Ein Lotse geht von Bord
Jeder Themenschwerpunkt im "überblick" entspricht zwei Büchern, hat ein Leser der Redaktion vorgerechnet: Eins Pro, eins Contra hat ein anderer das trocken kommentiert. Welches dieser Bücher ist einem langjährigen Leser als bemerkenswert in Erinnerung geblieben?
von Klaus Wilkens
Der Rückblick auf ein paar Jahrzehnte "überblick" weckt auch andere Erinnerungen. Zum Beispiel an Karla Krauses Buch "Weiße Experten nicht gefragt" von 1981. Die Autorin hat darin das Motivatorenprogramm des indonesischen Kirchenrates geschildert und Eindrücke nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik festgehalten: "'Schön, dass du wieder da bist‘, sagen die Freunde. 'Was, drei Jahre warst du weg; wie doch die Zeit vergeht. ... Wie war‘s denn bei euch?‘, fragen sie dann und: 'Friert ihr nicht hier? Erzähl doch mal was!‘ Doch kaum setzt man an, so erzählen sie selbst: vom letzten Urlaub, dem ersten Kind, der Frauengruppe, dem Stress im Büro. Und an der Haustür sagen sie dann: 'Aber beim nächsten mal, da musst du unbedingt erzählen!‘ Nur – beim nächsten mal fragt keiner mehr. Sie müssten wohl mehr wissen, um mehr wissen zu wollen."
Wer sich in der "Dritten Welt" aufgehalten und dort außerhalb der ausgetretenen Schneisen des Tourismus Eindrücke gewonnen hat, die ihn bewegt und verändert haben, macht genau die gleiche Erfahrung wie die Autorin nach ihrer Rückkehr: Es ist kaum möglich, das, was man dort erlebt und erfahren hat, Freunden und Bekannten hierzulande zu vermitteln. Karla Krause hat recht: Sie müssten mehr wissen, um mehr wissen zu wollen.
Diese Kommunikationsbarrieren gibt es nicht nur im persönlichen Bereich. Vorurteile, Katastrophenberichte und Feindbilder beherrschen die Vorstellungen, die man sich in Nord und Süd vom jeweils anderen Kontinent macht. Es gelingt kaum noch, die anderen in ihrer Andersartigkeit und Fremdheit zu hören und wahrzunehmen. Man brüstet sich gern mit Nord-Süd-Dialogen, aber das ist meist ein Schlagabtausch unter Schwerhörigen oder gar Gehörlosen.
Auch die Weltchristenheit leidet unter dem Zusammenbruch echter Kommunikation und ist drauf und dran, sich in zwei Lager auseinander zu dividieren, wie die 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im Februar 2006 in Porto Alegre (Brasilien) offenbart hat. Da gibt es auf der einen Seite die fundamental-kritische Position der Vertreter vor allem des Südens, für welche die Globalisierungsthematik angesichts der Verarmung und Verelendung großer Bevölkerungsgruppen und ganzer Gesellschaften zu einer Frage auf Leben und Tod geworden ist. Sie bestehen darauf, das weltwirtschaftliche System der "neoliberalen Globalisierung" als unchristlich zu verurteilen zu überwinden. Auf der anderen Seite stehen die Vertreter vor allem des Nordens, die mit volkswirtschaftlichen und politischen Argumenten dafür plädieren, die Weltwirtschaft durch das Setzen von Rahmenbedingungen zu steuern und auf diese Weise menschenwürdiger und umweltgerechter zu gestalten.
Die Weltkommission der Vereinten Nationen (UN) zur sozialen Dimension der Globalisierung hat die mangelnde Bereitschaft zur Kommunikation schon 2004 voller Sorge beschrieben: "Die öffentliche Diskussion über die Globalisierung ist in eine Sackgasse geraten. Die öffentliche Meinung ist in den ideologischen Gewissheiten festgefahrener Standpunkte erstarrt und in viele Einzelinteressen zersplittert. Der Wille zu einem Konsens ist schwach."
