Hinter dem Putsch in Fidschi stecken Landkonflikte, Einkommensunterschiede zwischen den Volksgruppen und Machtkämpfe in der Elite
Auf den Fidschi-Inseln hat im Mai eine kleine Gruppe von Bewaffneten die gewählte Regierung gestürzt und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Der Führer der Putschisten behauptete, er vertrete die Interessen der einheimischen Fidschianer gegenüber den Indern, die seit der Kolonialzeit zugewandert sind. Aber ethnische Spannungen sind keine ausreichende Erklärung für den Putsch. Denn damit wurden auch Konflikte innerhalb der Elite der Einheimischen ausgefochten.
von Manfred Ernst und Holger Szesnat
Als am 19. Mai dieses Jahres eine Gruppe schwerbewaffneter maskierter Männer das Parlament in Fidschi erstürmte und das Kabinett und Parlamentarier als Geiseln nimmt, scheint sich auf den ersten Blick das Trauma des Putsches von 1987 zu wiederholen.
An diesem Tag wird vor Parlamentssitzung in Regierungsbüros der erste Jahrestag der Regierung gefeiert. Parallel dazu beginnt in der Innenstadt der Hauptstadt Suva um zehn Uhr ein zunächst friedlicher Protestmarsch von rund 5000 Anhängern der ultranationalistischen Taukei-Bewegung. Doch um 10 Uhr 40 unterbrechen die Radiosender ihre laufenden Programme und melden die Erstürmung des Parlaments. Jedermann versucht auf dem schnellsten Wege nach Hause zu kommen. Ein totales Verkehrschaos ist die Folge. Dann beginnen ansonsten friedliche Kirchgänger, Hausfrauen und sogar Schulkinder, Läden zu plündern und in Brand zu setzen. Die Polizei, unvorbereitet, unbewaffnet und zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen kann dabei nur tatenlos zusehen. Nach drei Stunden des Wütens sind 176 Läden und Geschäfte geplündert, davon 15 niedergebrannt. Der Schaden wird später auf 15 Millionen US Dollar geschätzt.
Nach und nach werden Einzelheiten bekannt: Der Putsch wird von dem 44-jährigen fidschianischen Geschäftsmann George Speight und Major Ilisoni Ligairi, dem pensionierten Ausbilder einer fidschianischen Eliteeinheit, geleitet. Während Ligairi sein Geschäft als Angehöriger des britischen Special Air Service (SAS) gelernt hat, handelt es sich bei Speight um einen in politischen Kreisen weitgehend Unbekannten.
In seiner ersten Pressekonferenz verkündet Speight die Abschaffung der Verfassung von 1997; er handele damit auf ausdrücklichen Wunsch der indigenen Bevölkerung. Die Geiseln sollen bis zur Erfüllung seiner Forderungen festgehalten werden. Jeder Befreiungsversuch werde zu einem Blutbad und zu bislang in Fidschi unbekannten sozialen Unruhen führen. Einen Tag später bestätigt ein Militärsprecher, dass die Aufständischen größere Mengen an Waffen entwendet haben, betont jedoch, dass das Militär loyal zur Verfassung und zu Präsident Sir Kamisese Mara stehe.
Als sich vom 23. bis 25. Mai der Rat der traditionellen Führer Great Council of Chiefs (Großer Rat der Chiefs, GCC) trifft, um die Forderungen der Putschisten zu diskutieren, wird eine schnelle Lösung des Problems von diesem höchsten traditionellen Gremium erwartet. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen drei Forderungen: die Abschaffung der Verfassung, eine Amnestie für alle Aufständischen und der Rücktritt von Präsident Kamisese Mara.
In einer am 26. Mai bekannt gemachten Zehn-Punkte-Erklärung geht der Große Rat der Chiefs auf fast alle Forderungen ein, bestätigt aber den Präsidenten in seinem Amt und gibt ihm die Vollmacht zur Bildung einer Interimsregierung. Der Vorschlag wird von den Putschisten barsch zurückgewiesen – eine Brüskierung der traditionellen Führer des Landes und ein Zeichen für den rapiden Verfall traditioneller Ordnungsmuster.
