Die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe EZE
Die Arbeit der EZE geht nach fast 40 Jahren zu Ende, und die EZE wird Teil des neuen Evangelischen Entwicklungsdienstes. Welche Bilanz ziehen Sie nach dieser jahrzehntelangen Arbeit?
Gespräch mit EZE-Geschäftsführer Dr. Hartmut Bauer
Das Gespräch führte Frank Kürschner-Pelkmann
Die Arbeit der EZE geht nach fast 40 Jahren zu Ende, und die EZE wird Teil des neuen Evangelischen Entwicklungsdienstes. Welche Bilanz ziehen Sie nach dieser jahrzehntelangen Arbeit?
Der EZE ist - im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst - die Zusammenarbeit mit der staatlichen Entwicklungshilfe und insbesondere auch die Einwerbung staatlicher Mittel für kirchliche Entwicklungsprogramme in sehr guter Weise gelungen. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit der katholischen Seite. Die EZE hat damit einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau und zum Ruf des kirchlichen Entwicklungsdienstes geleistet.
Es gab bei der Gründung der EZE die Befürchtung, dass es starke staatliche Interventionen in die kirchliche Entwicklungsförderung geben würde. Das hat sich nicht bewahrheitet, aber gibt es subtile Formen der staatlichen Einflussnahme auf die EZE-Arbeit?
Wenn zwei zusammenarbeiten, ist das ein Geben und Nehmen. Ich kann aber klar sagen, dass die am Anfang vereinbarte Grundlage der Zusammenarbeit, dass die Mittel ohne politische Auflage gegeben werden, über all die Jahre ohne Abstriche eingehalten worden ist. Natürlich haben wir versucht, die staatliche Entwicklungshilfe zu beeinflussen, vor allem Mitte der 80er-Jahre, als es darum ging, dass die staatliche Entwicklungshilfe stärker armutsorientiert wird. Andererseits haben Vertreter der staatlichen Entwicklungshilfe versucht, den Beitrag, den die Kirchen leisten können, ein Stück für sich zu nutzen. Als zum Beispiel die staatliche Entwicklungshilfe keine Programme im Südsudan mehr fördern konnte, ist die EZE gebeten worden, ein Projekt der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit weiterzuführen, was wir dann auch getan haben. Einen politischen Einfluss auf die von der EZE geförderten Programme hat es aber nie gegeben.
Die staatlichen Mittel, die für die EZE zur Verfügung stehen, sind in den letzten Jahren zurückgegangen. Welche Auswirkungen hat das für die EZE und vor allem die Partner in Übersee?
Das Bewilligungsvolumen ist um 15 Prozent gesunken. Das hat zur Folge gehabt, dass wir unser Engagement in einzelnen Regionen drastisch reduziert haben, um nicht eine lineare Kürzung vornehmen zu müssen. Wir haben unsere Zusammenarbeit in Zentralamerika und im Nahen Osten erheblich reduziert. Erfreulicherweise sind wir nun aus dem Tal heraus, und die Mittel für dieses Jahr sind wieder gestiegen. Dies erwarten wir auch für das kommende Jahr.
Zu den Schwerpunkten der Arbeit der EZE hat in den letzten Jahren die Demokratieförderung gehört und dies vor allem in Afrika. Läst sich mittlerweile eine Zwischenbilanz dieses Engagements ziehen?
Es gibt einige wirklich positive Beispiele wie die Unterstützung des Nationalen Kirchenrates in Kenia und von Kirchen in Tansania in ihrer gesellschaftspolitischen Rolle. Aber die Hoffnung, dass die Kirchen in Afrika sich in größerer Breite gesellschaftspolitisch stärker engagieren, hat sich nicht erfüllt. Wir können nicht mehr leisten, als solche positiven Ansätze zu unterstützen, aber insgesamt ist auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun.
In vielen afrikanischen Ländern ist der Staat in einem desolaten Zustand. Eine Aufgabe der Kirchen kann darin bestehen, darauf hinzuwirken, dass mit dem Staat wieder Staat zu machen ist und damit eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung erfüllt wird.
In vielen afrikanischen Ländern besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirchen. In Ländern wie Südafrika, wo es grundlegende politische Veränderungen gegeben hat, ringen die Kirchen noch mit der Frage, wie sie sich vis-a-vis dem Staat stellen sollen. Eine gemeinsame Haltung der Kirchen in dieser Frage gibt es noch nicht. In Tansania hat ein Zusammenspiel von Kirchen und Staat zugunsten einer Ausrichtung der Politik für die ärmeren Bevölkerungsgruppen erst begonnen. In vielen afrikanischen Ländern stehen die Kirchen hier noch am Anfang.
Was kann die EZE tun, um diesen Prozess zu fördern?
Wir bieten unseren Partnern in Workshops und Dialogprogrammen die Möglichkeit, positive Beispiele aus anderen Regionen der Welt und auch unsere Erfahrungen in Deutschland kennen zu lernen. Wenn sich Partner auf diesem Gebiet engagieren und zusammenschließen, unterstützen wir sie finanziell dabei. Bei der Entschuldungsaktion der Weltbank in Verbindung mit Armutsbekämpfungsprogrammen ermutigen und unterstützen wir Partner, sich an der Gestaltung von Politik in ihrem Land aktiv zu beteiligen.
Eine Veränderung in der kirchlichen Entwicklungsarbeit der letzten zehn Jahre ist die verstärkte Frauenförderung. Was ist auf diesem Gebiet erreicht worden?
Auf diesem Gebiet hat sich bei uns und bei den Partnern enorm viel verändert. Vor zehn Jahren wurden einzelne Frauenprojekte gefördert, heute ist die Frauenförderung fester Bestandteil unserer Programmförderung. Noch wesentlicher ist, dass Frauen in der Programmarbeit und in der gesellschaftspolitischen Arbeit der Partner sehr viel aktiver geworden sind und dies in allen Regionen der Welt.
Wo liegen die Grenzen der EZE, wenn es gilt, Partner zu einer stärkeren Mitwirkung von Frauen zu ermutigen und aufzufordern?
Wir können nur versuchen zu überzeugen. Unsere Grenzen liegen da, wo Partner dieses Anliegen nicht aufnehmen. Wenn Programme zu Lasten von Frauen gehen, werden sie von uns nicht gefördert. Das ist das Instrument, das wir einsetzen müssen.
Die EZE fördert mittlerweile auch einzelne Programme in Osteuropa. Welche Erfahrungen wurden dabei im Vergleich zu Programmen im Süden gemacht?
Es ist alles viel schwieriger! Im Grunde erlebt man noch einmal eine Aufbausituation, wie dies im Süden in den sechziger und siebziger Jahren der Fall war. Es ist eine Arbeit, die völlig neu gestaltet werden muss. Dabei steht wie immer am Anfang, dass man wechselseitiges Vertrauen schafft, damit die Beziehungen nicht allein vom Geld bestimmt werden, sondern auch ein Austausch und eine Verständigung über Erfahrungen stattfinden kann. Das dauert seine Zeit.
Ein Anliegen vieler Partner in Übersee ist es, dass die kirchlichen Entwicklungseinrichtungen in Deutschland sich dafür einsetzen, dass die internationalen Rahmenbedingungen für eine eigenständige Entwicklung in den Ländern des Südens verbessert werden. Was tut die EZE, um in diese Richtung auf die Bundesregierung und auf die Gesellschaft einzuwirken?
Wir nehmen regelmäßig an Arbeitsbesprechungen mit dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, dem
Auswärtigen Amt und manchmal auch anderer Ministerien teil. Dort
finden auch Diskussionen über Fragen wie der Entschuldung der Länder
des Südens statt. Das ist unsere direkte Möglichkeit, unsere
Sichtweisen auf Arbeitsebene einzubringen. Man kann feststellen, dass heute ein
hoher Grad von Übereinstimmung zwischen den Kirchen und dem BMZ in solchen
Fragen besteht.
Außerdem ist die EZE eingebunden in die Gesamtarbeit der bisherigen
Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst und der Gemeinsamen
Konferenz Kirche und Entwicklung. Auf diesem Wege haben wir immer versucht, an
Initiativen mitzuwirken.
Es gibt auch Grenzen, denn die EZE ist so ausgestattet, dass sie primär
staatliche Mittel für kirchliche Entwicklungsprogramme bearbeitet, und ist
weniger ausgestattet für Lobby- oder Advocacyarbeit. Sie hat aber den
großen Vorteil, dass sie in dem Vorsitzenden der EZE, dem
Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesregierung, einen
Vertreter hat, der in besonderer Weise Einfluss ausüben kann. Wenn der
Bevollmächtigte von einer Sache überzeugt werden konnte, dann hat er
in seiner Eigenschaft als EZE-Vorsitzender vieles bewirkt.
Die EZE wird nun Teil des EED werden. Was ist Ihnen vom Erbe der EZE besonders wichtig, von dem sie hoffen, dass es vom EED fortgeführt wird?
Der Übergang der Aufgaben und des Personals von der EZE zum EED soll Ende diesen Jahres erfolgen. Was wir einbringen, sind große Erfahrungen in der Projekt- und Programmarbeit, die den EED mitprägen werden. Wir haben eine Mitarbeiterschaft, die auch durch die Auseinandersetzung mit der staatlichen Entwicklungshilfe und dem damit verbundenen Wettbewerb besondere Qualitäten und Qualifikationen besitzt, und das wird zum Nutzen des EED sein.
Welche Erfahrungen machen Sie als Vorstandsmitglied des EED in Bonn in der Gründungs- und Aufbauphase des neuen Werkes?
Ich bin nicht mehr das einzige Vorstandsmitglied hier in Bonn. Konrad von
Bonin arbeitet seit dem 1. September hier als Vorsitzender des Vorstandes und
Wilfried Steen wird in Kürze nach Bonn übersiedeln.
Das neue Werk braucht die Bereitschaft der bisher selbständigen
Organisationen, sich aktiv am Aufbau zu beteiligen. Zunächst einmal haben
die einzelnen Organisationen die Haltung: Wir bringen etwas Besonderes ein.
Aber man muss auch die Bereitschaft haben, das, was man einbringt, mit dem zu
kombinieren, was die anderen einbringen, und daraus etwas Neues zu machen. Es
braucht Zeit, um dieses Verständnis zu schaffen.
Hinzu kommt, dass mit der Schaffung des Werkes in Bonn leider auch
verbunden ist, dass Menschen umziehen müssen. Das ist für manche
nicht einfach. Daher gibt es dann auch ein Stück Widerstand. Diese
Schwierigkeiten so zu lösen, ist eine wichtige Aufgabe, an der wir
arbeiten. Insgesamt kann ich sagen, dass jede Fusion mit Problemen verbunden
ist, aber ich sehe es so, dass der EED all dies erfolgreich lösen wird.
aus: der überblick 04/2000, Seite 118