Diese Hinweise mögen genügen, um sich die Bedingungen vor Augen zu führen, unter denen "der überblick – Zeitschrift für ökumenische Begegnung und internationale Zusammenarbeit" seine publizistische Arbeit verrichtet. Erst wenn man sich diesen Kontext vergegenwärtigt, wird einem bewusst, dass das kaum zu überschätzende Verdienst dieser Zeitschrift darin besteht, dass es ihr wie nur wenigen Medien im deutschen Sprachraum immer wieder gelingt, den Abbruch der Kommunikation zwischen Nord und Süd zu überwinden und Menschen hier wie dort in Hörweite zueinander zu bringen.
Wenn Vorurteile, Klischees und Ängste die Bilder beherrschen, die wir uns in Nord und Süd voneinander machen, kann ein Klima entstehen, in dem sich der "Weltzorn", von dem Klaus Lefringhausen spricht, bedrohlich ausbreiten kann.
Was befähigt die Zeitschrift "der überblick", diese Rolle des Mittlers zwischen den Welten wahrzunehmen, als ein guter Botschafter zu agieren, der in seine Heimat vermittelt, was in der Fremde gedacht, empfunden, geplant und unternommen wird, und der so neue Erkenntnisse zu Tage fördert und produktive Unruhe stiftet? So hat die Chefredakteurin, Renate Wilke-Launer, ihren Auftrag beschrieben. Was also ist es, was die Zeitschrift "der überblick" zu etwas Besonderem macht?
Erstens hat sich "der überblick" die Mittlerrolle nicht selbst angemaßt, er ist also nicht im eigenen Auftrag tätig. Bis heute gilt, was die zuständigen Gremien der Werke des kirchlichen Entwicklungsdienstes im Bereich der EKD 1976 beschlossen haben, dass nämlich "der überblick" "die Quartalsschrift der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst (AGKED)" ist und von einem Herausgeberkreis publiziert wird, in dem die Werke der AGKED vertreten sind. Damit ist der Zeitschrift die Aufgabe übertragen worden, den Kirchlichen Entwicklungsdienst der EKD im Auftrag der AGKED mit publizistischen Mitteln zu begleiten, wie auch zu unterstützen und so die Weltverantwortung der Kirche in der Öffentlichkeit sachgerecht und kompetent zur Geltung zu bringen. Als dann die Werke der AGKED – bis auf "Brot für die Welt", das seine Eigenständigkeit bewahren konnte – 1999 im Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) zusammengeschlossen wurden, ging die Anstellungsträgerschaft für die Redaktion "der überblick" auf den EED über, der seitdem für alle Fragen, die in diesem Zusammenhang anstehen, zuständig und verantwortlich ist.
Die Vermittlerrolle der Zeitschrift hat ihren Niederschlag nicht zuletzt darin gefunden, dass "der überblick" über alle Vollversammlungen des ÖRK, Weltmissionskonferenzen und andere ökumenische Veranstaltungen auf Weltebene ausführlich berichtet hat und damit die Stimmen, Anstöße, Empfehlungen und Anfragen der Weltchristenheit in unserem Umfeld hörbar gemacht und zur Diskussion gestellt hat. Auch die Weltfrauen- und Weltbevölkerungskonferenzen der Vereinten Nationen haben in der Berichterstattung der Zeitschrift eine gewichtige Rolle gespielt und die Auseinandersetzungen in unserem Land über diese Fragen befruchtet.
Die Beauftragung durch kirchliche Leitungsgremien hat der Zeitschrift von je her eine große Unabhängigkeit verliehen, und dies ist ein zweiter Aspekt, der sie für ihre Rolle als Mittler zwischen Nord und Süd qualifiziert. Denn "der überblick" ist so gar nicht erst in Versuchung geraten, sich als Sprachrohr anderer Institutionen, Parteien, Interessengruppen und dergleichen missbrauchen zu lassen. Das hat die Zeitschrift befähigt, auch die Entwicklungspolitik selbst immer wieder kritisch zu befragen. Ein typisches Beispiel ist die Auseinandersetzung mit Tansania, dem Lieblingsland deutscher Entwicklungshilfe und zahlloser Gemeinde-Partnerschaften. In Heft 2/2002 wird unter dem Titel "Projektion und Wirklichkeit" aufgezeigt, wie die Vision des Präsidenten Julius Nyerere vom afrikanischen Sozialismus als "Projektion für christliche, sozialdemokratische und sozialistische Vorstellungen von Entwicklung" diente, was zur Folge hatte, dass man nur noch sah, was man sehen wollte, und darüber die Realitäten aus dem Auge verlor – zum Schaden der Entwicklungszusammenarbeit. Ebenso kritisch und schonungslos konnte "der überblick" – um ein weiteres Beispiel zu nennen – nach dem Völkermord in Ruanda über das Versagen der Vereinten Nationen und der Gebergemeinschaft berichten. Diese blieb trotz hoher Präsenz im Land und eindeutiger UN-Berichte, die Ende 1993 den bevorstehenden Gewaltausbruch ankündigten, tatenlos, weil sie nicht sehen oder wahrhaben wollten, was sich da zusammenbraute (Heft 1/1996).