Während weiterer Verhandlungen eskaliert die Gewalt. In der Nähe des Parlamentes werden an einer Militär-Straßensperre zwei Soldaten und ein Kameramann bei einem Schusswechsel verwundet. Trotz der vom Präsidenten verhängten Ausgangssperre marschiert am nächsten Abend eine rund 200 Mann starke Gruppe von Rebellen vom Parlament aus in die Stadt. Sie stürmt und verwüstet die einzige Fernsehstation des Landes und bedroht die dort arbeitenden Journalisten. Auf dem Rückweg beschießt die Rebellengruppe den Präsidentenpalast und tötet dabei einen unbewaffneten Polizisten. Ein Wachmann stirbt an einer Herzattacke. Angesichts der wachsenden Spannungen ersucht der Chef des Militärs, Commodore Frank Bainamarama, den Präsidenten, zurückzutreten. Dieser kommt der Aufforderung nach und überlässt die Exekutivgewalt Bainimarama, der das Kriegsrecht ausruft. Als Bainimarama in einem nächsten Schritt eine Militärregierung ernennt, führt dies zu Unruhen außerhalb der Hauptstadt.
Anhänger des Rebellenführers Speight errichten Straßensperren, besetzen Ferienzentren für Touristen, Polizeistationen, eine Kaserne und einen Flughafen. Ohne vorzeigbaren Erfolg verhandelt das Militär mit den Rebellen. Die traditionellen fidschianischen Führer (Chiefs) sind in der Frage der Unterstützung der Gruppe um Speight gespalten. Dabei treten alte Rivalitäten zwischen den verschiedenen Provinzen zu Tage.
Schließlich unterzeichnen nach längerem Tauziehen am 9. Juli Bainimarama und Speight ein Abkommen, welches zur Freilassung der Geiseln führt. Im Gegenzug wird eine Amnestie für alle in Zusammenhang mit dem Putsch begangenen, als "politisch" deklarierten Straftaten vereinbart. Alle aus Militärbeständen entwendeten Waffen müssen zurückgegeben werden. Weiterhin soll der Große Rat der Chiefs am 13. Juli zusammentreten, um einen neuen Präsidenten und Vizepräsidenten aus seinen eigenen Reihen zu ernennen. Danach soll die Militärregierung zurücktreten und die Amtsgeschäfte an den neuen Präsidenten übergeben, der dann eine Interimsregierung und eine Verfassungskommission einzusetzen hat. Damit sind alle ursprünglichen Forderungen der Gruppe um Speight erfüllt. Die letzten Putschisten verlassen am 20. Juli den verwüsteten Parlamentskomplex.
Nachdem die Zusammensetzung der künftigen Interimsregierung bekannt gegeben worden ist, fühlen sich jedoch Speights Rebellen nicht angemessen repräsentiert. Kurz vor Beginn der vorgesehenen Vereidigungszeremonie setzen Speights Anhänger auf dem Gelände des Parlaments acht Autos in Flammen und drohen damit, den erst wenige Jahre alten Komplex niederzubrennen. Daraufhin wird die Ernennung der Interimsregierung vorerst abgesagt. Das Tauziehen geht weiter. Speight und eine Gruppe von rund 400 Anhängern lassen sich zwölf Kilometer außerhalb des Stadtzentrums in einer Schule nieder und verkünden, so lange weiterzukämpfen, bis die "richtigen" Leute in die Regierung berufen würden.
Als Speight mit einigen Beratern und Leibwächtern am Abend des 26. Juli an einer vom Militär errichteten Straßensperre nicht anhält, wird die Gruppe mit Gewalt gestoppt und festgenommen, weil sie trotz Verbots Waffen trägt. Im Morgengrauen des 27. Juli stürmt das Militär eine von Putschisten besetzte Schule und nimmt 369 Rebellen fest, unter ihnen die zweite Schlüsselfigur des Putsches, Major Ligairi. Die Soldaten, die zuvor von Teilen der Öffentlichkeit wegen ihrer Unentschlossenheit kritisiert und von den Putschisten verhöhnt worden sind, gehen diesmal unter Einsatz von Tränengas und Schusswaffen äußerst entschlossen vor. Die aufgestauten Frustrationen entladen sich in Gewalt. 40 Männer werden mit Gesichtswunden, Knochenbrüchen und anderen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Ein fünfzigjähriger Mann stirbt an den Folgen des Einsatzes von Tränengas und an inneren Verletzungen. Der Militärsprecher erklärt dazu, dass entschiedenes Handeln unumgänglich gewesen sei, weil die Rebellen nicht wie abgesprochen alle Waffen zurückgegeben hätten, den neuen Präsidenten bedrohten und ein Klima der Angst und des Terrors verbreiteten.
