Südafrika will mit Hilfe internationaler Firmen sein Gefängniswesen verbessern
Als erstes afrikanisches Land hat Südafrika damit begonnen, Privatfirmen mit dem Bau und der Verwaltung von Gefängnissen zu beauftragen. Bisher wurde nur wenig Kritik an dieser Entscheidung laut. Politiker, Kriminologen und Menschenrechtsgruppen haben die Hoffnung, dass die Privatwirtschaft die katastrophalen Haftbedingungen in südafrikanischen Gefängnissen verbessern kann. Außerdem soll die Privatisierung schwarze Firmen in der Sicherheitsindustrie stärken.
von Julie Berg
Bevor Sipho Mzimela in Südafrika Minister für den Strafvollzug wurde (1994-99), hatte er als Gefängniskaplan in den USA gearbeitet. Deshalb spricht viel dafür, dass seine Idee, Gefängnisse in Südafrika von Privatfirmen bauen und betreiben zu lassen, dort ihren Ursprung hat und von den Entwicklungen der Gefängnisindustrie in den Vereinigten Staaten beeinflusst wurde. Im Juni 1996 informierte Mzimela das Parlament, dass sein Ministerium Kontakte zu privaten Firmen aus dem Sicherheitssektor aufgenommen habe. Er rechnete vor, dass die Bauzeit für ein Gefängnis mit Hilfe von privaten Firmen auf 15 Monate anstelle der üblichen sieben Jahre reduziert werden könne angesichts der hohen Überbelegung in südafrikanischen Gefängnissen ein wichtiges Argument.
Nach den Plänen des Ministeriums soll der Privatsektor auch Werkstätten und Fabriken zur Verfügung stellen, in denen die Häftlinge arbeiten und ausgebildet werden sollen. Obwohl es seit langem ein Gesetz gibt, das Gefangene dazu verpflichtet zu arbeiten, fehlt es bisher an den nötigen Mitteln, um in Südafrikas Haftanstalten in großem Stil Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten bereitzustellen. Auch in anderen Bereichen hofft die Regierung auf eine Verbesserung der Haftbedingungen infolge der Privatisierung. Die Ausschreibung der Verträge sieht beispielsweise vor, dass die Dienstleister den Häftlingen drei statt der bisher zwei Mahlzeiten pro Tag bieten müssen.
Ein Regierungsprogramm, das die Bedingungen für eine privat-öffentliche Partnerschaft im Gefängniswesen regelt, nennt als die Aufgabenbereiche der privaten Firmen: Entwurf, Bau und Instandhaltung der Gebäude; Reinigungs-und Catering-Dienste; Rehabilitationsprogramme; Trainings- und Freizeitmöglichkeiten für die Häftlinge; sowie Beschäftigung und Ausbildung des Gefängnispersonals. Das bedeutet nicht, dass die Verwaltung des Gefängnisses gänzlich den privaten Unternehmen überlassen wird darauf ist bewusst verzichtet worden. So hat das Strafvollzugsministerium ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Direktorenpostens in einem Gefängnis. Das erweiterte Strafvollzugsgesetz sieht außerdem vor, dass für jedes private Gefängnis ein Bevollmächtigter eingesetzt wird, der die tägliche Arbeit der privaten Gefängnisverwaltung überwacht. Weitere Sicherheitsklauseln sollen gewährleisten, dass die Firmen dem Gesetzgeber gegenüber verantwortlich bleiben.
Beispielsweise darf der private Betreiber des Gefängnisses weder eigene Verhaltensregeln für die Gefangenen aufstellen noch die Häftlinge für Fehlverhalten bestrafen oder Einfluss auf ihre Haftstrafen nehmen. Ein Sprecher des Ministeriums für Strafvollzug erklärt das Modell so: "Der private Anbieter wird das ganze Unternehmen mit seinen eigenen Angestellten leiten, allerdings unter der Oberaufsicht des Ministeriums."
Südafrika ist das erste afrikanische Land, das sich dazu entschlossen hat, einzelne Gefängnisse zu privatisieren. Diese Entwicklung ist insofern bemerkenswert, als das Land erst seit wenigen Jahren demokratisch regiert wird und nicht über den selben politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand verfügt wie andere Länder, die Gefängnisse privatisiert haben. Deshalb sind auch die Chancen und Gefahren der Privatisierung in Südafrika zum Teil andere als etwa in den USA.