"der überblick" hat sich in langwierigen, schwierigen Gesprächen auch erfolgreich gegen alle Versuche aus den eigenen Reihen gewehrt, sich zu einem Verbandsorgan umfunktionieren zu lassen, das die Programme, Leistungen und Interessen der eigenen Werke durch Öffentlichkeitsarbeit herausstellt und sich, wie so viele kirchliche Publikationen, von einer Absender-Orientierung leiten lässt. Hier liegt wohl auch der Grund dafür, dass der EED, in dessen Auftrag "der überblick" seit 2000 erscheint, kein sonderliches Interesse an dieser Zeitschrift entwickelt und ihr Ende herbeigeführt hat. Die Redaktion hat ihre Zugehörigkeit und ihren Auftrag nie verleugnet, sich dabei aber an den Leserinnen und Lesern orientiert. Dringende oder originelle Fragen wurden mit Neugier und journalistischem Sachverstand in Themenschwerpunkten behandelt und dabei von unterschiedlichen Seiten beleuchtet. Gerade weil das Blatt kein PR-Organ war, konnte es den kirchlichen Entwicklungsdienst auf so hervorragende Weise publizistisch unterstützen.
Dass "der überblick" eine solch herausragende Rolle bei der Vermittlung von Sachverhalten gespielt hat, die sich früher oder später als Schwerpunktthemen auch außerhalb der entwicklungspolitischen Klientel entpuppten, hat seinen Grund drittens auch darin, dass die Zeitschrift mit sehr kompetenten ausländischer Autoren zusammenarbeitet, die ohne ihn von uns nicht gehört werden können. An Beispielen dafür fehlt es nicht. Hier sei nur der Beitrag der Inderin Madhu Kishwar genannt, die unter dem Titel "Auf dem Rücken der kleinen Leute" sehr eindrücklich schilderte, wie die Regulierungswut in Indien die Menschen daran hindert, produktiv von ihren Fähigkeiten Gebrauch zu machen und Geld zu verdienen (Heft 2/1998). Als die Welt erleichtert aufatmete, dass die Apartheid in Südafrika zu Ende ging, kam "der überblick" mit einem Heft (4/1991) heraus, in dem die absehbaren Probleme der Nach-Apartheid-Zeit angesprochen wurden. Die Autoren waren fast alle aus Südafrika selbst, darunter Prominente wie Nelson Mandela, Desmond Tutu und der spätere Minister Kader Asmal.
Schließlich ist die Tatsache zu nennen, dass es der Zeitschrift immer wieder gelungen ist, Themen aufzugreifen, die außerhalb des Spektrums entwicklungspolitischer Fachzeitschriften, oft auch der deutschsprachigen Publizistik überhaupt liegen und die wegen ihrer Bedeutung und Dringlichkeit häufig erst sehr viel später zu Schwerpunktthemen unserer Gesellschaft geworden sind. Dass "der überblick" eine solche Vorreiterrolle spielen konnte, ist ohne Frage dem Spürsinn und der Kontaktfreudigkeit seiner kleinen Redaktion zu danken. Sie wurde von 1969 bis 1990 von Eberhard le Coutre und seitdem von Renate Wilke-Launer geleitet. Beide haben darauf geachtet, dass die Redaktion ihre vielfältigen, internationalen Kontakte pflegte und im lebendigen Austausch mit ihren Partnern weltweit auf die Themen stieß, die aus unterschiedlichen Gründen jeweils "dran" waren.
