Afrika will bessere Konditionen für die Ausbeutung seiner Rohstoffe
Billige Rohstoffe und Arbeitskräfte und damit die Aussicht auf hohe Erträge hatten einst europäische Interessen an Afrika geweckt und immer stärker werden lassen. Auf der Berliner Konferenz im Jahre 1885 wurde versucht, die Ansprüche der verschiedenen europäischen Mächte mit der Demarkation der afrikanischen territorialen Grenzen in Einklang zu bringen. Dabei wurden den Afrikanern alle Rechte auf Nutzung und Kommerzialisierung ihrer natürlichen Reichtümer aberkannt und der Handel mit ihnen verboten. Die Abkommen der Berliner Konferenz bahnten den Weg für Plünderung und Raub und legten faktisch den Grundstein für die Katastrophe, die sich im Kongo unter König Leopold II. von Belgien vollzog.
von John Rocha
Als die afrikanischen Länder gegen Mitte des 20. Jahrhunderts nach und nach unabhängig wurden, bemühten sie sich, Kontrolle und Gewalt über das Wirtschaftsgeschehen in ihren Länder zurückzugewinnen. Infolge der westlichen Monopole über afrikanische Rohstoffe hatten die übernommenen Wirtschaftssysteme eine Schieflage, welche die Abhängigkeit Afrikas verstärkte. Der Schuldendienst an den Westen schwächte den Kontinent weiter. Afrikas Nettokapitaltransfer in die Staatssäckel des Westens hatte im Jahre 2000 rund 150 Milliarden US-Dollar erreicht. Das war die Folge einer Kombination verschiedener Faktoren, wie Korruption, Geldwäsche, verzerrte Preisgestaltung, verdeckte Gewinntransfers sowie Plünderung und Raub von Rohstoffen.
Tatsache ist, dass Naturschätze, erneuerbare und nicht erneuerbare, für die Entwicklung bedeutend sind. Auf der ganzen Welt haben Länder ihren natürlichen Reichtum genutzt, um Einkommen zu erzeugen und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen. Denken wir nur an Finnland, Norwegen und die USA. In Afrika tragen Einkommen aus der Ausbeutung von natürlichen Reichtümern zu einem Großteil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bei und Rohstoffexport ist vielerorts die Hauptquelle der Deviseneinnahmen. Afrika verfügt über eine beeindruckende Fülle an Bodenschätzen, so beispielsweise 89 Prozent der Weltreserven an Platin und 60 Prozent der an Diamanten sowie bedeutende Anteile bei Gold, Kobalt, Mangan, Chrom, Bauxit, Nickel, Kohle, Uran und Kupfer. Von den derzeit bekannten Weltölreserven (ohne Teersände) hat Afrika einen Anteil von 7 Prozent. Es wird geschätzt, dass im Jahre 2010 mindestens jedes fünfte Barrel Öl auf dem Weltmarkt aus der Region des Golfs von Guinea kommen wird, das meiste aus Angola und Nigeria. Afrika besitzt ferner erhebliche Reserven an Erdgas. Diese Vorkommen machen Afrika für die übrige Welt so interessant.
Es wird jedoch immer deutlicher, dass dieser ungeheure Rohstoffreichtum den Lebensstandard einfacher Afrikaner kaum verbessert und wenig zur Entwicklung des Kontinents beigetragen hat. Das hat zu Diskussionen darüber geführt, ob die Naturschätze für Afrika ein Fluch oder ein Segen seien. Viele Konflikte entstehen, eskalieren oder dauern an, weil es um die Kontrolle über die Rohstoffe geht. So geraten Länder in "Konfliktfallen", so dass sie nicht aus der Unterentwicklung herauskommen.
In der Neuen Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD) versucht der Kontinent unter anderem, seine natürlichen Ressourcen als Grundlage für seine soziale und wirtschaftliche Regeneration zu nutzen und die Entwicklung Afrikas selbst in die Hand zu nehmen. Dabei wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass Entwicklung, so wie sie zurzeit konzipiert und organisiert wird, mit vielen strukturellen Hindernissen behaftet bleibt, die der Beseitigung von Armut und der Erzeugung von Wohlstand in Afrika entgegenstehen. Statt sich zu entwickeln, erleidet Afrika einen Aderlass, während die übrige Welt auf Afrikas Kosten blüht und gedeiht. Wie der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2005 sagte: "Afrika ist zu einem Nettoexporteur von Kapital in die Industrieländer geworden."
Die Nutzung der Ressourcen selbst zu koordinieren und zu kontrollieren, ist eines der acht Grundsatzziele, die bei den Konsultationen von NEPAD und Afrikanischer Union (AU) für Frieden und Sicherheit im März 2003 beschlossen worden waren. Dort wurde insbesondere die Notwendigkeit unterstrichen, gemeinsam umfassende Standards für das Management von Rohstoffen, insbesondere in Konfliktgebieten, zu schaffen.
Das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum insbesondere in Asien hat eine zunehmende Nachfrage nach strategischen Rohstoffen und intensiven Wettbewerb um den Zugang zu diesen zur Folge. Viele afrikanische Länder werden bereits von Ländern wie China, Indien, Südkorea, Malaysia und Russland umworben. Vor kurzem hat die Regierung von Gabun die alleinigen Nutzungsrechte an Eisenerz an ein chinesisches Unternehmen vergeben. Das geschah auf Kosten eines konkurrierenden Konsortiums aus einem französischen und einem brasilianischen Unternehmen. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika werden ihr Öl verstärkt aus dem Golf von Guinea beziehen. Das unterstreicht die strategische Bedeutung der Rohstoffe Afrikas für einige der bedeutendsten Volkswirtschaften der Welt.
Für Afrikas Entwicklung wäre jedoch eine Abkehr von der Rohstoffexportorientierung notwendig. Stattdessen sollte die Maximierung der Wertschöpfung durch vorgelagerte Investitionsgüterindustrien und nachgelagertes verarbeitendes Gewerbe Priorität haben. Nur dann wird der Kontinent seine Armut verringern und seine Marginalisierung in der Weltwirtschaft überwinden können.
Die Verpflichtung zur Diversifizierung der afrikanischen Volkswirtschaften sollte deshalb auch beim Abschluss von Verträgen über Rohstoffe oberstes Gebot sein. Einige Länder setzen diese Politik schon um: Die Regierungen von Angola, Botsuana, Namibia und Südafrika haben Druck auf die Diamantenkonzerne ausgeübt, Diamanten in ihren Ländern schleifen und zu Schmuck verarbeiten zu lassen. Auch das Engagement Chinas, Raffinerien in Angola und Nigeria zu bauen, ist ein eindeutiger Beweis für größere grundsatzpolitische Veränderungen. Durch NEPAD und die African Mining Partnership wird auch Druck auf andere Sektoren der Grundstoffindustrien ausgeübt, um sicherzustellen, dass die technologischen und Managementkapazitäten Afrikas durch die Verbesserung der Ausbildung von Fachkräften gestärkt werden. In Angola zum Beispiel werden alle großen Erdölgesellschaften verpflichtet, mehr Angolaner auszubilden und zu beschäftigen um ausländisches Personal zu ersetzen.
Afrikanische Führungskräfte haben ihr Engagement für gute Regierungsführung bereits durch die Annahme und Umsetzung des African Peer Review Mechanism demonstriert eine Einrichtung, in der die afrikanischen Regierungen ihre Leistungen wechselseitig beurteilen. Darüber hinaus haben sowohl die Afrikanische Union als auch die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften Protokolle gegen Korruption und Unterschlagung angenommen. Dabei müssen aber auch die ausländischen Vertragspartner mitspielen. Es gibt zudem mehrere Initiativen zur Einrichtung von strategischen Zukunftsfonds. Die angolanische Regierung etwa hat eine Wiederaufbau- und Entwicklungsbank eingerichtet, die von Erträgen aus der Rohstoffausbeutung finanziert wird. Ähnliche Praktiken müssen an anderer Stelle gefördert und ausgeweitet werden. Ferner sollte die Aufsichtsfunktion und -kapazität von öffentlichen Institutionen wie Parlamenten, Rechnungshöfen, Finanzämtern und dem Justizapparat gestärkt werden, um Rechtsstaatlichkeit sowie Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Diese Aufgabe lässt sich sicherlich nicht nur dadurch erreichen, dass staatliche Konten öffentlicher Prüfung zugänglich gemacht werden. Es erfordert vielmehr auch effiziente Institutionen zur Durchsetzung.
Zwar gibt es in einzelnen Ländern eindeutig erhebliche Fortschritte beim Management von Rohstoffen. Die besten Praktiken müssen aber auf den ganzen Kontinent ausgeweitet werden. Angesichts der Unteilbarkeit des Kontinents und der wechselseitigen Verflechtungen der afrikanischen Staaten gibt ein gemeinsamer Ansatz Afrika die kollektive Stimme, um gegen die internationalen Ungleichgewichte vorzugehen, die bei der Rohstoffausbeutung bestehen. Ein solcher Ansatz würde stabilere und verlässlichere Rahmenbedingungen für Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent schaffen. Dabei sind gemeinsame Mindeststandards im Interesse sowohl der Käufer als auch der Lieferanten von Afrikas Rohstoffen.
aus: der überblick 03/2006, Seite 24
AUTOR(EN):
John Rocha
John Rocha arbeitet für das Friedens- und Sicherheitsprogramm der gemeinnützigen Organisation "Safer Africa" und schreibt für die AU/NEPAD-Publikation "Pax Africa".