Die Notwendigkeit von Reformen im Gefängnissektor steht hier aus einer Reihe von Gründen außer Frage. Südafrikas größtes Problem ist die Überbelegung, die viele andere Mängel im Gefängnissystem nach sich zieht und auch den wichtigsten Impuls für die Privatisierung von Haftanstalten darstellt. Das Bandenwesen ist ein weiteres Problem, das zu einer hohen Ausbruchsrate und zu Gewalttätigkeit in den Gefängnissen führt.
Unterstützt wird dies durch die Bauweise der Gefängnisse, die Lagerhäusern ähneln. Die Gruppenzellen von älteren Gefängnissen sind für bis zu 16 Gefangene konzipiert, aber meist überbelegt. Die Wärter trauen sich aus Angst vor den Banden oft nicht, diese Zellen zu betreten. Zugleich gibt es viele korrupte Wärter, die den Gefangenen Schmuggelwaren besorgen oder ihnen beim Ausbruch behilflich sind. Selbst in neueren Gefängnissen hat sich diese Gefängniskultur eingeschlichen, weil auch sie entweder zu schlecht konzipiert oder zu überfüllt sind, um effektiv Disziplin einzuführen. Auch gibt es kein Geld für groß angelegte Reformprogramme. All dies hat dazu beigetragen, dass die Motivation des Gefängnispersonal sehr gering ist. Das lässt sich an der hohen Abwesenheitsquote unter den Angestellten ablesen sowie daran, dass die Gefängnisse Schwierigkeiten haben, ihren Personalbedarf zu decken.
Private Gefängnisse könnten in vielerlei Hinsicht zu einer Verbesserung dieser Bedingungen beitragen. Private Unternehmen bauen ihre Gefängnisse so, dass die Zellen nur ein bis zwei Häftlingen Platz bieten. Diese Bauweise erschwert das Bandenwesen und könnte zugleich das Personalproblem der Gefängnisse verringern, da hier für das Zellenmanagement weniger Wärter benötigt werden. Darüber hinaus ist Südafrika auf die Expertise der internationalen privaten Firmen angewiesen, die Erfahrungen mit einer Kultur der Wiedereingliederung und der Ausbildung von Häftlingen mitbringen und nicht nur mit der Einkerkerung.
Die privaten Gefängnisse könnten mit ihren Ideen und ihrer Herangehensweise in der Gefängnisverwaltung auch die staatlichen Gefängnisse beeinflussen. Denkbar wäre beispielsweise, dass ein staatlicher Gefängnisbeamter für einige Zeit in ein privates Gefängnis versetzt wird und so internationale Standards und unternehmerische Methoden auch in das staatliche Gefängnissystem hineintragen kann. Außerdem unterliegen die privaten Gefängnisse einer besonderen Überprüfung durch den Staat. Dies könnte letztlich dazu führen, dass auch die staatlichen Gefängnisse einer besseren Kontrolle unterworfen werden.
Ebenso wird die Regierung, nachdem sie Richtlinien für die Haftbedingungen in den privaten Gefängnissen festgelegt hat, nun auch gezwungen sein, Reformkonzepte für die eigenen Gefängnisse vorzulegen. Die Qualitätskriterien und Leistungsanforderungen, die sie den privaten Unternehmen gestellt hat, könnten zu Minimalstandards werden, an denen sich auch das staatliche Gefängnissystem messen lassen müsste. Mit anderen Worten: Das staatliche Gefängnissystem braucht ein Vorbild, an dem es seinen eigenen Reformprozess ausrichten kann. Wenn beispielsweise die privaten Firmen Gefangenenarbeit und -ausbildung effektiver und kostensparender gestalten könnten, so wäre das ein Beispiel, an dem sich das staatliche System orientieren könnte.
Im April 1997 begann das erste Ausschreibungsverfahren für zunächst vier neue Gefängnisse: zwei Hochsicherheitsgefängnisse in Louis Trichardt und Bloemfontein für jeweils 3000 Insassen sowie ein Untersuchungsgefängnis in Boksburg und eine Jugendbesserungsanstalt in Barberton. Um in die engere Wahl zu kommen, mussten die Firmen eine Reihe von Kriterien erfüllen. Zunächst mussten sie nachweisen, dass sie über die nötigen Qualifikationen und Erfahrungen verfügen, Verständnis für die gesetzlichen Grundlagen aufweisen und genügend finanzielle Mittel haben, um den Bau der Gefängnisse zügig umzusetzen.
Darüber hinaus unterlag die Ausschreibung wie alle staatlichen Aufträge den Richtlinien der so genannten Affirmative Action, die die Förderung ehemals benachteiligter Bevölkerungsgruppen also von Schwarzen, Frauen und Behinderten vorsieht. Das bedeutet erstens, dass Unternehmen, die Schwarze in führenden Positionen beschäftigen, zu mindestens 40 Prozent der Geschäftsanteile an einem Firmenkonsortium beteiligt sein müssen. Zweitens sollen mindestens ein Viertel der anfallenden Arbeiten an Zulieferbetriebe abgegeben werden, die von Schwarzen geführt werden. Drittens werden solche Firmen gegenüber Mitbewerbern bevorzugt, die zu einem hohen Anteil Schwarze, Frauen oder Behinderte beschäftigen. Und viertens müssen die Firmen, die sich für Gefängnisverträge bewerben, ein Mindestmaß an Aus-und Fortbildungsmaßnahmen für schwarze, weibliche und behinderte Arbeitskräfte bereitstellen. Lediglich fünf Konsortien konnten diese Kriterien erfüllen, obwohl eine ganze Reihe von nationalen und internationalen Unternehmen Angebote eingereicht hatte.
Die Zusammensetzung der beiden Konsortien, die mit dem Bau und Betrieb der Hochsicherheitsgefängnisse in Louis Trichardt und Bloemfontein beauftragt wurden, vermittelt einen Eindruck davon, wie lokale und insbesondere schwarze Unternehmen durch die Gefängnisprivatisierung gefördert werden: Das Konsortium SA Custodial Services besteht aus dem amerikanischen Unternehmen Wackenhut Corrections Corporations und der südafrikanischen Firma Kensani Corrections Management. Wackenhut Corrections ist das weltweit zweitgrößte Unternehmen im Sicherheitssektor. Zu seiner Angebotspalette gehören der Bau, die Finanzierung und die Verwaltung von Strafvollzugsanstalten jeder Art sowie Gesundheits-und Rehabilitationsprogramme. Kensani Corrections ist ein Zusammenschluss schwarzer Unternehmerinnen und der Südafrikanischen Eisenbahn-und Hafenarbeitergewerkschaft. Außer in der Gefängnisindustrie ist Kensani auch in der Informationstechnologie und im Finanzsektor tätig. Im Fall des Gefängnisses in Louis Trichardt übernimmt Kensani die Rehabilitations-und Ausbildungsprogramme für Gefangene und die Instandhaltung des Gebäudes. Wackenhut wird für die Verwaltung der Haftanstalt zuständig sein. Für den Entwurf und den Bau in Louis Trichardt hat die Firmengruppe drei lokale Zulieferbetriebe verpflichtet. Die Finanzierung übernimmt die Afrikanische Handelsbank (African Merchant Bank). Weitere Zulieferer sind mit Dienstleistungen wie Rechtshilfe, Sicherheitsdiensten und Nahrungszulieferung beauftragt.
Auch der Auftrag zum Bau und Betrieb des Gefängnisses in Bloemfontein ist an einen Zusammenschluss südafrikanischer und internationaler Unternehmen vergeben worden. Das Ikhwezi-Konsortium besteht aus der bekannten südafrikanischen Baufirma Murray and Roberts sowie Group 4 Correction Services South Africa, das eine Tochter des britischen Sicherheitsdienstleisters Group 4 Securitas ist. Das Unternehmen bietet neben Gefängnismanagement auch Sicherheitspersonal und -systeme, Sicherheitstransporte und Gerichts-Eskortdienste an. 1992 hat Group 4 als erstes Unternehmen in Großbritannien die Verwaltung eines Privatgefängnisses übernommen und operiert mittlerweile auch in Australien und einer Reihe von anderen Ländern.
Die strengen Auflagen der Regierung für das Ausschreibungsverfahren haben dazu geführt, dass lokale und vor allem schwarze Unternehmen an dem neuen Markt beteiligt werden konnten. In allen Phasen des Prozesses konnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Allein das Ikhwezi-Projekt wird voraussichtlich etwa 500 feste Arbeitsplätze umfassen. Wichtig ist aber auch, dass die Auflagen die Beteiligung internationaler Unternehmen und Spezialisten nicht verhindert haben. Darauf ist Südafrika angewiesen, weil Erfahrungen mit privat-öffentlicher Partnerschaft im Gefängnissektor noch fehlen. Es scheint, als übernähmen die internationalen Unternehmen den umstritteneren Teil der Privatisierungsmaßnahmen, nämlich die Verwaltung der Gefängnisse inklusive der Ausbildung des Personals. Die südafrikanischen Eigner haben im Fall der beiden Hochsicherheitsgefängnisse die Dienstleistungsbereiche Wäsche-und Gebäudereinigung, Verpflegung von Insassen und Personal, Bereitstellung von Uniformen und Instandhaltung der Gebäude, aber auch Rehabilitations-, Freizeit-und Ausbildungsprogramme für die Häftlinge übernommen. Die Rolle der einheimischen Firmen besteht vor allem darin, die internationale Erfahrung ihrer Partner durch landesspezifische Kompetenz zu ergänzen, denn aufgrund der sozialen und kulturellen Spaltungen unter südafrikanischen Gefangenen unterscheiden sich die Gefängnisse dort von denen, in denen die internationalen Firmen bisher operieren.
Die beiden Hochsicherheitsgefängnisse in Louis Trichardt und Bloemfontein stehen kurz vor der Fertigstellung. Die Erwartungen des Ministeriums, dass die Privatisierung Kosten spart, scheinen sich zu erfüllen. Das Privatisierungsprogramm sieht zwei Varianten für den Gefängnisbau vor: Entweder der private Partner finanziert den Bau des Gefängnisses auf staatlichem Grund und Boden und betreibt anschließend die Haftanstalt. Oder er tritt selbst als Bauherr auf und besitzt anschließend auch das Gefängnisgebäude. In diesem Fall bezahlt die Regierung dem Besitzer 25 Jahre lang eine Tagesgebühr für jeden Insassen, den sie in dem Gebäude unterbringt gleichsam Miete. Wird der Vertrag danach nicht verlängert, so kann der Eigner das Gebäude beliebig nutzen. Das Gefängnis in Louis Trichardt hat einen Wert von 1,8 Milliarden Rand (das entspricht etwa 600 Millionen Mark). Die Kosten für die Regierung belaufen sich auf 65,47 Rand pro Tag und Häftling. Im Gefängnis von Bloemfontein Wert 1,7 Milliarden Rand kostet jeder Gefangene die Regierung am Tag 66,04 Rand. Dagegen stehen 85 Rand, die das Ministerium für jeden Insassen in seinen eigenen Gefängnissen aufbringen muss Tendenz steigend.
Die öffentliche Kritik am Vorgehen der Regierung in der Frage der Gefängnisprivatisierung blieb ziemlich leise. Die erste Ankündigung des Strafvollzugsministers, er wolle Gefängnisse privatisieren, löste keine breite Debatte aus. Abgesehen von wenigen Wissenschaftlern, die sich zu Wort meldeten, spielte sich die Diskussion fast ausschließlich im Parlament ab. Die Öffentlichkeit blieb weitgehend unbeteiligt. Sowohl die National Party vor den Wahlen Anfang Juni 1999 die größte Oppositionspartei als auch die Inkatha Freedom Party, der Koalitionspartner des ANC, befürworteten die Entscheidung für die Privatisierung und weitgehend auch das Vorgehen der Regierung. Auch südafrikanische Menschenrechtsorganisationen äußerten sich vorsichtig unterstützend unter der Voraussetzung, dass die Firmen sich an die von der Regierung vorgegebenen Richtlinien hielten.
Kritik wurde allerdings laut an der Geschwindigkeit, mit der der Prozess vorangetrieben wurde. Lediglich vier Jahre nach Beginn der ersten Planungsphase befinden sich bereits zwei Hochsicherheitsgefängnisse im Bau. Möglicherweise hätte die Regierung zunächst ein Pilotprojekt in Kooperation mit dem Privatsektor starten sollen, beispielsweise in den Bereichen Jugend-und Abschiebehaft, bevor sie privat-öffentliche Hochsicherheitsgefängnisse baut. Stattdessen führte das Strafvollzugsministerium bereits Verhandlungen mit einzelnen Unternehmen, bevor die gesetzlichen Grundlagen überhaupt gelegt waren.
Die wenig präzisen Bestimmungen des neuen Strafvollzugsgesetzes bestätigen den Vorwurf, dass die Regierung die Grundlagen der Gefängnisprivatisierung zu hastig gelegt habe, ohne sie in ihrer Bedeutung erfasst und ausreichend diskutiert zu haben. So ist zwar in den Verträgen, die das Strafvollzugsministerium mit den einzelnen Konsortien abgeschlossen hat, festgelegt, dass die Firmen Ausbildungs-und Rehabilitationsprogramme unterhalten müssen. Das Strafvollzugsgesetz besagt dazu aber nur: "Der Vertragspartner muss zum Erhalt und zum Schutz einer gerechten, friedlichen und sicheren Gesellschaft beitragen, indem er ... die sozialen Kompetenzen und die menschliche Entwicklung aller Häftlinge fördert." Es bleibt den beteiligten Parteien überlassen, was sie unter der Förderung sozialer Kompetenzen und menschlicher Entwicklung verstehen wollen. Man muss der Regierung allerdings zugute halten, dass die ausgewählten Firmenkonsortien ausgiebig überprüft wurden so ausgiebig, dass einige Firmen drohten, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen.
Ein weiterer Kritikpunkt, den vor allem nichtstaatliche Organisationen vorgebracht haben, betrifft die mangelhafte Einbeziehung von Interessengruppen in den Entscheidungsprozess angefangen von den Vorüberlegungen für oder gegen die Privatisierung bis hin zu den Vertragsverhandlungen. Es gibt zwar nur wenige NGOs und Experten, die sich mit dem Strafvollzug auseinander setzen und von daher über die nötigen Erfahrungen verfügen, um den Prozess der Gefängnisprivatisierung kritisch zu begleiten. Dennoch haben viele argumentiert, dass die Politiker in Kooperation mit NGOs ein noch besseres Verständnis der Gefängnisprivatisierung hätten gewinnen können und müssen.
Einige Regierungsvertreter unternahmen einen Besuch in den USA, um sich über das Thema zu informieren. Die möglichen Probleme, die die Privatisierung von Gefängnissen mit sich bringt, wurden dabei aber zu wenig beachtet. In der jetzigen Phase des Privatisierungsprozesses geht die Regierung relativ offen mit Informationen um, die sie vor allem im Internet zur Verfügung stellt. Dies steht allerdings im Gegensatz zu ihrer Informationspolitik während der entscheidenden Verhandlungsphase, in der viele Einzelheiten erst öffentlich gemacht wurden, nachdem die Entscheidungen bereits getroffen worden waren.
Vertreter der National Party haben sich vor allem daran gestört, dass sich die ANC Youth League, die Jugendorganisation der Regierungspartei, an einem Konsortium beteiligt hat, das an der Ausschreibung für eine Jugendbesserungsanstalt teilnahm. Die Oppositionspolitiker stellten die Transparenz des Ausschreibungsverfahrens in Frage und äußerten die Befürchtung, die Youth League wolle sich auf diese Weise an Staatsgeldern bereichern. Die Gesetze schließen nicht aus, dass sich eine politische Organisation an der Ausschreibung für private Gefängnisse beteiligt. Es besteht allerdings die Gefahr, dass eine solche Beteiligung dazu führt, dass die Organisation eine härtere Linie in der Strafvollzugspolitik einschlägt zum Nutzen der eigenen Interessen als Betreiber eines Gefängnisses. Da die südafrikanische Öffentlichkeit härtere Strafen und längere Gefängnisaufenthalte fordert, ist die Versuchung für politische Parteien ohnehin groß, diese Richtung einzuschlagen. Allerdings muss man der ANC Youth League zugestehen, dass es ihr Anliegen ist, sich für die Bedürfnisse und Rechte der Jugendlichen im Land einzusetzen. Dazu gehört auch die Förderung von Jugendbesserungsanstalten und -programmen, bei der die Youth League auf die Beteiligung des Privatsektors setzt.
Die Einführung von privaten Gefängnissen könnte das südafrikanische Gefängniswesen in zweierlei Richtungen verändern: Einerseits könnten die privaten Haftanstalten Effektivität, Sicherheit und Technologie auf internationalem Niveau einführen. Dies könnte sogar dazu führen, dass auch staatliche Gefängnisse ihre Leistungen verbessern, um mit den privaten Gefängnissen konkurrieren zu können. Andererseits besteht die Gefahr, dass Privatinteressen den Gefängnissektor dominieren und alternative Formen der Bestrafung abblocken. Südafrika hat eine extrem hohe Rückfallquote unter entlassenen Gefangenen sie liegt bei etwa 70 bis 80 Prozent. Dieses Problem könnte in den Hintergrund gedrängt werden, wenn Firmen den Bau immer neuer Gefängnisse und die Inhaftierung von immer mehr Menschen zur Priorität erheben. In den Vereinigten Staaten ist die Gefängnisindustrie bereits ein wichtiger Wirtschaftszweig, und es ist denkbar, dass Südafrika zu einem neuen Investitionsfeld für amerikanische Großkonzerne werden könnte.
Aber möglicherweise ist jede Form, Südafrikas furchtbares Gefängnissystem zu verbessern, besser als die Beibehaltung des Status quo. Denn die schlimmsten Verhältnisse in den Gefängnissen Europas und der USA sind im Vergleich zu denen in Südafrika immer noch paradiesisch.
aus: der überblick 01/2000, Seite 54
AUTOR(EN):
Julie Berg:
Julie Berg arbeitet an der juristischen Fakultät der Universität Kapstadt an einer Doktorarbeit über die Privatisierung von Gefängnissen in Südafrika.