Wiederschlechtmachung
Die Begnadigung von Tätern aus der Zeit des Bürgerkrieges durch Präsident Thabo Mbeki und die Verschleppung von Entschädigungszahlungen an Apartheidsopfer durch die Regierung gefährden den Versöhnungsprozess in Südafrika.
von Tyrone Savage und Sifiso Ngesi
Südafrikas Präsident Thabo Mbeki hat im Mai 2002 als politische Geste 33 Mitglieder des African National Congress (ANC) und des Pan Africanist Congress (PAC) begnadigt. Den meisten von ihnen war von der Wahrheits-und Versöhnungskommission keine Amnestie gewährt worden. Nach der offiziellen Erklärung sollte der Begnadigungsakt des Präsidenten ein weiteres Kapitel aus der Apartheidsgeschichte schließen.
Mbekis Verhalten ist zwar nach der südafrikanischen Verfassung von 1996 legal, aber die Öffentlichkeit war schockiert und verwirrt. Die Stimmung im Land wurde noch verbitterter, als einer der Begnadigten, Dumisani Ncamazana, zwei Wochen nach seiner Freilassung wegen der Ermordung eines Ladenbesitzers bei einem überfall festgenommen wurde. Viele Südafrikaner sahen in der Begnadigung so etwas wie eine "Wiederschlechtmachung" - anders kann man es wohl nicht nennen. Für sie steht diese Entscheidung in krassen Widerspruch zu dem Übergangsprozess, der Südafrika vor einem totalen Bürgerkrieg bewahrt und zu einer alle Bevölkerungsgruppen einbeziehenden Demokratie geführt hat.
Die Begnadigungen hätten "die Wahrheitskommission verhöhnt" und diese "völlig bedeutungslos gemacht", erklärte deren früherer Vorsitzender, Erzbischof Desmond Tutu. Rechtsextreme Gruppen verlangten, dass einsitzende Mitglieder ihrer Organisationen ebenfalls amnestiert werden. Unterstützergruppen von Hinterbliebenen der Apartheidsopfer beklagten, dass die Regierung sich im Hinblick auf die Entschädigungszahlungen ihren Verpflichtungen entziehe und nun stattdessen das mühselig von der Wahrheitskommission erarbeitete Amnestieverfahren untergräbt: Während die Täter schlimmer Verbrechen begnadigt werden, müssten die Opfer dieser Handlungen weiter auf Reparationen warten. Ist das noch die Regenbogen-Nation? Was ist aus den Verheißungen der frühen neunziger Jahre geworden? Wie steht es um die hehren Absichten, die Südafrikas Versöhnungsprozess geprägt haben?
Als Südafrika aus fast einem halben Jahrhundert Apartheid herauszuwachsen begann und der Übergangsprozess Gestalt annahm, wurde die Vision der Versöhnung im Nachspann der südafrikanischen Übergangsverfassung formuliert: "...die Spaltungen und den Zwist der Vergangenheit, die zu schlimmen Menschenrechtsverletzungen geführt haben, den Bruch der humanitären Prinzipien in gewaltsamen Konflikten und das Vermächtnis von Hass, Furcht, Schuld und Rache zu überwinden." Zu glauben, dass es möglich sei, all das zu überwinden, sich eine Nation vorzustellen, in der 40 Millionen Menschen aus einer grausam gespaltenen Gesellschaft bereit sind, sich in solch einem Prozess der Veränderung zu engagieren, das war der Elan in Südafrikas frühem Übergangsprozess. Dieser Elan hat lange getragen und zahlreiche Ergebnisse hervorgebracht wie eine neue Verfassung, die Grundrechte, die Integration von Befreiungskämpfern und den Streitkräften des Apartheidsregimes und eine Landkommission, die die Aufgabe anpacken sollte, die historisch ungleiche Verteilung des Landbesitzes zu beseitigen. Vor allem aber hat der Elan dazu geführt, einen Wahrheits-und Versöhnungsprozess in Gang zu setzen.