So plädierte "der überblick" 1969 anlässlich der Verabschiedung des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Ablösung der Wehrpflicht durch eine allgemeine Dienstpflicht mit unterschiedlichen Wahloptionen. Die Beiträge von Dieter Danckwortt und anderer zu dieser Thematik (Heft 2/1969) sind heute so aktuell wie damals. Mit dem Schwerpunktthema "Wälder" (Heft 2/1976) hat "der überblick" ganz früh ein Thema aufgegriffen, das später regelrecht Mode wurde. Tabu war dagegen 1992 noch die deutsche Beteiligung an UN-Friedenseinsätzen. "der überblick" leistete mit "Frieden schaffen mit Blauhelmen?" (Heft 4/1992) hier wieder einmal Pionierarbeit.
Sechs Jahre später mahnte das Heft "Grundrecht Sicherheit" (Heft 1/1998) erneut ein Umdenken in unserem Lande an. Mehr "Law and Order" einzufordern war damals verpönt, eine den sicheren und friedlichen Lebensbedingungen hierzulande geschuldete Blindheit. Die Polizeihilfe der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit für Guatemala hatte Jahre zuvor heftige Proteste ausgelöst, weil sie die Rückkehr zu polizeilichem Terror in der Zeit der Militärdiktatur einzuläuten schien. Da jedoch, wo Einparteiensysteme, Militärdiktaturen und andere Spielarten repressiver Regime abgelöst und Demokratisierungsprozesse in Gang gesetzt werden, rückt das Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger auf Sicherheit als rechtsstaatliche Aufgabe ins Blickfeld – so "der überblick" – und muss polizeiliche Demokratisierungshilfe als Bestandteil der Entwicklungspolitik möglich sein, unter klaren Bedingungen freilich. Mitglieder des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit (AWZ) äußerten später, dass "der überblick" mit diesem Thema genau zum rechten Zeitpunkt erschienen sei
Um die außerordentlich glückliche Hand der Redaktion bei der Auswahl von Schwerpunktthemen zu demonstrieren, sei schließlich auf die Ausgabe mit dem Titel "Aus der Ferne radikal" (Heft 2/2001) verwiesen. Darin wird – wenige Monate vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001! – sehr detailliert dargelegt, dass Emigranten und Exulanten in ihrer neuen, meistens gut gesicherten Umgebung häufig eine paradoxe Vorliebe für extremistische Gruppen in ihrer Heimat an den Tag legen und für militanten Widerstand zuhause eintreten. Davon profitieren – so heißt es dort – "Islamistenführer, die junge Muslime zu Söldnern für den heiligen Krieg in aller Welt ausbilden lassen". Was das konkret bedeuten konnte, zeigte sich einige Monate später in den USA in seiner ganzen Brutalität.
Im Hinblick auf seine Schwerpunktthemen ist schließlich darauf hinzuweisen, dass sich "der überblick" auch dadurch von gängigen entwicklungspolitischen Fachzeitschriften unterscheidet, dass er bei der Auswahl seiner Themen stets ein ganzheitliches Spektrum bewahrt hat. So wurde zum Beispiel "Schönheit" beziehungsweise die Auswirkungen des Strebens nach Attraktivität in den verschiedenen Kulturen zum Schwerpunktthema der Zeitschrift (Heft 4/2004). Ebenso ungewöhnlich war die Ausgabe über "Tod & Trauer" (Heft 2/2003). Wichtig auch das Heft über die Pfingstkirchen (Heft 1/2005; dazu auch Heft 4/2006). Darin wird nachgewiesen, dass diese Kirchen nicht zuletzt mit rigiden Moral-Vorstellungen die Lebensumstände ihrer Mitglieder stabilisieren und sie dadurch zur Selbsthilfe und zu wirksamer Entwicklungshilfe befähigen – ein Phänomen, das von den Großkirchen und der entwicklungspolitischen Öffentlichkeit bis dahin überhaupt nicht wahrgenommen worden war.
