Auf dem Weg zur demokratischen Normalität?
Wahlen sind in vielen Ländern Afrikas wieder zu einem normalen Bestandteil des politischen Prozesses geworden. Noch Mitte der neunziger Jahre hatten Wahlen dort oft einen dramatischen Verlauf und waren von einer Eskalation der Gewalt begleitet. Die heutige Normalisierung hat jedoch auch zur Folge, dass die internationale Aufmerksamkeit für Wahlen und Demokratie in Afrika nachlässt.
von Christof Hartmann
Eine erfreuliche Tendenz zeigt sich in vielen Ländern Afrikas seit jüngerer Zeit: Wahlen sind etwas ganz normales geworden. Die politischen Eliten scheinen Wahlen als zentralen Mechanismus zur Regulierung des Wettbewerbs um die politische Macht zu akzeptieren. Damit nehmen sie jene Ungewissheit über den Ausgang der Wahlen hin und halten sich an die vereinbarten Regeln für den Wahlablauf, die für eine Demokratie unablässlich sind. Die Akzeptanz dieses demokratischen Wettbewerbsprinzips schließt allerdings einzelne Verstöße gegen die Regeln freier und fairer Wahlen nicht aus.
Diese erfreuliche neue Normalität hat wenig mit den "Wahlen ohne Wahl" zu tun, wie sie in der Zeit vor Beginn der Demokratisierungswelle von autoritären Regimen abgehalten wurden. Damals ging es primär um die symbolische Legitimierung der gerade Regierenden. Und dort, wo Wettbewerb innerhalb der Einheitspartei möglich war, ging es um die Rekrutierung des zukünftigen politischen Führungspersonals.
Wie kam es zu dieser erstaunlichen Renaissance wettbewerblicher Wahlen in Afrika? War Afrika nicht der Kontinent, dem besonders ungünstige Aussichten für Demokratisierung bescheinigt wurde? Hatten nicht auch zahlreiche Entwicklungsorganisationen, gerade aus dem nichtstaatlichen Spektrum, der Einführung formaler demokratischer Institutionen sehr skeptisch gegenüber gestanden?
Zu den wichtigsten Gründen zählt der Aufstieg einer neuen Generation afrikanischer Politiker, die in pragmatischer Weise die ideologischen Rucksäcke abgeworfen haben, und durch langjährige Mitarbeit in staatlichen und nichtstaatlichen internationalen Organisationen anders sozialisiert sind als ihre Vorgänger und Gründungsväter des antikolonialen Befreiungskampfes. Daneben war anhaltender internationaler Druck im Rahmen von entwicklungspolitischer Zusammenarbeit und multilateralen Foren von Bedeutung. Geberstaaten und internationale Organisationen stellten umfassende Beobachtungsmissionen auf die Beine und finanzierten die Ausbildung und Ausrüstung unabhängiger Wahlbeobachter. Schließlich rangen sich die afrikanischen Staaten unter Führung Südafrikas 1999 selbst dazu durch, gewaltsame Umstürze von verfassungsmäßig gewählten Regierungen prinzipiell zu verdammen.
Ein weiterer zentraler Grund sind die Wahlregime: Diese - also die Gesamtheit der bei Wahlen zur Anwendung kommenden Gesetze und Verordnungen - wurden kontinuierlich angepasst und verbessert, oft mit umfangreicher internationaler Unterstützung und Beratung. Viele Wahlen wurden nicht nur weitaus kompetitiver, sondern auch viel professioneller im Sinne besser ausgebildeter Wahlbehörden und transparenterer Regeln.
Zwei Typen von Regeln lassen sich unterscheiden, die für die Durchführung von Wahlen von Bedeutung sind. Das Wahlsystem in einem engeren Sinne regelt das aktive und passive Wahlrecht sowie den Prozess der Übertragung von Abstimm- in Mandatsergebnisse.
Daneben sind rechtlich-administrative Fragen der Wahlorganisation zu regeln. Dies schließt Fragen der Wähler- und Kandidatenregistrierung, der Wahlkampffinanzierung, des Medienauftritts, der technischen Gestaltung von Wahlzetteln und -lokalen, der Wahlbeobachtung, des Auszählungsprozesses, und - am wichtigsten - der Delegation von Zuständigkeiten zur Durchführung einzelner oder aller dieser Prozesse an bestehende oder neu zu schaffende Wahlbehörden ein.