In diesen verschiedenen Einrichtungen zeigt sich das ernsthafte Bestreben, historische Gerechtigkeit und sozialen Wandel zu verwirklichen sowie friedliches Miteinander der verschiedenen Gruppen und ein öffentliches Leben auf der Basis demokratischer Debatten zu ermöglichen. Der Übergang an sich war kein perfekter Prozess, wurde nicht nur von hohen Idealen und edlen moralischen Absichten, sondern auch von pragmatischen Erfordernissen und Kompromissen vorangetrieben. Er war das Ergebnis von Enthüllungen, Gesprächen und manchmal faulen Kompromissen. Er ergab sich mehr aus der jeweiligen Situation als aus einer Blaupause einer Theorie nach Lehrbuch.
Von all den Institutionen und Mechanismen aus dieser Periode wird die Wahrheitskommission dafür in Erinnerung bleiben, wie sie alles bedacht und bewältigt hat bei all den sich aus den Umständen ergebenen Beschränkungen, dem politischen Druck und dem umgestaltenden Idealismus, der Südafrikas Übergang vorangetrieben hat.
Das zentrale - und kontroverseste - Element im Mandat der Kommission war ihre Befugnis, eine Amnestie zu gewähren. Damit war die Absicht verbunden, sich der Loyalität von Armee und Polizei zu versichern und einen friedlichen Übergang von der alten zur neuen Ordnung zu ermöglichen. Bedingung für eine Amnestie war, dass die einzelnen Täter die begangenen Gräueltaten gestehen. Eine Generalamnestie dagegen hätte das Prinzip der Verantwortlichkeit des Einzelnen und der Institutionen verneint und hätte es unmöglich gemacht, dass Opfer und Hinterbliebene die Vergangenheit hätten aufarbeiten können. Außerdem hätte sie nicht dazu beigetragen, das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen und das Bewusstsein für Rechenschaftspflicht zu stärken. Beides ist aber in einer noch jungen Demokratie unbedingt nötig.
Der von der Wahrheitskommission verabschiedete Kompromiss - Amnestie bei Geständnis - war ein integraler Teil des südafrikanischen Übergangsprozesses. Er hat den Weg für frühere Täter bereitet, ihren Platz in einer Nation zu finden, zu der alle gehören. Das Verfassungsgericht Südafrikas hat argumentiert, dass die Wahrheitskommission gerade deshalb Amnestie gewähren durfte, weil in der einen oder anderen Form, früher oder später, Entschädigung gezahlt werden würde. Der Begnadigungsakt des Präsidenten und die offensichtliche Verschleppung der Entschädigung seitens der Regierung stehen im Widerspruch zum Kern dieses so sorgsam ausgefeilten Kompromisses. Wer mit seinen Entscheidungen den Amnestie-Prozess verspottet und den Auftrag, Entschädigungen vorzuschlagen, nicht umsetzt, der untergräbt die institutionelle Autorität der Wahrheitskommission und verrät die Verheißungen des Übergangsprozesses.
Dennoch konsolidierte sich der Übergangsprozess, eingeleitet und symbolisiert durch Institutionen wie die Wahrheitskommission, weiter. Bei einer in ganz Südafrika im Jahr 2001 vom Institut für Gerechtigkeit und Versöhnung in acht Sprachen durchgeführten Umfrage, machten Südafrikaner aller Hautfarben deutlich, dass sie bereit sind, Kompromisse zu finden zu Fragen wie der der Amnestie und der Entschädigungszahlungen, bei denen die Meinungen tief gespalten sind. Schwarze wie weiße Südafrikaner hielten es moralisch für nicht vertretbar, bei schweren Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Apartheidssystem den Tätern Amnestie zu gewähren.
Gleichwohl bekannten 65 Prozent der Schwarzen, dass eine Amnestie der Preis war, der gezahlt werden musste, um einen friedlichen Übergang zur demokratischen Regierungsform in Südafrika zu gewährleisten. Überraschenderweise teilten nur 18 Prozent der Weißen diese Meinung. Insbesondere Schwarze waren auch bereit zu akzeptieren, dass man die mit der Amnestie verbundene Ungerechtigkeit mit Hilfe verschiedener Mittel aufwiegen könne. Eine Entschädigungszahlung wurde dabei als eine von verschiedenen Möglichkeiten angesehen. Als Alternativen zu rechtlichen Formen der Wiedergutmachung und sogar zu Entschädigungszahlungen wurden ernst gemeinte Entschuldigungen genannt und die Möglichkeit, dass Opfer und Hinterbliebene die Geschichte ihres Leidens öffentlich kundtun könnten. Die Mehrheit der Südafrikaner aller Rassen sprach sich in der Umfrage für Entschädigungszahlungen an Apartheidsopfer aus, aber nur 10 Prozent der Weißen ließen erkennen, dass sie persönlich bereit wären, einen Beitrag zu solchen Zahlungen zu leisten. Ein Ende 2000 veröffentlichter Aufruf für einen Entwicklungs-und Versöhnungsfonds fand wenig Unterstützung.
