Wie kirchliche Hilfswerke sich vor Korruption schützen
Hilfswerke, die Geld vergeben, besonders in sehr arme Länder, bekommen es irgendwann mit Korruption zu tun. Auch in Projekten des EED und von Brot für die Welt kommt Missbrauch vor. Beide Werke haben Verfahren entwickelt, um ihn zu erschweren.
von Bernd Ludermann
So zahlt der EED Geld nur auf Grundlage eines Vertrages aus, betont die EED-Regionalleiterin für West- und Zentralafrika und das Horn von Afrika, Karin Döhne. Auch Brot für die Welt vereinbart mit seinen Partnern genaue Budgets und Regeln für die Abrechnung, sagt Gerhard Lämmle, der Leiter der Abteilung Controlling des Stuttgarter Hilfswerks. Beide Werke verlangen zweimal im Jahr einen Projektbericht und zahlen die Fördergelder in halb- oder vierteljährlichen Raten aus. Und beide lassen die jährlichen Finanzberichte ihrer Partner von Wirtschaftsprüfern im Projektland unter die Lupe nehmen.
Nicht alle Arten Missbrauch lassen sich auf diese Weise verhindern. Schwer zu kontrollieren ist, wenn eine Projektleitung Verwandten oder Freunden Anstellungen zuschanzt. Frank Rißmann vom Referat Fachberatung des EED schätzt, dass dies die häufigste Art von Korruption in Projekten ist. Brot für die Welt geht deshalb die Listen der Angestellten durch, sagt Lämmle; wenn die Namen verraten, dass Verwandte eingestellt wurden, wird das mit dem Partner diskutiert. Unqualifizierte Angestellte können auch auffallen, wenn Mitarbeitende des deutschen Werkes die Projekte besuchen. Brot für die Welt hat in vielen Projektländern einheimische Consultants in sogenannten Funktionstransfer-Büros unter Vertrag, die Projekte besuchen und Vorprüfungen von Anträgen und Budgets vornehmen.
Schwer zu verhindern ist auch die Verwendung von Material aus dem Projekt für fremde Zwecke. Dass zum Beispiel der Vorstand das Dienstfahrzeug auch privat nutzt, ist in vielen Ländern üblich, sagt Lämmle. Die Vergünstigung gelte oft unausgesprochen als Teil des Vorstandsgehalts.
Dennoch besteht Karin Döhne auf der Trennung von dienstlichen und privaten Zwecken. Wichtig dafür sind die impliziten ethischen Botschaften, welche die Hilfswerke mit ihrem eigenen Verhalten senden, betont sie etwa wenn eine vom EED entsandte Fachkraft selbst ein Dienstfahrzeug für den Weg zur Arbeit nutzt. Dafür könne es gute Gründe geben, zum Beispiel die Sicherheit der Fachkraft. Das aber müsse dann den Partnern offen erklärt werden. Und man muss bedenken, dass manche vertragswidrige Nutzung einem vertretbaren Zweck dient. Zum Beispiel darf ein Pfarrer ein Auto, das zum Gesundheitsprojekt seiner Gemeinde gehört, nicht für seelsorgerliche Besuche nutzen. Diese strenge Zweckbindung ist zuweilen aus der Sicht der Partner schwer nachvollziehbar, erklärt Rißmann.
Wesentlich schwerwiegender sind Griffe in die Kasse oder Abzweigungen vom Bankkonto des Projekts. Hier sind beide Werke überzeugt, dass ihre Kontrollmechanismen wirken. Größere Unterschlagungen fallen auf, sagt Rißmann. Ein Indikator sind laut Lämmle verspätete und mehrfach verschobene Berichte. Auch wenn die Abrechnung eine völlige Übereinstimmung der Projektkosten mit dem vorherigen Plan anzeigt, weckt das bei Bernhard Nipper Verdacht. Denn meist, so erklärt der Mitarbeiter aus der Abteilung Controlling von Brot für die Welt, weichen die Kosten wegen Wettereinflüssen, Preisschwankungen oder anderen unvorhersehbaren Einflüssen vom Plan ab. Ist das nicht der Fall, dann liest er die Projektberichte nach. Steht dort, dass einzelne geplante Maßnahmen nicht möglich waren, und trotzdem landen die Kosten beim Soll, dann leitet er Nachprüfungen ein.