Zu den Besonderheiten von Wahlprozessen in afrikanischen Ländern gehörte früher, dass im Gegensatz zu etablierten Demokratien von einer funktionierenden und politisch neutralen Wahladministration nicht ausgegangen werden konnte. Schließlich nahmen in aller Regel die bisherigen autoritären Amtsinhaber an den Wahlen weiterhin teil. Deshalb galt der Regelung der Wahladministration zunächst die größte Aufmerksamkeit.
Im Vergleich zur ersten Runde pluralistischer Wahlen in Afrika während der Demokratisierungswelle zu Beginn der neunziger Jahre darf man feststellen, dass die Grundregeln eines fairen Wahlwettbewerbs heute - mit gewaltigen Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten - weit mehr garantiert sind. Hierzu haben sicherlich auch die oft mehrfach revidierten, detaillierten Regelwerke von Wahlgesetzen und Ausführungsbestimmungen beigetragen sowie die Einrichtung von mehr oder weniger unabhängigen Wahlbehörden. Diese organisieren den ganzen Wahlprozess von der Registrierung der Wähler, die oft mehr als ein Jahr vor den Wahlen beginnt, bis zur Regelung von Einsprüchen gegen die offiziellen Wahlergebnisse oder Teile davon.
Nach wie vor lässt sich hier kein einheitliches Modell erkennen. Denn einige Staaten haben schlechte Erfahrungen mit einer vollständigen Abtretung der Kompetenzen an parteipolitisch gespaltene und administrativ unerfahrene Wahlkommissionen gemacht, so etwa in Mali. Die unvermeidliche Politisierung dieser Institutionen trage administrative Detailfragen, etwa die Beschaffung von Wahlscheinen oder das genaue Format von Wahlurnen, an die Öffentlichkeit und gefährde damit die Legitimität des gesamten Wahlprozesses zumeist unnötig. In aller Regel wurden jedoch große Anstrengungen unternommen, um einen Konsens aller wesentlichen politischen Kräfte bei der Reform zentraler Elemente von Wahlprozessen zu erzielen.
Im Gegensatz zu Fragen der Wahlorganisation, die politische Diskussion in vielen Staaten prägten und eine intensive internationale Beratung nach sich zogen, rückten Fragen der Wahlsystematik erst später ins Blickfeld. Die Diskussion über geeignete parlamentarische Wahlsysteme hat in vielen Staaten gerade erst begonnen und politisch Handelnden sind oft völlig im Unklaren über die Konsequenzen unterschiedlicher Optionen für die Erfolgschancen ihrer Kandidatur oder der ihrer Partei.
Generell zeichnet sich ein Trend ab, der von den seit der Unabhängigkeit geltenden reinen Mehrheitswahlsystemen wegführt (ob nun in der britischen Variante der relativen oder der französischen Variante der absoluten Mehrheitswahl). Diese wurden in wenigen Fällen durch reine Verhältniswahlsysteme abgelöst, etwa in Namibia, Südafrika und Mosambik sowie in Benin, Burkina Faso oder Niger. Daneben wird mit unterschiedlichen Varianten kombinierter Wahlsysteme experimentiert. Dies betrifft nationale Zusatzlisten, die den einzelnen Parteien Sitze proportional zu ihrem Wahlerfolg zusprechen, wodurch disproportionale Effekte der Mehrheitswahl, bei denen nur die Siegerstimmen im Wahlkreis zählen, zumindest teilweise kompensiert werden sollen (wie in Guinea und im Senegal). Zuletzt fand auch das bundesdeutsche Wahlsystem der personalisierten Verhältniswahl große Beachtung: Nach den Reformdiskussionen in Kenia ist es im derzeit diskutierten Verfassungsentwurf verankert; in Mali und Südafrika wird es diskutiert; Lesotho hielt als erstes afrikanisches Land im Jahr 2002 seine Wahlen nach dem (personalisierten) Verhältniswahlrecht ab.