Kennzeichnend für das gegenwärtige Südafrika ist die breite Spanne von Antworten zum Thema Versöhnung. Viele Südafrikaner sind im Zwiespalt. Einerseits sehen sie, wie nötig Versöhnung ist, andererseits verhalten sie sich gleichgültig dazu. Opfer und Hinterbliebene, die die Vergangenheit in ihrer ganzen Härte erleiden mussten, können hingegen oft die Vergangenheit nicht vergessen, selbst wenn sie sich bemühen, nach vorne zu schauen und sich der Zukunft zu widmen. Viele, die von der Apartheid profitiert haben, werden ungeduldig mit dem ganzen Versöhnungsprozess. Sie fragen, warum man die Vergangenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen könne. Oft sind sie unwillig, sich mit dem Thema Übergang zu befassen und fragen, warum man weiter nach der Wahrheit suchen müsse, und sind nicht bereit, die Verantwortung für vergangenes Unrecht zu übernehmen. Die Regierung, auf der anderen Seite, möchte gerne weiter kommen, findet sich aber blockiert durch Forderungen, die aus der Vergangenheit herrühren, wie die nach Entschädigung. Sie möchte Gegner und unzufriedene Anhänger gleichermaßen beruhigen. Zwischen diesen verschiedenen widersprüchlichen Forderungen von Opfern und Hinterbliebenen, Profiteuren und Tätern, Bürgern und Regierung spielt sich die gegenwärtige Debatte über Versöhnung in Südafrika ab.
Versöhnung, so wird allgemein argumentiert, kann nur dann funktionieren, wenn den Bedürfnissen der Opfer Vorrang gegeben wird. Aber wie sieht es mit ihrer Forderung nach Gerechtigkeit aus? Ist eine Entschädigungszahlung nötig für Wiedergutmachung in einer Übergangsgesellschaft? Donald Shriver (vgl. "der überblick" 3/99) deutet an, dass "...nichts 'natürlicher' ist in menschlichen Beziehungen als Rache, und nichts ist weniger politisch." Wie vermeidet eine fragile, sich erst bildende Gesellschaft, dass Bürgerwehren Selbstjustiz üben? Wo gibt es einen Platz für die Rehabilitierung und Resozialisierung von Tätern, so dass sie eine Gelegenheit bekommen, "in der neuen Ordnung wieder gleichberechtigte, aktive und kreative Mitglieder zu werden", wie es der verstorbene oberste Richter Ismael Mahomed gesagt hat? Beide, Opfer und Täter, so Mahomed, müssen die historische Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft überqueren, und zwar nicht "mit schwer schleppenden Schritten, die einen schnellen und begeisterten Übergang zur neuen Gesellschaft am Ende der Brücke verzögern und behindern."
Aber in einer geschichtlich geteilten Gesellschaft mit den Narben aus der Zeit einer nicht legitimen Herrschaft erfordert Versöhnung nicht nur solchen Idealismus, sondern auch, dass die Integrität des Staates begründet und der Rechtsstaat akzeptiert wird. In solchem Kontext ist es zur Stärkung einer noch fragilen aber sich festigenden Demokratie wichtig, dass die Strafverfolgung deutlich macht, dass keine Bevölkerungsgruppe über dem Gesetz steht. Während etablierte Demokratien Verfahren, Werte und Normen entwickelt haben, die die Legitimität des Staates aufrechterhalten, müssen neue Demokratien die Legitimität des Staates dadurch begründen, dass der Staat zeigt, dass er fähig ist, die in der Gründungsverfassung verankerten Regeln und Werte durchzusetzen. Wiedergutmachung in diesem Sinne ist untrennbar verknüpft mit der Etablierung einer glaubwürdigen Staatsautorität und Wiederherstellung von Beziehungen zwischen den Bürgern.
