Der Traum vom anderen Tod
Die Bestattungs- und Trauerkultur in Deutschland erlebt zur Zeit einen Wandel. Längst haben die christlichen Kirchen nicht mehr das Monopol für Beisetzungsfeiern. Kirchliche Rituale verlieren an Bedeutung. Immer häufiger werden anonyme Beisetzungen in gemeinschaftlicher Anlage auf grünem Rasen gewählt. Es entwickeln sich neue Bestattungsformen, deren Kennzeichen die individuelle Gestaltung ist.
von Renate Giesler
Ortstermin auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf: Morgens in aller Frühe schreiten Friedhofsangestellte mit Urnen zum Rasenhain. Ohne Zeremonie und ohne Beisein von Angehörigen findet die Beisetzung statt. Zwar notiert die Friedhofsverwaltung den genauen Ort, die Grabstelle jedoch ist nicht markiert. Die Urnen - ganz selten auch Särge - werden dicht an dicht als Reihengrabstelle in die Erde gesetzt. Kein Kreuz, kein Stein mit Inschrift erinnert an den Toten - Hinweise auf Familienangehörige fehlen. Von den rund 6000 Bestattungen, die jährlich auf dem größten Parkfriedhof Europas stattfinden, sind etwa 70 Prozent Feuerbestattungen und gut ein Drittel davon sind anonyme Urnenbeisetzungen.
In den vergangenen 15 Jahren hat die Zahl anonymer Beisetzungen erheblich zugenommen - allerdings überwiegend im Norden und in Städten. Sie ist eher in protestantischen denn in katholischen Regionen üblich. In München sind es sieben Prozent, die sich für die namenlosen Gemeinschaftsfelder entscheiden. In Berlin geht der Trend deutlich zur Anonymität, dort findet jede zweite - in Hamburg und Lübeck jede vierte - Beerdigung frühmorgens ohne Anwesenheit von Angehörigen statt. Immer mehr Bestatter weisen darauf hin, dass es infolge dieser kostengünstigeren und entsymbolisierten Variante zu erheblichen Problemen bei der Trauerbewältigung kommen kann. Es gibt keinen erkennbaren Ort mehr, wo man der Verstorbenen gedenken kann.
"Friedhöfe werden sich grundlegend verändern", stellt der Kulturhistoriker und Trauerforscher Dr. Norbert Fischer fest. Die "Grabmal-Landschaft" wird es künftig kaum noch geben, Friedhöfe werden grüne Wiesen. In den westlichen Bundesländern ist diese nüchterne Form erst seit den siebziger Jahren üblich. In der DDR entsprach sie dem Verständnis einer kollektiven Bestattung. Folglich haben die namenlosen Gemeinschaftsfelder in den neuen Bundesländern einen hohen Anteil: in Chemnitz 70 Prozent, in Leipzig und Erfurt jeweils 50 Prozent.
Anonyme Beisetzungen sind in der Regel keine Sozialbestattungen, das haben Untersuchungen der Jenaer Kulturwissenschaftlerin Dr. Barbara Happe ergeben. Es sind eher Menschen mit höherem Bildungsstand und damit auch mittlerem bis oberem Einkommen, die sich für diese Namenlosigkeit entscheiden. Der Trend zur Anonymität ist Ausdruck einer weithin säkularisierten gesellschaftlichen Realität. Immer mehr Menschen leben allein, sind im Alter gesellschaftlich isoliert. Auch spielen in Familien Rituale eine immer geringere Rolle. Eltern wollen ihre Kinder nicht mit der Grabpflege belästigen, der Friedhof als Ort des Gedenkens an die Toten rückt aus dem Bewusstsein.
Gegenwartsbezogen und damit im gesellschaftlichen Kontext weitgehend gedächtnislos - so beschreiben Sozialwissenschaftler die Entwicklung. Fischer erinnert jedoch daran, dass bereits im späten 18. Jahrhundert der 1787 eröffnete "Neue Begräbnisplatz" in Dessau über eine namen- und zeichenlose Rasenfläche verfügte. Sie galt, so der Kulturhistoriker, damals als Modell eines aufgeschlossenen und modernen Friedhofs und entsprach dem Ideal von sozialer Gleichheit und Naturästhetik: Im Tod sollen alle gleich sein. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Friedhofsreformbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Einfluss auf die Grabmalgestaltung nahm, um zukünftig auf dem Ort der letzten Ruhe die sozialen Unterschiede der Familien weniger deutlich werden zu lassen. Größe, Material, Formen und Schmuckornamente wurden reglementiert, repräsentative Grabstätten galten als unerwünscht.
Gegenwärtig ist wieder ein Wandel zu beobachten. "Wir befinden uns in Deutschland und den angrenzenden Ländern in einer Experimentierphase, vor allem was die Trauerrituale betrifft", bestätigt Professor Reiner Sörries, Direktor des Museums für Sepulkralkultur. Hinterbliebene und Freunde der Verstorbenen wollen Einfluss nehmen auf die Trauerfeier. Der Wunsch von Konfessionslosen, später nicht als EDV-Nummer lieblos entsorgt zu werden, motiviert immer mehr Menschen, sich Gedanken über das eigene Ableben zu machen. Die Immunschwächekrankheit Aids hat den Tod im Alltag vieler junger Menschen präsent werden lassen. Gerade sie wollen einen anderen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Angehörigen und Freunde - oft Mitglieder von Selbsthilfegruppen - legen Wert auf eine würdevolle Zeremonie. Der Verein "Memento" hat auf dem Ohlsdorfer Friedhof große, aufwändig gestaltete Grabstätten ehemals wohlhabender Hamburger Familien übernommen und sie als Gemeinschaftsgrabstätten für Aids-Tote eingerichtet.
Tod und Trauer, vor wenigen Jahren noch Tabu-Themen, halten Einzug in Talkshows, füllen Zeitungsseiten und sind Anlass, sich in Form von Seminaren und Tagungen mit der neuen Kultur im Umgang mit dem Tod zu beschäftigen. Schulklassen malen in Projektwochen schlichte Holzsärge an, eine Annäherung an das Thema Abschied nehmen. Statt klassischer Kirchenlieder erklingt in perfekter Tonqualität aus dem CD-Player der Friedhofskapelle Time to say good bye von Andrea Boticelli oder I wish you where here von Pink Floyd. Die Musik soll Gefühle auslösen, wenn schon die Worte des Geistlichen oder des Grabredners nicht mehr mitten ins Herz treffen. Das Münchner Bestattungsamt hält etwa 5000 CD-Titel vorrätig. Um den Prozess auch bis zum letzten Moment zu verfolgen, haben Experten in Halle ein Flamarium entwickelt, bei dem die Trauerden durch eine Glasscheibe die Einäscherung beobachten und der Verbrennungsvorgang ganz in die Trauerfeier mit einbezogen wird. Eine neue Technik gewährleistet, dass die Aschereste vollständig in der Urne beigesetzt werden können.
"Bleiben Sie sich treu", ermuntert Deutschlands führendes Bestattungsunternehmen, Ahorn-Grieneisen in Berlin, die Bürger zum individuellen Begräbnis: sei's eine Bestattung im Taucheranzug oder im Beisein des Lieblingswellensittichs. Noch kann nicht von einem Trend gesprochen werden, es ist lediglich eine Tendenz in Richtung Individualisierung. Aber das Bedürfnis wächst, Trauerfreier und Begräbnis selbst zu gestalten und dabei alte Rituale zu beleben, Teile zu verändern oder Rituale anderer Kulturen zu adaptieren. Einzelne, die sich bewusst mit dem Thema Tod auseinandersetzten, planen sogar bis ins Detail die eigene Trauerfeier, fern von Moral und Pietät, Vernunft und Recht. Reglementierungen sind unerwünscht.
Claudia Marschner veröffentlichte jüngst ihre Erfahrungen als Berliner Event-Bestatterin. "Bunte Särge" lautet der Titel - und die sind auch ihr Markenzeichen. Zum "Traum vom anderen Tod" gehört auch die Nachsorge und das Gedenken an die aus dem Leben Geschiedenen. Norbert Fischer beobachtet, dass Sterben, Tod und Trauer zunehmend als ganzheitliches Phänomen betrachtet werden. Die wichtigsten Bausteine dieses neuen Umgangs mit dem Tod lassen sich mit den Stichwörtern 'Selbstbestimmung', 'Anteilnahme' und 'kulturelle Kreativität' benennen. Gefühle werden heute mehr geäußert. Vor allem dort, wo der Tod große Betroffenheit auslöste, wird versucht, Einfluss auf die Gestaltung der Trauerfreier zu nehmen.
In der historischen Entwicklung wurden Tod und Trauer in einzelne Segmente zerlegt. Weltliche Instanzen drängten sich in die ureigene Domäne der Kirchen, der Tod wurde zum Dienstleistungsgeschäft: Krankenhäuser, Pflegeheime, Bestattungsunternehmen und Friedhofsbürokratie achten auf Hygiene und Effizienz. "Waschen, anziehen, betten - und das in drei Minuten; eine unwürdige Hast", empört sich die Bremer Kulturwissenschaftlerin und freiberufliche Bestatterin Cordula Caspary. Die Eile und die Zerlegung des Todes in funktionale Einzelelemente stören nicht nur sie. Durch die Konfrontation mit fremden Bestattungskulturen durch Reisen und durch Kontakte mit Migrantinnen ist das Interesse an würdevolleren Formen des Abschiednehmens geweckt worden. Diese Ansicht teilt auch der "Verband Deutscher Bestattungsunternehmen" (VDB).