Am 28. Juli findet die mit Spannung erwartete Vereidigung der vom neuen Präsidenten ernannten Regierung statt. Die Mehrheit des Kabinetts besteht aus Technokraten, die bislang keine politischen Ämter innehatten. Direkte Unterstützer der Putschisten sind nicht vertreten, wohl aber ein paar Sympathisanten des Coups.
Die Motive für den Putsch sind allein aus diesen aktuellen Ereignissen kaum zu verstehen. Ein Blick auf die Geschichte des Landes zeigt aber, welche Spannungen der Rebellion zugrunde lagen. Diese gehen bis auf den Beginn der Kolonialzeit zurück.
Mit Hilfe der Briten war Ratu Seru Cakobau nach seiner Bekehrung zum Christentum und mehreren Kriegen zum mächtigsten Chief aufgestiegen. Er übergibt im Jahr 1874 die Fidschi-Inseln in der Deed of Cession der britischen Krone. Dadurch werden erstmals in der Geschichte der Fidschi-Inseln die zuvor häufig verfeindeten Familienclans, Stämme und die Herrschaftsgebiete der Chiefs vereinigt. Für die traditionellen high chiefs und ihre Nachkommen zahlt sich die Zusammenarbeit mit den Briten in Privilegien und materiellen Vorteilen aus. Alle prägenden fidschianischen Politiker der letzten 50 Jahre entstammen traditionell mächtigen Stämmen. Dass diese Stämme mittlerweile untereinander heillos zerstritten sind, macht eine Lösung von politischen Krisen nicht einfacher.
Einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung Fidschis hatte die Entscheidung des ersten britischen Gouverneurs Arthur Gordon, im Jahre 1879 zuerst rund 500 Kontraktarbeiter aus Indien anzuheuern, die Zuckerrohrplantagen anlegen und auf diesen arbeiten sollten. Es werden über die Jahre immer mehr Arbeiter benötigt, und diese holen ihre Familien nach und bleiben auf Dauer im Land, weil ihnen die junge Kolonie viele Möglichkeiten und mehr persönliche Freiheiten bietet. Im Jahre 1986 sind die Indo-Fidschianer mit 48,7 Prozent die größte geschlossene Volksgruppe.
Zu Beginn der Unabhängigkeit im Jahr 1970 wird das politische Leben von zwei Parteien beherrscht, der überwiegend die indigene Bevölkerung vertretenden Alliance Party und der indo-fidschianisch dominierten National Federation Party. Die unter der Führung von Sir Kamisese Mara ausgearbeitete erste Verfassung von 1970 wird von verschiedenen Interessengruppen kritisiert. Während diese Verfassung darauf abzielt, die Zusammenarbeit der verschiedenen ethnischen Gruppen zu verstärken, werden Spaltungen innerhalb der indo-fidschianischen wie auch der fidschianischen Bevölkerungsgruppen immer deutlicher.
Im April 1987 gewinnt eine Koalition der neuen, stark in den Gewerkschaften verwurzelten Labour Party zusammen mit der National Federation Party die Wahlen. Obwohl mit Timoci Bavadra ein Fidschianer Premierminister wird und das Kabinett sich zu gleichen Teilen aus Indo-Fidschianern und Fidschianern zusammensetzt, führt der Wahlsieg zu starken politischen Spannungen. Nach nur einem Monat gibt der damalige dritthöchste Militär, Oberstleutnant Sitiveni Rabuka, das Startsignal für einen Militärputsch. Die Verfassung wird abgeschafft. Als Folge des Coups wird Fidschi aus dem Verbund der Commonwealth-Staaten ausgeschlossen und erklärt sich daraufhin zur Republik.
Im Jahr 1991 beendet Rabuka seine militärische Karriere und betritt als Zivilist die politische Arena. Er gründet eine neue Partei, die Soqosoqo ni Vakavulwa ni Taukei (SVT, die fidschianisch politische Partei). Diese gewinnt die Wahlen von 1992, die ersten Wahlen unter der vom Ausland als rassistisch kritisierten neuen Verfassung von 1990. Seit Beginn seiner Regierungszeit führt Rabuka einen Mehrfrontenkrieg. Unfähig, die auseinander driftenden fidschianischen Interessen zu bündeln, kritisiert von den indischen Parteien und dem Ausland und gebeutelt von einer Reihe von Korruptionsskandalen, versucht Rabuka, das Ansehen der Völkergemeinschaft und das Vertrauen von Investoren wiederzugewinnen.
Er lässt eine neue (dritte) Verfassung erarbeiten, die allen Bevölkerungsgruppen gleiche politische Rechte einräumen soll. Damit findet er zunächst eine breite Unterstützung bei den etablierten Parteien, der städtischen Bevölkerung, der aufstrebenden Mittelschicht und dem Ausland. Aber Spaltungen innerhalb der fidschianischen Bevölkerung werden unübersehbar: Acht der 14 Provinzen, die im Wesentlichen von jüngeren Chiefs der mittleren Ebene geführt werden, lehnen den Verfassungsentwurf ab. Hingegen stimmen das übergeordnete Gremium des Großen Rates der Chiefs, wie auch das Parlament und der fidschianisch dominierte Senat dem Entwurf einstimmig zu. Die verabschiedete Verfassung ebnet 1998 den Weg Fidschis zurück in den Commonwealth.
Im Frühjahr 1999 findet eine reguläre Parlamentswahl statt, an der eine bislang unerreichte Anzahl politischer Parteien teilnimmt. Der Wahlausgang bringt Überraschungen. Die SVT erleidet eine vernichtende Niederlage; sie erringt nur acht Sitze im neuen Parlament. Die People’s Coalition unter Führung der Labour Party gewinnt mit 37 Sitzen die absolute Mehrheit. Die Ultra-Nationalisten spielen im neuen Parlament mit lediglich zwei Vertretern nur eine untergeordnete Rolle. Das Wahlergebnis macht klar, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung mit dem Reformkonzept der People’s Coalition einen Neuanfang will und ultranationalistische Tendenzen ablehnt. Erstmals wird ein Fidschianer indischer Abstammung, Mahendra Chaudhry, der Führer der Labour Party, für die Position des Premierministers nominiert und vom Präsidenten ernannt.
Die Koalitionsregierung versucht, ihre Wahlversprechen – darunter eine Landreform und die Bekämpfung von Armut und Korruption – einzulösen, und zieht sich damit vom ersten Tag an eine Vielzahl einflussreicher Feinde zu. Die überwiegend indo-fidschianischen, aber auch fidschianischen Geschäftsleute sind beispielsweise gegen die Einführung von Mindestlöhnen. Und viele Fidschianer verstehen nicht, warum indische Pächter, wenn ihre Verträge gegen Ende des 20. Jahrhunderts auslaufen, eine Abfindung in Höhe von 28.000 Fidschi-Dollar oder das Angebot einer Neuansiedlung auf Staatsland bekommen.
In der Bevölkerung wird vor allem über die Rechte des indigenen Volkes debattiert. George Speight hat konsequent als Grund für den Coup und die Geiselname angegeben, er wolle den Indigenen mehr Rechte verschaffen. Zweifellos vertreten auch die Fidschianer diese Haltung, die von den Rebellen als politische Führungsfiguren vorgeschlagen worden sind, und erst recht die einfachen Unterstützer des Putsches, also vor allem Fidschianer aus den ländlichen Gegenden, die nach dem 19. Mai zu Hunderten vor das Parlamentsgebäude gezogen waren und dort als menschlicher Schild eine schnelle gewaltsame Übernahme durch das Militär verhindert hatten.
Es gehe ihnen um Selbstbestimmung für die Indigenen, erklären die Unterstützer der Putschisten. Sie sehen diese durch die Verfassungsreform von 1997 und die folgende Koalitionsregierung unter dem Indo-Fidschianer Chaudhry angetastet. Allerdings sind nur wenige dazu im Stande, konkrete Details in der Verfassung anzugeben, die eine solche Einstellung rechtfertigen. Es hat nach der Verfassungsreform von 1997 kaum Versuche gegeben, diese der breiten Bevölkerung nahe zu bringen. In einer Gesellschaft, in der Demokratie ein relativ neues und umstrittenes politisches System ist, hat dies fatale Folgen.
Bei der Forderung nach einem Recht auf Selbstbestimmung für indigene Fidschianer spielen vier Faktoren eine Rolle: das Interesse an politischer Vorherrschaft, rassistische Vorurteile, wirtschaftliche Privilegien und Konflikte um Landbesitz.
Die Verfassung von 1990 hat versucht, indigenen Fidschianern die politische Vorherrschaft zu garantieren. Das ist aber an der Zersplitterung der fidschianischen Parteien gescheitert. Mit der Verfassungsreform von 1997 endete die ethnisch festgeschriebene Sitzverteilung, was die Koalitionsregierung unter Chaudhry möglich machte.Viele indigene Fidschianer akzeptieren aber nicht, dass ein Indo-Fidschianer Premierminister ist, ja nicht einmal, dass einer im Kabinett sitzt. Allerdings wird auch die Art und Weise, wie der ehemalige Gewerkschaftler Chaudhry seine Regierung geführt hat, von vielen Fidschianern als arrogant empfunden.
Ferner sind unter den gut 775.000 Einwohnern der Republik Fidschi rassistische Vorurteile weit verbreitet. Bereits die Kolonialmacht hat eine Annäherung der Bevölkerungsgruppen aneinander nicht gerade gefördert. Mehr als ein Jahrhundert nach der Einwanderung der ersten Inder sprechen nur wenige Indo-Fidschianer einen fidschianischen Dialekt, und fast kein indigener Fidschianer spricht eine der indischen Sprachen. Es gibt nur wenige gemischte Ehen. In Betrieben und im öffentlichen Dienst werden Posten und Jobs vorwiegend der eigenen Gruppe zugeschanzt, was bei der indo-fidschianischen Vorherrschaft in der Wirtschaft für die Indigenen sehr nachteilig ist.
Das Stereotyp des Inders ist das eines gierigen, machthungrigen Geschäftsmannes; auf der anderen Seite gelten Fidschianer als faul und nur auf freie Handreichungen aus. Es ist kein Zufall, dass George Speight gerade am Anfang des Coups offen auf diese Vorurteile baute: "Inder sind anders als wir [Fidschianer]: sie sprechen eine andere Sprache, sie sehen anders aus, und sie riechen anders." Nicht überall in Fidschi sind aber die Beziehungen zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen so gespannt. Besonders auf der westlichen Seite der Hauptinsel Viti Levu gibt es kaum Reibungen zwischen ihnen. Aber es ist sehr einfach, sich dieser Vorurteile zu bedienen, um breite Unterstützung zu finden, auch wenn viele indigene Fidschianer betonen, dass sie einen gewaltsamen Coup nicht befürworten.
Vor allem Einkommensunterschiede nähren den Konflikt. Die wirtschaftlich führende Schicht und Bildungselite des Landes besteht überwiegend aus Indo-Fidschianern. Das Durchschnittseinkommen der indigenen Fidschianer ist weitaus niedriger, was diese häufig betonen. Sie nehmen dabei jedoch kaum wahr, dass Indo-Fidschianer auch die Hälfte der ärmsten 30 Prozent der Bevölkerung stellen.
Schließlich muss das Landproblem erwähnt werden. Kulturell und spirituell sind ethnische Fidschianer (wie generell die Bevölkerung im Pazifik) eng mit ihrem Land verbunden; zumindest ist das aus historischer Sicht so. Die Britische Kolonialverwaltung hat dies berücksichtigt und – im Gegensatz etwa zu der Kolonialregierung in Kanakie (Neu-Kaledonien) oder Hawaii – gemäß dem Versprechen der britischen Krone in der Deed of Cession die Landrechte entsprechend gestaltet: Theoretisch hat jeder männliche erwachsene Fidschianer über seinen mataqali (Clan) unveräußerliche gemeinschaftliche Landrechte. Über 80 Prozent des Landes gehören so Fidschianern.
In der Praxis war aber ein Großteil dieses Landes auf lange Frist verpachtet, häufig an Indo-Fidschianer. Dies trifft besonders auf die fruchtbarsten Ländereien zu. Vieler dieser Pachtverträge galten aber nur bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Damit stellte sich der vorletzten Regierung unter Rabuka und der letzten unter Chaudhry die schwierige Frage, wie das Landproblem zu lösen sei: Hier galt es einerseits zu berücksichtigen, dass die indo-fidschianische ländliche Bevölkerung für ihren Lebensunterhalt darauf angewiesen ist, Land zu pachten, andererseits mussten die Rechte der traditionellen Landbesitzer respektiert werden, die zum großen Teil ihr Land wieder beanspruchten.
Speight und seine Unterstützer warfen Chaudhrys Regierung vor, die traditionellen Landrechte zu gefährden. Chaudhrys Gesetzesentwürfe waren größtenteils nur Vorlagen, die schon von der Regierung Rabuka vorbereitet worden waren. Zudem haben unter der Verfassung von 1997 sowohl der Große Rat der (fidschianischen) Chiefs als auch der fidschianisch dominierte Senat eine Art Vetorecht gegen alle Gesetzesvorlagen, die traditionelle indigene Rechte wie Landrechte berühren.
Ein weiteres Problem ist der Streit um Grund, der entweder dem Staat gehört oder als Freehold Land frei veräußerlich ist (je etwa acht Prozent des gesamten Landes). Diese Ländereien gehen meist auf Landverkäufe aus der Zeit vor der Deed of Cession 1874 zurück. Auf solchen Grundstücken befinden sich die meisten Flughäfen, Kasernen, Ferienzentren für Touristen, ein Wasserkraftwerk und dergleichen. Vor allem solche Grundstücke sind seit dem Putsch von Speight von Indigenen besetzt worden, die ein angemessenes Entgelt für ihren traditionellen Besitz fordern und häufig auch ihre Unterstützung für Gruppe um Speight Gruppe bekunden.
Pachterlöse waren für Landbesitzer von jeher nicht lukrativ. Pachtverträge müssen über das Native Land Trust Board (NLTB) geschlossen werden. Das NLTB, das häufig von Landbesitzern als willkürlich handelnd und korrupt angesehen wird, geht auf koloniale Gesetze zurück und ist auch in den 29 Jahren unter politischer Führung der Fidschianer nicht grundsätzlich verändert worden. Es ist seit der Unabhängigkeit völlig von Fidschianern beherrscht, auch nach der Verfassung von 1997. Damit stellt sich die Frage, inwieweit nicht das NLTB und damit Fidschianer selbst weitgehend für die gegenwärtige Landkrise verantwortlich sind.
Zum ersten Mal seit Kolonialzeiten treten innerfidschianische Konflikte wieder offen zu Tage. Schon im Zuge des Putsches von 1987 war deutlich geworden, dass die Regierung von Timoci Bavadra nicht zuletzt deshalb abgesetzt worden war, weil Bavadra aus dem westlichen Teil Viti Levus stammt, während seit der Kolonialzeit fast ausschließlich Chiefs des östlichen Teils die politische Aristokratie Fidschis stellen.
Noch deutlicher ist im Verlauf des Speight-Putsches geworden, dass die Drahtzieher hinter Speight innerfidschianische Machtkämpfe ausfechten. Politische Unterstützung für Speight und seine Gruppe kommt vor allem aus den östlichen Provinzen wie Bau, Naitasiri und Tailevu, einem Teil der Kubuna-Konföderation. Dies ist eine der drei historischen Konföderationen, die den heute 14 Provinzen übergeordnet sind. Speight hat auch deshalb die Absetzung des Staatspräsidenten Ratu Sir Kamisese Mara gefordert, weil man Mara vorwirft, Chaudhrys Regierung zumindest stillschweigend geduldet zu haben, aber auch, weil er als Angehöriger der traditionell mächtigen Chief-Familie aus der Lau-Gruppe im Südosten des Landes stammt, einem Teil der Tovata-Konföderation.
In den westlichen Provinzen, dem wirtschaftlichen Zentrum Fidschis, werden seit dem 19. Mai Stimmen laut, eine eigene Regierung zu bilden. Sie fühlen sich von dem Machtgerangel der anderen Provinzen ausgeschlossen. In der Tat ist es im Westen seit dem 19. Mai zu keinerlei Ausschreitungen gegen Indo-Fidschianer gekommen, ganz im Gegensatz zu einigen Provinzen im Osten Viti Levus, wo vor allem Indo-Fidschianer in ländlichen Gebieten nun häufig unter gewaltsamen Übergriffen vonseiten junger Fidschianer zu leiden haben. Nur im Westen ist es seit dem 19. Mai zu öffentlichen Protestkundgebungen seitens ethnischer Fidschianer gegen den Coup von Speight gekommen.
Natürlich gibt es auch rein persönliche Motive bei einigen Unterstützern des Putsches, etwa dass die Regierungspolitik ihren Geschäftsinteressen zuwider lief oder dass sie etwas von der angedrohten Untersuchung der Korruption unter der Regierung Rabuka zu befürchten hatten. Und manche Politiker, die in den letzten Wahlen ihre Sitze verloren hatten, wollen einfach wieder an die Macht. So erschwert der vielschichtige Nährboden für den Coup vom 19. Mai eine dauerhafte politische Lösung.
Der Coup hat im Gegensatz zu Rabukas Putsch gezeigt, dass eine kleine Anzahl Bewaffneter ausreicht, das politische System zu erschüttern. Die Gewaltbereitschaft vor allem junger fidschianischer Männer ist beunruhigend. Es fehlt inzwischen an sozialen Konfliktlösungsverfahren. Traditionelle Entschuldigungsrituale werden mehr und mehr dazu benutzt, Vergehen auf billige Art ad acta zu legen, und dadurch entwertet. Sowohl die traditionelle Autorität der Chiefs als auch das moderne demokratische System brechen zusammen. Die Kirchen, vor allem die Methodistische Kirche, der 60 Prozent der ethnischen Fidschianer angehören, ist unfähig, die Entwicklung positiv zu beeinflussen, weil ihre Mitglieder selbst zu tief in die politischen Vorgänge verstrickt sind.
Die Massenarbeitslosigkeit, Einkommensunterschiede und Landkonflikte harren weiterhin auf eine Lösung. Der Chef der gegenwärtigen Interimsregierung, der Bankier Laisenia Qarase, der sich stärker um die Rechte und Belange der indigenen Fidschianer kümmern soll, neigt zur Förderung fidschianischer Unternehmer, was der breiten Masse der Bevölkerung wenig dienen wird. Von den Drahtziehern hinter Speight, sollten sie an die Macht kommen, ist Ähnliches zu erwarten.
Die sich abzeichnenden wirtschaftlichen Folgen des Putsches sind äußerst besorgniserregend. Innerhalb der letzten zwei Monate haben 6000 Menschen ihre Arbeit verloren, und der Trend zeigt weiter steigende Zahlen. Die Tourismusbranche als Hauptdevisenbringer verzeichnet einen Rückgang von 60 Prozent. Wie schon nach dem Coup von 1987 hat eine Auswanderungswelle gut ausgebildeter indo-fidschianischer Fachkräfte begonnen. Der Staatshaushalt weist ein Defizit von 61,5 Millionen US-Dollar auf. Die angekündigten Sanktionen der Haupthandelspartner Australien, Neuseeland, EU und USA würden diese Krise zweifellos verschärfen. Der Ausblick für Fidschi ist somit alles Andere als günstig.
aus: der überblick 03/2000, Seite 80
AUTOR(EN):
Manfred Ernst und Holger Szesnat:
Dr. Manfred Ernst ist Politologe sowie Projektmanager und Dozent für Kirche und Gesellschaft am Pacific Theological College, Suva, Fidschi-Inseln. Dr. Holger Szesnat ist Theologe und Dozent für Bibelwissenschaft sowie Interims-Direktor der Fernstudienabteilung am selben College.