Die Friedens- und Entwicklungsarbeit der Quäker
Wenn jetzt, im Herbst des Jahres 2000, die Wiedervereinigung der beiden Koreas zu einer realistischen Perspektive geworden ist und damit einer der gefährlichsten Konfliktherde Nordostasiens entschärft wird, dann ist das auch das Verdienst von AFSC, des American Friends Service Committee, der Friedens- und Entwicklungsorganisation der amerikanischen Quäker. Diese Arbeit wird von der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe finanziell unterstützt.
von Heiner Knaus
Die amerikanischen Quäker sind mit 90.000 Mitgliedern der bedeutendste Teil der Friedenskirche mit weltweit etwa 300.000 Mitgliedern. AFSC wurde 1917 gegründet, um mitzuhelfen, die Folgen des Ersten Weltkrieges zu überwinden und befasst sich heute auf allen Kontinenten mit Fragen der sozialen Entwicklung und mit der Vermittlung zwischen verfeindeten Parteien in politischen, wirtschaftlichen, ethnischen und religiösen Konflikten.
Den Teil ihrer Arbeit, der sich mit Fragen der Friedensförderung und Konfliktvermittlung befasst, nennen die Quäker "Dialog- und Austauschprogramm". Es wird an verschiedenen Orten des Globus umgesetzt: im südlichen und im östlichen Afrika, in der Andenregion, in Südost- und Ostasien, im Nahen Osten und bei den UNO-Vertretungen in New York und Genf. Verantwortlich für diese Arbeit sind Quakers international Affairs Representatives (QIAR), Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalität von AFSC "vor Ort".
Im Falle der beiden Korea begann die Arbeit von AFSC 1953 mit dem Ende des Koreakrieges, der zur Teilung der Halbinsel führte. Weil es zunächst nicht möglich war, Nordkorea zu besuchen, konzentrierten sich die Quäker auf Südkorea. Die Arbeit dort, die bis heute fortgesetzt wird, hat zum Ziel, südkoreanische Aktivisten mit Methoden der gewaltfreien Konfliktbewältigung vertraut zu machen. Es werden Rollenspiele zur Konfliktlösung erprobt und Arbeitsdokumente formuliert, bei denen es um den Interessenausgleich zwischen gegnerischen Gruppen geht. Gearbeitet wurde und wird mit Jugendbewegungen, Basisgruppen, Nichtregierungsorganisationen und politischen, religiösen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten. Diese Arbeit hat landesweite Anerkennung gefunden und wird zu weiten Teilen durch südkoreanische Sponsoren gefördert.
Die Arbeit der Quäker mit Nordkorea begann, vermittelt durch Koreaner in Japan, erst in den 70er-Jahren. Durch mehrere Besuche von AFSC-Delegationen in Nordkorea wurde zunächst ein inoffizieller Kanal des Informations- und Meinungsaustausches zwischen Menschen in Nordkorea und den USA geschaffen, der es während des Kalten Krieges ermöglichte, die wechselseitigen Zerrbilder wenigstens ein Stück weit abzubauen. In den 80er-Jahren organisierte AFSC eine Reihe von Konferenzen zur Wiedervereinigung der beiden Koreas in den USA. Schon zu dieser Zeit glaubten die Quäker an die Wiedervereinigung. In einem ihrer damaligen Texte hieß es, dass die Wiedervereinigung Koreas "nicht visionär ist, sondern ein erreichbares Ziel, dessen Verwirklichung die Anstrengungen aller Männer und Frauen guten Willens erfordert".
In den letzten Jahren werden nicht mehr nur Informationen und Meinungen ausgetauscht, sondern auch Menschen: Ein Besuchsprogramm zwischen Kardiologen beider Länder ermöglicht es Medizinern aus Nordkorea und den USA, sich über Probleme ihrer Fachgebiete im jeweils anderen Land kundig zu machen und gemeinsam zu arbeiten. Die Idee hinter diesem Austausch ist einfach und überzeugend: Fachliche Kontakte lassen sich leicht begründen und rechtfertigen und werden zum Anknüpfungspunkt für viele andere Erfahrungen, die die Besucher während ihres Aufenthaltes im anderen Land machen und die dazu beitragen, die wechselseitige Dämonisierung, die speziell zwischen USA und Nordkorea geherrscht hat und zum Teil noch immer herrscht, abzubauen. "Der Austausch von Experten ist ein Weg, Beziehungen zwischen Menschen aufzubauen: Die gemeinsamen Interessen von Experten auf demselben Fachgebiet haben die Kraft, Hindernisse zu überwinden", sagt Karin Lee, zuständig für dieses QIAR-Programm.
Die Frage nach dem "Geheimnis" der Erfolge der Arbeit von AFSC wurde oft gestellt und war 1997 auch Gegenstand einer im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführten Evaluierung. Wenn auch im konkreten Fall immer eine Vielzahl von Faktoren wirken, die sich kaum jemals alle benennen lassen, so sind doch einige, wie sich an Beispielen aus der Arbeit von AFSC belegen ließe, von besonderem Gewicht:
Und schließlich: Dass es ihnen mit ihrer Arbeit Ernst ist, belegen die Quäker dadurch, dass sie sich nicht nur um soziale und politische Brennpunkte "in Übersee" kümmern, sondern ihre Finger auch in die Wunden der eigenen Gesellschaft legen: Sie waren unter den Vorkämpfern für die Abschaffung der Sklaverei in den USA und kämpfen heute gegen die Todesstrafe und für eine menschenwürdige Behandlung und Wiedereingliederung von schwarzen Strafgefangenen und - entlassenen und ebenso dafür, dass schwarze Jugendliche, die in der amerikanischen Gesellschaft noch immer massiv diskriminiert sind, gar nicht erst straffällig werden.
In der "Erklärung des AFSC zu Mission" heißt es: "Wir hegen den Glauben, dass Konflikte gewaltlos gelöst werden können, dass Feindschaft in Freundschaft umgewandelt werden kann, Streit in Zusammenarbeit, Armut in Wohlstand und Ungerechtigkeit in Würde und Teilhabe." Auch so lässt sich Mission verstehen.
aus: der überblick 04/2000, Seite 120
AUTOR(EN):
Heiner Knaus :
Heiner Knaus ist Referatsleiter bei der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE).