Kritische Bilanz einer Initiative
Ist das "Flower Label Programm" (Blumensiegel-Programm, FLP) erfolgreich und wo liegen die Schwachstellen? Das Siegel ist eine Initiative der Blumen-Kampagne, die sich vor zehn Jahren zusammengefunden hat. Verliehen wird das Siegel in Deutschland und Österreich seit Anfang 1999 von einem internationalen Bündnis aus Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und dem Blumenhandel. Heute bieten in Deutschland bereits 660 Floristengeschäfte FLP-Blumen an, mit steigender Tendenz.
von Christian Ludwig
Die Träger der Blumensiegel-Initiative verfolgen unterschiedliche Ziele. Der Blumen-Kampagne geht es darum, die Menschenrechte zu schützen, die Importeure sind eher an neuen Märkten und direkten Importwegen ohne den Umweg über die Großmärkte in Holland interessiert. Das betonte zumindest Henning Möller, der Geschäftsführer des Bundesverbandes des deutschen Blumengroß- und Importhandels, auf einem Seminar der FIAN Ende Oktober letzten Jahres in Bochum. Und der Fachverband der deutschen Floristen erwartet, dass es infolge seiner Teilnahme an dem Programm keine imageschädigenden Demonstrationen mehr vor den Blumenläden gibt. Die dem FLP beigetretenen Blumenzüchter aus dem Süden haben in ihren Betrieben inzwischen zahlreiche Verbesserungen verwirklicht, aber immer noch arbeiten weltweit 90 Prozent aller Blumenarbeiterinnen unter miserablen Bedingungen. Die Blumen-Kampagne hält deshalb eine Fortsetzung und Verstärkung der Arbeit für nötig. Auch die Importeure, die mehr FLP-Blumen direkt aus dem Erzeugerland importieren, sehen sich auf dem richtigen Weg. Der Einzelhandel sei bereits am Ziel, meinte dagegen Nicole Aspei, die Pressesprecherin des Floristenverbandes.
Die entscheidende Frage für die Zukunft wird jedoch sein, wie sich der Bekanntheitsgrad des "Flower Label Programms" erhöhen lässt. Weil sich zahlreiche Floristen weigern, FLP-Blumen anzubieten, kam auf dem Seminar die Forderung auf, mit Aktionen verstärkt auf die katastrophalen Verhältnisse der konventionellen Blumenproduktion hinzuweisen, statt mit dem "guten" Produkt FLP-Blume zu werben. Schockierende Bilder würden am positiven Image, das der Einzelhandel insgesamt vermittelt, kratzen.
FLP-Blumen werden vornehmlich in Städten mit starken FIAN- und terre des hommes-Gruppen angeboten, der Einzelhandel ist ohne Druck und Aufklärung also nicht bereit, in das Programm einzusteigen. Zumindest die führenden Vertreter des Einzelhandels und der Importeure stehen aber hinter dem Programm.
Der Bekanntheitsgrad hängt nicht zuletzt von der Werbung und damit der Inlandsarbeit ab. So stellt Frank Braßel, Mitglied von FIAN und Koordinator des FLP, fest: "Ein großes Problem ist, dass es zu wenig Ressourcen gibt, um ein wirklich professionelles Büro aufzubauen, wo fünf Leute nichts anderes machen als die Koordination und das Vorantreiben des Flower-Labels-Programms." Zurzeit arbeiten lediglich zwei Personen hauptamtlich für das FLP: Frank Braßel und Cruz Emilia Rangel, die eine halbe Stelle hat und für die Arbeit in den Produzentenländern zuständig ist.
Das Programm steht heute vor einer entscheidenden Weichenstellung: Sollen die Blumenproduzenten aus Deutschland und Holland einbezogen werden? Das FLP beruht auf internationalen Standards, die sich an den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) orientieren, mit denen diese weltweit Arbeits-, Kinder- und Frauenrechte schützen will. Ein Beitritt europäischer Produzenten könnte zu Konflikten innerhalb der Kampagne führen. Insbesondere den Verbraucherzentralen würde es schwer fallen, das Label bei einer Ausdehnung auf europäische Produzenten noch zu unterstützen, denn Pestizide sind bei FLP-Blumen in einem gewissen Umfang zugelassen. Damit handele es sich definitiv nicht um ein Umweltlabel, so Dirk Petersen, Umweltberater bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Eine weitere Streitfrage ist, ob in Zukunft verstärkt Supermärkte dafür gewonnen werden sollen, FLP-Blumen anzubieten. Dies würde auf Kosten des Fachhandels gehen, der sich mit dem FLP als besonderer Dienstleister profilieren kann. Henning Möller räumt das ein, geht aber dennoch davon aus, dass in etwa eineinhalb Jahren Supermärkte im großem Umfang FLP-Blumen führen werden. Dadurch würden wesentlich mehr Kunden das Siegel kennen lernen.
Wie hoch die Löhne der Blumenarbeiterinnen sein sollen, ist ebenfalls umstritten. Das FLP orientiert sich an internationalen Standards, aber auch an den im jeweiligen Land üblichen Mindestlöhnen. So benötigt man nach Angaben von Jonah Gokova, Kontrolleur des Programmes in Simbabwe, zum Beispiel in Kolumbien, Simbabwe oder Kenia ein Mehrfaches des Mindestlohnes zum Überleben. Dennoch fürchten Gewerkschaften in armen Ländern, dass zu weit reichende Forderungen aus dem "reichen Norden" ihre Politik untergraben könnten. Wenn FLP-Betriebe sehr hohe Löhne zahlten, könnte das gesamte Lohngefüge durcheinander geraten. Mühsam erkämpfte Tarifverträge in anderen Branchen würden gefährdet. Gerade die Gewerkschaften aber sind wichtige FLP-Partner im Produzentenland.
Der Kampf um Menschenrechte und damit auch das FLP "ist ein Prozess. Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen", betont Stephan Berg von der FIAN aus Lörrach. Immerhin hat die FLP-Initiative einen Teil ihrer Ziele schon erreicht. Und so blickt Horst Hesse von terre des hommes aus Lübeck durchaus zufrieden zurück: "Am Anfang gab es die Blumen in zwei Geschäften. Heute sind es schon siebzehn. Das ist wirklich mal wieder ein Erfolgserlebnis nach 28 Jahren Arbeit bei terre des hommes".
aus: der überblick 01/2001, Seite 139
AUTOR(EN):
Christian Ludwig:
Christian Ludwig ist Hospitant beim Überblick