Regeln zur Wahlsystematik waren auch für die Wahl der Staatschefs von Bedeutung. In den Regierungssystemen Afrikas fällt der Wahl des Präsidenten angesichts dessen Machtfülle eine ungleich wichtigere Rolle zu als der Neuwahl von Parlamenten. Bei Präsidentschaftswahlsystemen ging es zuvor zumeist weniger um die anzuwendende Entscheidungsregel, als um die Qualifikation der Kandidaten. In einigen Ländern (zuerst in Sambia, Côte d'Ivoire und Togo) versuchte man, unliebsame Gegenkandidaten wegen unklarer Staatsangehörigkeit, Wohnort oder ihrer Abstammung von ausländischen Eltern vom Wahlwettbewerb auszuschließen. So gibt es in einigen Ländern Afrikas, die kaum mehr als 40 Jahre existieren, die weltweit strengsten und nationalistischsten Beschränkungen des passiven Wahlrechts. Zudem wurden nicht zufällig rund zehn Jahre nach Beginn der Demokratisierungswelle (das heißt nach Ablauf von zwei in der Regel fünfjährigen Legislaturperioden) in vielen Staaten die verfassungsmäßigen Amtszeitbeschränkungen für Präsidenten intensiv debattiert. In einigen Staaten, wie zum Beispiel in Namibia, Gabun und Togo wurden die Regeln geändert, während sich die Präsidenten von Sambia und Ghana der Verfassung beugten und kein drittes Mal mehr kandidierten.
Bessere Regeln sind freilich so lange nutzlos, wie ihre Umsetzung nicht gewährleistet werden kann. Wie sehr haben also unabhängige Wahlbehörden den Prinzipien von freien und fairen Wahlen tatsächlich Geltung verschaffen können? Die Unabhängigkeit der neuen Wahlbehörden mag selbst als wichtiger Indikator für den Willen afrikanischer Regime zur Abhaltung demokratischer Wahlen gelten. So suspendierten die Präsidenten Tschads und Togos die Arbeit der Wahlkommissionen schlichtweg, und sie tauschten die unliebsamen Kommissare aus, als sich diese anschickten, ihrem Auftrag gemäß auch für das Regime unvorteilhafte Wahlergebnisse zu veröffentlichen.
In anderen Ländern fügten sich hingegen Regierungen selbst dann in ihre von Wahlkommissionen dekretierten Niederlagen, wenn die organisatorischen Umstände der Wahlen alles andere als reibungslos waren. Ein anderer guter Indikator für die gestiegenen Standards ist der Rückgang von Wahlboykotts. Im Vergleich zur ersten Hälfte der neunziger Jahre ist die Neigung oppositioneller Kräfte, nicht an Wahlen teilzunehmen, stark gesunken. Zwar sollte man, wie etwa in Simbabwe, aus der Beteiligung der Opposition an Wahlen keine Zustimmung zu den Modalitäten des Wahlprozesses ableiten, aber viele oppositionelle Kräfte wissen, dass besonders krasse Fälle der Benachteiligung gerade im Vorfeld der Wahlen durchaus von nationalen Wahlbeobachtern und watchdog-Organisationen gebrandmarkt werden. Einige Länder (etwa Kenia) haben innerhalb von zehn Jahren (1992-2002) einen ganz erstaunlichen Weg bei der Herstellung von mehr Chancengleichheit zurückgelegt.
Auch dort, wo Wahlorganisatoren guten Willens waren, war eine korrekte Durchführung der Wahlen nicht immer möglich. Unter den schwierigen administrativen Bedingungen in praktisch allen Ländern ergeben sich viele Unzulänglichkeiten weniger aus Betrugsabsichten, als vielmehr aus der Kombination von Unkenntnis und der Unmöglichkeit, den in Gesetzestexten zu perfekt formulierten Anforderungen nachzukommen. So sieht in Mali das Wahlgesetz die Vorlage eines Personalausweises beim Wahlakt vor, über den aber nur rund 30 Prozent der Bevölkerung verfügen. In anderen Staaten, wo die Regierung in einigen Landesteilen ihre Staatsgewalt nur noch punktuell oder gar nicht durchsetzen kann, wie in Sierra Leone, wäre es illusorisch, davon auszugehen, dass die dennoch durchgeführten Wahlen den gesetzten Standards entsprechen können. Auch andere oft beklagte Unsitten wie der Stimmenkauf, der jenseits anekdotischer Beobachtungen in seiner tatsächlichen Bedeutung selten untersucht wird, sind zwar ein Verstoß gegen den Geist des demokratischen Wahlprozesses, kaum aber gegen den Buchstaben des Wahlgesetzes. Im afrikanischen Kontext schwacher gesellschaftlicher Selbstorganisation und noch schwächerer unabhängiger Wirtschaftsvertreter kommt den Amtsinhabern bei Wahlen zudem ein immenser Vorteil zu. Sie kontrollieren die staatliche Verwaltung und den Sicherheitsapparat, der - zum Teil noch aus der Kolonialzeit stammende - Gesetze zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch selektiv und drakonisch gegen Oppositionelle anwendet. Über die Verwaltung und Sicherheitsapparat haben sie zumeist auch große Bereiche der Wirtschaft unter Kontrolle. So sind viele Medien von staatlichen Anzeigen genauso abhängig wie Unternehmer von staatlichen Lizenzen und Aufträgen.
Im Unterschied zu den meisten lateinamerikanischen Staaten, wo sich Präsidenten überhaupt nicht zur Wiederwahl stellen dürfen, können Amtsinhaber den Prozess erheblich zu ihren Gunsten beeinflussen, ohne dass dabei ein Bruch der geltenden Regeln konstatiert werden könnte. Das geschieht etwa durch weite Gestaltungsspielräume bei Ausführungsdekreten, zum Beispiel über die genaue Einteilung von Wahlkreisen oder verkürzte Fristen zur Registrierung von Kandidaturen, oder - wie im anglophonen Afrika möglich - durch das alleinige Recht zur Festlegung von Wahlterminen. In diesem Sinne kann eine Gewissheit über die Prozeduren nicht wirklich hergestellt werden. Damit kann echte Chancengleichheit nur teilweise gewährleistet und eine substantielle Ungewissheit über den Ausgang von Wahlprozessen erzeugt werden. Das öffentlich vorgetragene Bekenntnis zur regelmäßigen und regelgerechten Durchführung von Wahlen zu allen wichtigen politischen Ämtern dient dann eher zur Immunisierung gegen berechtigte Vorwürfe der einseitigen Formulierung und Auslegung der demokratisch beschlossenen und daher als unangreifbar bezeichneten Wahlgesetze. Um so erstaunlicher ist es letztlich, wie oft Amtsinhaber diese Vorteile nicht nutzen konnten.
Wie wurde mit den verbleibenden Unzulänglichkeiten und Betrugsfällen in afrikanischen Wahlprozessen umgegangen? Wahlbehörden, Parlamente und Gerichte sahen sich mit der Prüfung der zahlreichen Einwände gegen Wahlergebnisse in aller Regel überfordert. Da das Eingeständnis von Niederlagen auch aus sozio-kulturellen Gründen schwerfällt, und irgendein organisatorischer Mangel in jedem Fall auszumachen war, monierten zumeist alle, auch die hoffnungslos unterlegenen Kandidaten und Parteien, sie seien um ihren Wahlsieg betrogen worden.
Dadurch dass inzwischen immer mehr Parteienvertreter in Wahlkommissionen und Wahlbüros repräsentiert sind, sind solche Vorwürfe zunehmend inhaltlich entkräftet worden. Je nach politischer Unabhängigkeit haben Verfassungsgerichte eine tatsächliche Kontrollfunktion einnehmen können. Sie haben zum Teil, wie in Benin, Wahlergebnisse für ungültig erklärt; in anderen Ländern, wie in der Côte d'Ivoire waren sie jedoch eher Instrumente der jeweils herrschenden Partei und haben höchst fragwürdige Praktiken offiziell legitimiert.
Internationale Wahlbeobachtung (vergl. "der überblick" 4/2000, 1/1993) galt seit Beginn der neunziger Jahre als wichtigstes Instrument zur Überprüfung eines einwandfreien Wahlprozesses. Hochkarätig besetzte Beobachtermissionen taten sich jedoch schwer darin, offenkundige Mängel beim Namen zu nennen, da unterschiedliche außenpolitische Interessen, aber auch die Sorge um politische Stabilität in Geberkreisen letztlich mehr zählten als die genaue Einhaltung von Regeln, deren Kriterien zudem im einzelnen umstritten waren. Bald schon zogen Beobachtermissionen es vor, statt des klaren Verdikts free and fair sibyllinische Allerweltsformeln auszusprechen, in denen Wahlen als "Fortschritt für den Demokratisierungsprozess" bezeichnet wurden. Einerseits wurde die Wahlbeobachtung inzwischen professionalisiert - so müssen deutsche Wahlbeobachter ein obligatorisches Ausbildungsmodul absolvieren. Andererseits hat man den Anspruch an die Wahlbeobachtung verringert. Jetzt betont man mehr ihre Abschreckungswirkung oder dass sie nationale Beobachtergruppen unterstützen und absichern. In einigen Ländern sind diese so effizient und funktionieren so gut, dass inzwischen von internationaler Beobachtung ganz abgesehen wird.