Nicht alle Abzweigungen bewerten die Werke als gleich schwerwiegend. So unterscheidet Brot für die Welt Veruntreuung und Zweckentfremdung. Veruntreuung bedeutet, dass Mitarbeitende des Projekts Geld für private Interessen entnehmen. Dies ist die schädlichste Art Korruption in Projekten. Sie ist laut Nipper erheblich seltener als Zweckentfremdung. Bei dieser nutzt ein Partner das Geld für Ziele oder Maßnahmen der Organisation, jedoch für solche, die nicht mit Brot für die Welt vereinbart waren. Das kann von vorneherein beabsichtigt sein etwa wenn ein Projektplan nur für die Geber erstellt wird. Man kann aber auch hineinschlittern, wie Lämmle es ausdrückt. Wenn zum Beispiel der Partner gerade Geld von Brot für die Welt erhalten hat und angekündigte Zahlungen eines anderen Förderers sich verzögern, dann ist der Anreiz groß, für dessen Projekt Geld vom Brot-Projekt auszuleihen. Sollte die zweite Förderung dann doch eingestellt werden, so fehlt das Geld am Ende. Auch unvorhergesehene Kosten etwa infolge von Steuererhöhungen können Partner in eine Zwangslage bringen.
Dennoch, betont Nipper, werden Entnahmen aus Projekten von Brot für die Welt nicht ohne vorherige Rücksprache akzeptiert. Die Richtlinien des Werkes sehen vor, dass Stuttgart in jedem Fall die Zahlungen einstellt, bis der Sachverhalt geklärt ist, und die Rückzahlung des Geldes an das Projekt verlangt. Bei geplanter Zweckentfremdung wird das Projekt beendet, auch wenn es förderungswürdig wäre. Wenn untergeordnete Mitarbeitende Geld veruntreut haben, prüft Brot für die Welt, ob rechtliche Schritte gegen den oder die Täter praktikabel sind. Falls leitende Mitarbeitende oder der Vorstand selbst Geld veruntreuen, wird den Richtlinien zufolge stets ein Rechtsanwalt eingeschaltet und die Zusammenarbeit mit dem Partner beendet. Ähnliche Regeln hat der EED für solche Fälle.
Beide Werke bieten ihren Partnern auch Schulungen in Buchführung und Finanzmanagement an. Mangelnde Qualifikation der Sachbearbeiter ist nach Lämmles Eindruck aber nicht das vordringliche Problem. Ihm sind mehrfach Buchführer begegnet, die das Budget der Projekte, die sie abrechneten, gar nicht kannten. Das kann daran liegen, dass ihr Chef sich nicht in die Karten sehen lassen will. Es kann aber gerade bei eher kleinen Partnern auch daran liegen, dass der Führer ein Aktivist mit wenig Sinn für formale Abrechnungen ist. Seit dieser Erfahrung, sagt Lämmle, müssen Buchhalter die Projektpläne samt Budget mit unterschreiben.
Rißmann hält die Position der Finanzbeauftragten besonders in größeren Partnerorganisationen, etwa Kirchen, für entscheidend: Kann ein Sachbearbeiter sich weigern, auf Anweisung des Chefs, womöglich eines hohen Geistlichen, eine unklare Rechnung zu bezahlen? Das ist schwierig, sofern er nicht auf Rückhalt bei denen rechnen kann, für die das Geld eigentlich bestimmt ist. Die müssten dann aber über das Projekt informiert sein. Auch deshalb ist es sinnvoll, sie schon an der Planung zu beteiligen, sagt Lämmle. Allerdings hat die Transparenz in der Praxis Grenzen. Manche Ausgaben etwa für Gehälter bei der durchführenden Organisation kann man nicht ohne Weiteres veröffentlichen oder den Begünstigten nur schwer erklären. Hinzu kommt laut Döhne, dass einfache Leute die Verwendung des Geldes, das sie selbst aufbringen, sehr wachsam verfolgen. Was aber von Außen gleichsam hineinregnet von Gebern oder auch vom Staat , ist für sie schwer durchschaubar und wird nicht so streng verfolgt.
Trotzdem sind beide Werke überzeugt: Buchprüfungen plus Besuche im Projekt und direkte Gespräche mit der Zielgruppe erschweren die Abzweigung von Geld erheblich. Und wenn dennoch Missbrauch vorkommt, bringen sie das in der Regel an den Tag.
aus: der überblick 02/2005, Seite 88