Eine Kampagne von "Brot für die Welt"
Heidemarie Wieczorek-Zeul hat Post von der Wasserkampagne erhalten: Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nahm am Rande der Renewables-Konferenz in Bonn eine mannshohe Flasche mit über 35.000 Postkarten entgegen. Darauf fordert die Wasserkampagne von "Brot für die Welt" die Bundesregierung auf, sich auf der nationalen wie der internationalen politischen Bühne für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Wasser einzusetzen.
von Bernd Ludermann
Dieser Einsatz darf nicht hinter die Förderung für Erneuerbare Energien zurücktreten, mahnte die Direktorin von "Brot für die "Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel.
Die Kampagne verlangt, die Anzahl der Menschen ohne Wasser- und Abwasseranschluss bis 2015 zu halbieren, wie es schon der Erdgipfel in Johannesburg 1992 beschlossen hat. Über dieses Ziel ist die Ministerin mit der Kampagne völlig einig, nur nicht über die geeigneten Schritte dahin. Das machte der freimütige Disput bei der Übergabe der Flaschenpost deutlich. Für die Kampagne wandte sich Pfarrer Klaus Eberl von der Evangelischen Kirche im Rheinland dagegen, die Wasserversorgung zu privatisieren, und forderte, sie auch nicht zum Gegenstand von Freihandelsregeln über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) zu machen. Er vermisste klare Aussagen der Bundesregierung zu der Frage, wie die Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union (EU) und der Weltbank das Menschenrecht auf Wasser besser fördern soll, und verlangte, mehr Hilfe in Länder zu leiten, in denen Trinkwassermangel herrscht.
Dagegen verteidigte Wieczorek-Zeul die Zusammenarbeit von privaten Unternehmen und öffentlichem Sektor (Public-Private Partnership) in der Wasserversorgung für Stadtgebiete. Zwar müsse Wasser ein öffentliches Gut bleiben. Aber die Teile der Bevölkerung, die zahlen können, sollten das auch tun schon damit sorgsam mit der knappen Ressource umgegangen werde. Im Übrigen, so erklärte sie, zeigt die Korruption in Behörden, dass die Regulierung der Wasserversorgung entscheidend ist und nicht die Frage, ob private oder öffentliche Firmen sie leisten. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit berate deshalb Behörden aus dem Süden in der Frage der Regulation des Wassersektors. Und sie stärke ihnen den Rücken, falls sie ihre Wasserversorgung nicht für ausländische Dienstleister öffnen wollten. Das, so Wieczorek-Zeul, stellt das GATS-Abkommen ihnen frei.
"Über Public-Private Partnership denken wir etwas anders", merkte Füllkrug-Weitzel dazu an. Sie zeigte sich aber sehr zufrieden darüber, dass Wieczorek-Zeul private Versorger nur noch in Stadtgebieten für eine sinnvolle Option hält. Hier hätten sich die Standpunkte erfreulich angenähert.
Einen direkten Bezug zur Debatte über Erneuerbare Energien (EE) hat die Wasserkampagne beim Thema Großstaudämme. Vertreter der Staudamm-Industrie versuchten auf der Renewables-Konferenz energisch, große Staudämme als eine Form der EE festzuschreiben (das geschah dann auch, wenn auch nur in einer Fußnote). Nicht-staatliche Gruppen protestierten, weil solche großen Dämme nicht nur mit sozialen und ökologischen Schäden einhergehen wie Umsiedlungen und Eingriffen in die Flusssysteme. In tropischen Gebieten setzen sie infolge der Verrottung der überfluteten Pflanzen auch große Mengen Treibhausgase frei. Und sie sind im Unterschied etwa zur Photovoltaik längst technisch ausgereift und profitabel und benötigen anders als EE gar keine öffentliche Förderung. Füllkrug-Weitzel verlangte denn auch, keine Entwicklungshilfe dafür vorzusehen.
aus: der überblick 03/2004, Seite 128
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".