Wenn man eine Zeitschrift wie "der überblick" bewerten will, muss man sich schließlich mit der Frage auseinandersetzen, was sie bewirkt hat. Nun ist es bekanntermaßen kaum möglich, die Auswirkungen von Vorhaben in den Bereichen Bildung und Publizistik zu ermitteln und zu qualifizieren. Die Redaktion der Zeitschrift hat darum Versuche in dieser Richtung – abgesehen von drei Leserumfragen, der letzten im Herbst 2005 – auch gar nicht erst unternommen. Einiges aber lässt sich durchaus feststellen. Aus meiner Zeit als Gemeindepfarrer in Jever (von 1969 bis 1977) ist mir erinnerlich, dass wir uns damals bemüht haben, die jährlichen Aktionen für "Brot für die Welt" über das bloße Spenden-Sammeln hinaus als Bildungsveranstaltungen für die Gemeinde und die öffentlichkeit zu gestalten. Dabei ist "der überblick", der mir zum erstenmal als Mitglied der EKD-Synode in die Hände fiel, eine echte Hilfe gewesen. Wir haben damals erlebt, dass Jugendliche und auch Erwachsene, die durch unsere Veranstaltungen angeregt wurden, sich mit Nord-Süd-Problemen auseinander zu setzen und sich für konkrete Entwicklungsprojekte zu engagieren, ganz neu Zugang zu unserer Gemeinde fanden.
Aber es gibt auch andere Zeugnisse, die zeigen, dass "der überblick" auf der Ebene der Gemeinden sehr wohl angekommen ist, auch wenn umfängliche Artikel mit wissenschaftlichen Analysen manch einen Leser oder Leserin überfordert haben mögen. Es fehlt aber nicht an Reaktionen wie der eines älteren Pfarrers, den als langjährigen Abonnenten der Zeitschrift immer wieder fasziniert hat, welche Weitsicht und welche fast prophetische Vorschau in ihren Artikeln zur Sprache kommt. So entstehen dann solche Rückmeldungen wie dieser: "der überblick hat über Jahrzehnte meine Weltsicht verändert" (Der Leser: Ein Portrait; Heft 1/2006).
Schließlich ist die Bedeutung zu nennen, die "der überblick" im Laufe der Jahre bei uns auch auf gesamtkirchlicher Ebene gewonnen hat. So ist daran zu erinnern, dass "der überblick" immer wieder über Tagungen der EKD-Synode berichtet und zu öffentlichen Erklärungen der Kammern der EKD für Kirchlichen Entwicklungsdienst und für öffentliche Verantwortung Stellung genommen hat. Dass dies alles zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den kirchlichen Verlautbarungen anregen sollte, hat nicht nur die innerkirchliche Diskussion und Orientierung gefördert, sondern hat auch im außerkirchlichen Bereich Interesse an der Zeitschrift geweckt. So meint zum Beispiel ein Leser: "Obwohl ich mit Kirche nichts mehr am Hut habe, möchte ich auf den 'überblick‘ nicht verzichten" (Heft 1/2006).
Dass "der überblick" das Denken von Menschen und das Handeln von Institutionen mit geprägt hat, hat sich auf vielen Ebenen immer wieder gezeigt. Auch in der Politik diente "der überblick" als Referenz für Fragen und Antworten im Bundestag, er wurde in Amtsstuben herangezogen, wenn es galt, sich ein Bild zu machen oder etwas eigenes zu formulieren, er wurde auf Akademietagungen zitiert und von Journalisten als Quelle genutzt. Als Oberkirchenrat konnte man stolz sein auf dieses publizistische Organ unserer Kirche. Man wurde sogar selbst dafür gelobt.
Als Fazit ist festzuhalten: Aus der Zeitschrift, die Manfred Kulessa im Frühjahr 1965 gegründet hat und die sich zunächst sehr bescheiden als Rundbrief zum Zweck des Erfahrungsaustausches zwischen den überseeischen und den einheimischen Mitarbeitern von "Dienste in Übersee" verstand, hat sich eine Quartalsschrift von solchem Rang entwickelt, dass es in der ganzen Bundesrepublik nichts Vergleichbares gibt.
Angesichts dieses Sachverhalts stellt sich dann freilich eine Frage: Was mag die verantwortlichen kirchlichen Gremien bewogen haben, Beschlüsse zu fassen, die zur Folge haben, dass "der überblick" zugunsten einer neuen entwicklungspolitischen Zeitschrift ganz anderer Art sein Erscheinen einstellen muss?
Ich weiß darauf keine Antwort.
aus: der überblick 04/2007, Seite 120
AUTOR(EN):
Klaus Wilkens
Klaus Wilkens hat den "überblick" als Gemeindepfarrer und als Oberkirchenrat im Kirchenamt der EKD gelesen. Heute lebt er in Ostfriesland und in Kroatien.