Mit diesem Verständnis des Übergangsprozesses und seinen projizierten Ergebnissen war die Wahrheitskommission eindeutig gegen weitere Amnestien. 1998 hat sie dazu in ihrem Bericht geschrieben: "Wo nicht um Amnestie nachgesucht worden ist oder diese abgelehnt worden ist, sollte die Strafverfolgung erwogen werden, wenn Beweise existieren, dass die betreffende Person schwere Menschenrechtsverletzungen begangen hat."
Die Forderung nach Gerechtigkeit ist stärker geworden, seit das Wissen über das zugenommen hat, was unter dem Apartheidregime geschehen ist. Wiedergutmachung mag sich in der Tat als notwendige Stufe in Südafrikas Versöhnungsprozess erweisen. Wenn die Regierung dabei versagt, diese Erwartung zu erfüllen, untergräbt sie nicht nur den Amnestieprozess - so wie er vorgesehen war, um Wahrheit und Versöhnung voranzubringen -, sondern auch ihre eigene Glaubwürdigkeit; man wird ihr nicht mehr abnehmen, dass sie Südafrikas Übergang anführt.
Eine weiteres Problem ist die offensichtliche Abneigung der Regierung, die Entschädigungszahlungen auch auszuführen. Im Einklang mit dem "Gesetz zur Förderung der nationalen Einheit und Versöhnung, Nr. 34 von 1995" hat die Wahrheitskommission vorgeschlagen, dass die Opfer bis zu sechs Jahre lang Entschädigungsabfindungen in Höhe zwischen 17.000 und 23.000 Rand pro Jahr erhalten sollten. Bei geschätzten 22.000 Opfern mit Anrecht auf solche Entschädigung würde das den Staat rund 500 Millionen Rand pro Jahr kosten, in den sechs Jahren also insgesamt 3 Milliarden Rand. Im Prinzip hat die Regierung anerkannt, dass Entschädigungen gezahlt werden müssen, indem sie vielen Opfern "für dringende vorläufige Hilfe" zwischen 2000 und 5000 Rand (1 Rand entsprach Mitte 2002 0,10 Euro) gezahlt hat. Aber bis jetzt sind keine weiteren Zahlungen geleistet worden. Ein Regierungssprecher hat angedeutet, dass man sich nach dem Amnestie-Bericht der Wahrheitskommission in den ersten Monaten des Jahres 2003 damit befassen will - fast fünf Jahre nachdem die Entschädigungszahlungen dem Präsidenten empfohlen worden sind. Diese Verschleppung hat gravierende Auswirkungen auf den Versöhnungsprozess: Die Gelegenheit für die Nation, symbolisch und praktisch Verantwortung für die Opfer zu übernehmen, könnte für immer vorbei sein.
Die Untätigkeit der Regierung in der Frage der Entschädigung hat die ohnehin ungeduldige Öffentlichkeit weiter frustriert. Vor diesem Hintergrund gehen Opfer und Hinterbliebene jetzt juristisch gegen multinationale Unternehmen und Banken vor, die - so der Vorwurf - das Apartheidregime in Verletzung des UN-Embargos gestärkt hätten. Rechtsanwälte der Apartheidsopfer haben Entschädigungsklagen in Höhe von Milliarden US-Dollar bei US-Gerichten eingereicht. Die Begründung: Lange nachdem der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und Einzelstaaten die Kreditvergabe an Südafrika gestoppt hatten, hätten schweizerische, deutsche und amerikanische Banken weiter Geld gegeben und so Mitte der achtziger Jahre Südafrika vor dem Bankrott bewahrt.
