"der überblick" gestern und heute
"Dienste in Übersee" (DÜ), der internationale Personaldienst der evangelischen Kirchen – seit einigen Jahren in den "Evangelischen Entwicklungsdienst" (EED) eingegliedert – entstand 1960 im Anschluss an "Brot für die Welt" nach Konsultation und in enger Zusammenarbeit mit den ökumenischen Partnern als eigenständige Arbeitsgemeinschaft der Kirchen. Fünf Jahre später, als diese Zeitschrift gegründet wurde, schrieb Minister Scheel in seinem Grußwort, dass DÜ "zu den am besten gelungenen Versuchen und zum Wirkungsvollsten gehört, was in der Bundesrepublik ... auf diesem Gebiet geleistet worden ist." Bei DÜ entstand "der überblick".
von Manfred Kulessa
Wer heute in der Google-Suche nach dem Überblick fahndet, findet dort an erster Stelle diese Zeitschrift genannt, von der wir jetzt das letzte Heft vorlegen. "Ein jegliches hat seine Zeit" weiß der Prediger, und wir haben gelernt, dass das ganz besonders bei den Medien gilt. Für mehr als eine Generation hat "der überblick" Anregung und Zeugnis des Engagements für ökumenische Bewegung und internationale Zusammenarbeit in unserem Lande darstellen können. Die Kirchen haben sich das Eintreten für eine verantwortliche Weltgesellschaft in den letzten vier Jahrzehnten etwas kosten lassen, und man kann nur hoffen, dass es ihnen auch in Zukunft gelingen wird, hier die richtigen Prioritäten zu setzen. Darauf sollten wir alle hinarbeiten, auch und gerade diejenigen Leser und Förderer, die ihre jetzige Entscheidung bedauern.
Es wäre ein trauriges Zeichen, wenn der Eindruck entstände, dass Advocacy (als Anwalt für andere auftreten) und Bildungsarbeit der Kirchen gerade jetzt reduziert werden, während sie nach dem Entwurf des Bundeshaushalts wiederum mit einer erhebliche Aufstockung ihrer Zuwendungen rechnen können. Ich habe seinerzeit vertreten und begrüßt, dass "epd-Entwicklungspolitik" auf eine breitere Trägerbasis gestellt werden konnte. Ob sich jetzt aus dem Nachfolger "eins" ein neues Journal entwickeln lässt, das den Auftrag von "dü" wenigstens zum Teil übernehmen kann, bleibt abzuwarten. Es darf aber nicht zu sehr dem Denken in der Kategorie der Sparsamkeit ausgeliefert werden. Dass mit der Unterstützung von "eins" das Ende von "der überblick" verbunden sein könnte, haben wir weder geahnt noch gewollt.
Der Blick geht zurück zu den Anfängen. Die waren gleichzeitig bescheiden und vermessen. Im März 1965 erschien das erste Heft als achtseitiger Karton. Format und Layout hatte uns der Vater Hoerttrich ebenso wie das dü-Logo in solider Stuttgarter Industriegrafik gestiftet, während sein Sohn Stefan, DÜler in Kenia, entsprechendes Bildmaterial beisteuerte. Hans-Joachim Hofmann, Journalist bei "Brot für die Welt", stand uns mit fachlichem Rat zur Seite, und Marianne Borgmann brachte das Rohmaterial mit unnachahmlicher Sorgfalt im vorgesehenen Format unter. Auf dem ersten Titelbild suchte Hartmut Stoller, DÜler in Jordanien, am Vermessungsgerät Durchblick zu gewinnen. Das Motiv blieb uns erhalten: Zwei Hefte später sah man einen afrikanischen Kollegen in der gleichen Pose.
Im ersten Editorial erklärte ich, "der überblick" solle den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeitern draußen und daheim fördern. Wir dachten an einen Rundbrief zur Information von Trägerorganisationen, Mitarbeitern und Bewerbern. Aber wir waren gleichzeitig vermessen genug, direkt auf originale Quellen und Zeugnisse humanitärer Haltung und weltweiter Solidarität zuzugehen. So gehörten zu den frühen Autoren unseres Blättchens neben DÜlern schon Visser't Hooft, Lord Caradon, Raul Prebisch, S. L. Parmar, der Minister Walter Scheel und die Präsidenten Sukarno und Kaunda (den ich damals kurz nach der Unabhängigkeit Zambias mit schwerem Gerät besuchte, um das erste Interview aufzunehmen.). Dass aus diesem Rundbrieflein einmal eine ernstzunehmende Quartalsschrift entstehen könnte, wäre uns damals aber kaum in den Sinn gekommen.
Das Verdienst daran, dass dies geschah, liegt bei Eberhard le Coutre (Heft 1/1969-Heft 2/1990) und Renate Wilke-Launer (Heft3/1990-Heft 4/2007). Sie haben aus unserem Ansatz die Ihnen bekannte Fachzeitschrift für ökumenische Begegnung und internationale Zusammenarbeit gemacht, die als ein Flaggschiff kirchlicher Publizistik weithin Achtung und Anerkennung auch in politisch und wissenschaftlich orientierten Fachkreisen erworben hat. Es war eine glückliche Fügung, dass die Zeitschrift über vier Jahrzehnte hinweg von nur zwei Chefredakteuren gestaltet wurde, die beide ihr besonderes Profil einzubringen, geeignete Autoren und Kollegen zu gewinnen und den Freiraum zu nutzen wussten, den ihnen die kirchlichen Strukturen und deren aufgeschlossenen Führungspersönlichkeiten gewährten.
Dass das Produkt gelungen ist und viele hervorragende Themenhefte vorweisen kann, wissen Sie als Leser ohnehin. Darum sollte beim Abschied der Dank an die Redakteure, Herausgeber, Mitarbeiter, Autoren und Förderer im Vordergrund stehen. Das war ein gutes Stück Arbeit im Weinberg kirchlicher Publizistik. So wie "der überblick" sich jetzt verabschiedet, werden wir uns gut und gern an ihn erinnern. Alle die mit ihm verbunden waren, werden gewiss auch in Zukunft danach streben, immer wieder den Überblick zu gewinnen. Und manchmal werden sie dabei sogar in Bibliotheken und Archiven auf den alten Überblick von 43 Jahren "dü" zurückgreifen können.
aus: der überblick 04/2007, Seite 94
AUTOR(EN):
Manfred Kulessa
Manfred Kulessa ist einer der Herausgeber von "der überblick". Er hat 1965 diese Zeitschrift gegründet.