Sanktionen bei starken Abweichungen von den Standards hatte kein Regime mehr zu fürchten. Das dauerhafte und weitaus präzisere Monitoring (ständige Beobachten) politischer Entwicklungen und Zusammenhänge in afrikanischen Ländern hat vielmehr dazu geführt, dass internationale Wahlbeobachtermissionen oft nur noch dann entsandt werden, wenn die Bedingungen für einen freien und fairen Wahlprozess als prinzipiell gegeben angesehen werden. Dann stellt sich freilich die grundsätzliche Frage nach dem Nutzen solcher Missionen. Immerhin riskiert man nicht, pseudo-demokratischen Wahlen das Mäntelchen der Legitimität überzuhängen. Dies hindert die betreffenden Regime freilich nicht, eigenständig obskure internationale Beobachtergruppen aufzustellen und zu finanzieren, die jedoch ohne Mandat bekannter Organisation agieren.
In einigen Staaten allerdings wird das Wettbewerbsprinzip selbst immer noch grundsätzlich in Frage gestellt, etwa in Äquatorialguinea, Gambia, Sudan, Swasiland oder Togo. In anderen Ländern wie in Angola, Eritrea und der Demokratischen Republik Kongo werden Wahlen aufgrund anhaltender militärischer Konflikte oder brüchiger Friedensabkommen (post-conflict settlements) einstweilen nicht durchgeführt.
Mit der Einführung demokratischer Institutionen in vielen Ländern Afrikas waren übergroße Hoffnungen verbunden. Aus freien Wahlen sollten entwicklungsorientierte Regierungen hervorgehen, die mit den zahlreichen wirtschaftlichen und sozialen Problemen konstruktiver umgehen würden als ihre autoritären Vorgänger. Wahlen galten als das entscheidende Instrument, das durch Öffentlichkeit und entwicklungspolitische Leistungen zu stärken war, und zugleich als Indikator für das Vorhandensein von Demokratie. Ein Sieg oppositioneller Kräfte bei Wahlen (etwa in Sambia 1991) galt als Beweis freier und fairer Wahlen und damit zugleich als Beleg für eine erfolgreiche Transition von der Diktatur zur Demokratie. Der Fokus auf Wahlen und die dafür eingesetzten Gelder bedienten Tendenzen zur Personalisierung von Politik und führten in vielen Ländern zur aberwitzigen Aufspaltung der Parteiensysteme in zahlreiche Minigruppierungen, die vermittelt über minimale Wahlerfolge ein paar Jobs in zumeist geberfinanzierten Wahl- und anderen Kommissionen ergattern wollten.
Das Nachdenken über Demokratie in Afrika seit Anfang der neunziger Jahre hat zu differenzierterer Beurteilung geführt. Kaum jemand würde heute noch nationale Wahlen als alleinigen Indikator für Demokratie ansetzen, oder im Sieg der Opposition das Allheilmittel sehen. Zunehmend wird auch die Regelmäßigkeit und Qualität von demokratischen Institutionen sowie Wahlen auf der lokalen Ebene berücksichtigt. Andere Indikatoren zur Beurteilung der Regierungsführung, etwa Kriterien der Rechtsstaatlichkeit oder Gewaltenteilung rücken neben Wahlprozesse.
Doch ist nicht zu leugnen, dass Wahlen immer noch entscheidende Wendepunkte in den politischen Prozessen darstellen, dass sie Hoffnungen von Bevölkerungen mobilisieren und dass sie dazu beitragen, dass europäische Mediennutzer etwas mehr über einige afrikanischer Staaten erfahren. Auch wenn Wahlen in vielen Staaten des Kontinents zur Normalität werden, bleibt bei der Verwirklichung der neuen Standards noch eine beträchtliche Wegstrecke zu bewältigen, bei der die afrikanischen Regime weiterhin auf die wohlwollende Begleitung und Unterstützung durch die Internationalen Gemeinschaft angewiesen sind.
Literatur
Shaheen Mozaffar und Andreas Schedler: "The Comparative Study of Electoral Governance-Introduction". In: International Political Science Review Vol. 23 Nr. 1, 2002
Marina Ottaway und Theresa Chung: Debating Democracy Assistance. Toward a New Paradigm. In: Journal of Democracy Vol. 10 Nr. 4, 1999
aus: der überblick 03/2003, Seite 41
AUTOR(EN):
Christof Hartmann:
Dr. Christof Hartmann ist Politologe und wissenschaftlicher Assistent am Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik, Ruhr-Universität Bochum.