Prominente Südafrikaner sind geteilter Meinung zu dieser Aktion. Auf der einen Seite stehen die Unterstützer, auf der anderen die, die befürchten, dass die Klage dem Land Probleme bringen werde. Hauptunterstützer der Aktion sind Erzbischof Emeritus Desmond Tutu und der Erzbischof der Anglikanischen Kirche, Njongonkulu Ndungane. Tutu allerdings blieb vorsichtig und warnte Ed Fagan, einen Rechtsanwalt der Opfer, vorsorglich, keine falschen Hoffnungen zu wecken. Nozipho January-Bardill, Südafrikas Botschafterin in der Schweiz, hat ihren Unmut über die Klage bekundet. Sie betonte, dass Schweizer Firmen Milliarden von Rand in Südafrika investiert hätten und an fünfter Stelle der Investoren stünden. Sie warnte, dass ein Prozess Folgen für die Beziehungen zur Schweiz haben könnte, aber wir versuchen, das zu vermeiden und bleiben im Gespräch mit den Schweizern.
In einem Interview in der Schweizer Weltwoche argumentierte der ehemalige südafrikanische Präsident Frederik W. de Klerk, dass ausländische Investoren die Apartheid nicht verlängert, sondern dazu beigetragen hätten, dass sie beendet wird. Er hat deshalb die Schweizer Banken ermuntert, die Klage gegen sie abzuwehren. Jubilee und Khulumani, zwei Gruppen, die für die Entschädigung eintreten, haben empört auf de Klerks Behauptung reagiert. Sie drohten, die Klage auf ihn auszuweiten, wenn er nicht damit aufhöre, die Apartheid zu entschuldigen .
Abgesehen vom noch abzugebenden Amnestiebericht ist die Tätigkeit der Wahrheitskommission beendet. Die Aufgaben des Übergangs verlagern sich schnell, zwei gravierende Probleme aber sind noch ungelöst: Was soll man mit Tätern machen, die keine Amnestie erhalten oder sie nicht einmal beantragt haben? Wie soll es mit den Entschädigungszahlungen für Opfer und Hinterbliebene weitergehen?
Präsident Mbeki könnte fürchten, so Steinberg 1999 in einem Zeitungskommentar, dass sich das Land schwerer regieren ließe, wenn jedes Jahr neue Entschädigungszahlungen für Vergehen aus der Apartheidszeit vor Gericht anstünden. Vielleicht würden solche Klagen wirklich ein politisches Klima schaffen, das rückwärtsgerichtet ist statt nach vorne zu blicken. Und Mbekis Traum von einer Regierung auf Basis eines breiten Konsens könnte zerrinnen. Aber, so Steinberg weiter, es gehe um die Zukunft einer verfassungsgemäßen Demokratie und Gerechtigkeit und nicht um bequemes Regieren. Es sei nicht notwendig, Gerechtigkeit aufzugeben, damit die neue Ordnung überleben kann (Business Day vom 8. Juni).
Wenn die Regierung sich weiterhin nicht um die gekoppelte Frage von Amnestie und Entschädigung kümmert, untergräbt sie ihre eigene Autorität ebenso wie den Wahrheits-und Versöhnungsprozess. Die Wahrheitskommission hat die Tür geöffnet für einen Prozess, der für die Südafrikaner weiterhin einen bedeutenden Schritt voran symbolisiert. Nicht nur für sie allein, sondern für alle Gesellschaften, die einen Weg finden wollen, sich aus der Fessel einer grausamen Vergangenheit zu befreien, und für die Bemühungen von Menschen, die weiterführende Lösungen für scheinbar unlösbare Konflikte suchen.
In diesem Sinn überragt der Einfluss der Wahrheitskommission die derzeitige Regierung, und er wird weiterhin dafür sorgen, dass die südafrikanische Nation zu den Versprechen und Erwartungen dieses historischen Übergangs steht. Ein Prozess, der nach Hannah Arendts Worten nicht mehr von dem geleitet wird, was es nicht mehr gibt, noch von dem, was es noch nicht gibt, sondern durch den festen Glauben daran, dass Versöhnung möglich ist. Dieser Idealismus ist in Südafrika weiter lebendig und enthält das Versprechen einer grundlegenden Transformation.
aus: der überblick 04/2002, Seite 87
AUTOR(EN):
Tyrone Savage und Sifiso Ngesi:
Tyrone Savage und Sifiso Ngesi sind Mitarbeiter des "Instituts für Gerechtigkeit und Versöhnung" (www.ijr.org.za) in Kapstadt.