicht vertreten, und die Ladeninhaber müssen ihre Geschäfte schließen, weil die Malls ihnen das Geschäft vermasseln." Wieder gibt es Applaus, manche murmeln Zustimmung.
Danach steht Vusi Nyokana, der Organisator des Treffens auf: "Die jüngste Entwicklung hat auch positive Seiten. Die Malls sind doch gut, weil sie uns Lebensmittel zu viel günstigeren Preisen verkaufen als die meisten Läden in den townships. Die meisten dieser Läden sind sehr teuer, und die meisten Besitzer sind bis heute ziemlich arrogant. Ich kaufe in den Malls, weil ich dann nicht mehr ins Stadtzentrum von Johannesburg fahren muss." Auch jetzt gibt es zustimmendes Gemurmel, aber deutlich weniger als vorher.
Bei Mafuras und Nyokanas Reden liegt etwas von den achtziger Jahren in der Luft, als im Kampf gegen die Apartheid der Konsumentenboykott eine Rolle spielte. Heute sind aber andere die Opfer der Entwicklung. Kleine Läden verlieren oder werden ganz aus dem Markt gedrängt. Monica Hobyane hat seit 2001 in ihrem Wohnzimmer in Protea South mit Erfolg einen spaza shop betrieben. 2005 wurde ihr dann mit Protea Gardens ein Shopping Center vor die Nase gesetzt. Nachdem das weniger als einen Kilometer entfernte Einkaufszentrum 2006 eröffnet worden war, hatte sie einen Umsatz- und Gewinneinbruch zu verzeichnen. Einige ihrer Stammkunden kauften plötzlich in der Mall. "Aber nach ein paar Monaten ging es wieder bergauf", sagte sie. Sie hatte sich entschlossen, sich auf schnell verkäufliche Angebote für Jugendliche, Süßigkeiten etwa, zu konzentrieren und im township populäre Köstlichkeiten anzubieten, etwa kota , ein mit Chips, Würstchen, achar (malayisches Chutney) und Käse gefülltes Sandwich. "Die gibt es in der Mall nämlich nicht", sagt sie.
Auch Midway Wholesalers, ein Großhandelsunternehmen, das seit 24 Jahren in Soweto vertreten und dessen Geschäft gerade mal 200 Meter von Protea Gardens entfernt ist, hat seine Produktpalette ändern müssen, um nicht aus dem Markt gedrängt zu werden. Der Laden bietet jetzt vorrangig das an, was die spaza shops weiterverkaufen. Eine Studie der Marktforschungsabteilung der UNISA-Universität (Bureau for Market Research, BMR), hat ergeben, dass die spaza shops und die kleinen Geschäfte um so mehr unter den neuen Malls leiden, je näher sie ihnen sind. Nach der BMR-Untersuchung verzeichneten in Soshanguve, einem township von Pretoria, 75 Prozent der Läden in weniger als einem Kilometer Entfernung (oder 15 Minuten Fußweg) einen Einbruch ihrer Gewinne, während es bei den spaza shops in 4 oder 5 km Entfernung (oder eine Stunde Fußmarsch) nur 36,8 Prozent waren. 59,2 Prozent der Befragten bestätigten, dass die kleinen Läden in der unmittelbaren Umgebung der Shopping Malls weniger geworden sind. Spaza shops leiden noch mehr als kleine Geschäfte. 60 Prozent von ihnen berichteten von einem Rückgang des Umschlages, einem weniger differenziertem Angebot, Einbrüchen bei Umsatz und Gewinn, während nur 40 Prozent der Kleinhändler von ähnlich gravierenden Auswirkungen sprachen. Frau Ramoreboli beteuert, dass die Stadtverwaltung sich der Gefahren der Mall-Invasion für die kleinen Ladenbetreiber bewusst sei. "Wir arbeiten an Projekten, die den Kleinen unter die Arme greifen. Wir müssen ihnen dabei helfen, ihre Läden so zu modernisieren, dass sie wie die Ladenkettengeschäfte aussehen. Wir wollen sie auch ermuntern, mit diesen Ketten Partnerschaften einzugehen."
Die ökonomische Transformation wird zwar vom Einzelhandel angeführt, Frau Ramoreboli möchte sie aber in eine umfassende Strategie eingebettet sehen, die auch andere Kleingewerbetreibende einbezieht. Die Stadt verfolge eine Strategie, die Einzelhandel, Tourismus, Industrie, Sportstätten- und Büroflächenentwicklung beinhalte.
aus: der überblick 03/2007, Seite 82
AUTOR(EN):
Themba Hlengani
Themba Hlengani war Pressesprecher der "Reserve Bank", Journalist
bei der "Financial Mail" und arbeitet jetzt beim
Wirtschaftskanal "Summit TV".