Den größten Besucherandrang erlebte das Museum für Sepulkralkultur in Kassel, das einzige dieser Art in Deutschland, bei einer Präsentation von Designersärgen aus Ghana (vergl. "der überblick" 1/2000). Regelmäßig fragen Besucher, warum in der ständigen Ausstellung keine Beispiele vom Umgang mit Tod und Trauer aus Ländern des Südens gezeigt werden. "Afrikaner, die können noch trauern", diesen Satz hört Cordula Caspary oft. Ausländische Mitbürger werden beneidet, weil sie intensiv und kollektiv um einen Verstorbenen weinen und laut klagen können. Die Bestattungszeremonie in Ghana dauert drei Tage und Nächte, bei den Russlanddeutschen sind es "nur" noch vier Stunden; in Deutschland ist sie in der Regel nach 15 bis 20 Minuten beendet.
Früher war der Sterbevorgang auch in Deutschland ins Leben eingebunden. Die letzten Tage wurden im Kreise der Familie erlebt, die Aufbahrung der Toten erfolgte im Haus und mindestens drei Tage lang konnte Abschied genommen werden. Freunde und Nachbarn trugen den Sarg vom Trauerhaus zum Friedhof - in einigen ländlichen Gemeinden wird das heute noch praktiziert. Der anschließende Leichenschmaus war Entgelt für die Gebete und Beistand und diente zugleich dem familiären Zusammenhalt. Heute aber sterben die meisten Menschen im Krankenhaus, im Alters- oder Pflegeheim. Ein würdevoller Abschied ist vielfach nicht möglich.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist mit dem schwindenden Einfluss der Kirchen die seelische Verarbeitung des erlittenen Verlustes sehr viel schwerer geworden, weil die tröstende und helfende Begleitung fehlt und viele Hinterbliebene von einem Gefühl großer Leere erfasst werden. "Familienverbände engagieren sich nicht mehr so wie früher. Wir Bestatter sind heute die Krisenagenten Nummer eins", definiert Peter Kracheletz seine Rolle. Er ist in der dritten Generation Bestatter in Kassel - und im Nebenberuf Diakon. "Von Anfang an wollte ich mehr tun, als nur die Toten fachgerecht unter die Erde zu bringen", sagt er. Wird zum Beispiel der Tod im Krankenhaus festgestellt und wird er mit der Bestattung beauftragt, so informiert Kracheletz die Angehörige über die Möglichkeit, zu Hause in Ruhe von dem Verstorbenen Abschied nehmen zu können. Einzige Bedingung: Es muss in den ersten 36 Stunden nach dem Ableben geschehen. Der Bestatter leistet neben der klassischen Dienstleistung auch Trauerbegleitung in allen Phasen. Er besuchte Kurse bei dem aus Griechenland stammenden Trauer-Agogen Jörg Canacakis, einem Fachmann für die individuelle Gestaltung der Zeit und Art der Trauer, um den Hinterbliebenen besser zur Seite stehen zu können. Kracheletz richtete über den Geschäftsräumen eine Begegnungsstätte ein und gründete zusammen mit einem Pfarrer eine Selbsthilfegruppe für Trauernde. Mit interessierten Kollegen reiste er nach Frankreich und England, um dortige Rituale und Bräuche zu erkunden. Diese Art der Tätigkeitserweiterung ist für ihn eine Konsequenz der gesellschaftlichen Veränderungen.
Mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht begann 1794 die staatliche Reglementierung. Heute ist es Sache der Länder, auf unterer Ebene greifen kommunale Satzungen. Was in Bremen möglich ist, muss nicht für Bayern gelten. Dennoch bleibt vieles möglich. Cordula Caspary hat sich nicht nur mit Bestattungsritualen anderer Kulturen beschäftigt, sie studierte Bestattungs- und Gräbergesetze sowie das Gesetz über die Feuerbestattung. Nicht alles ist geregelt, es gibt Spielraum für individuelle Gestaltung. Die freiberufliche Bestatterin setzt sich dafür ein, dass Menschen nicht-deutscher Herkunft ihre Angehörige nach ihren kulturellen Vorstellungen beerdigen können. Sie arbeitet mit einer Floristin aus Ghana zusammen. "Das Wissen um alte Rituale, um fremde Kulturen und Religionen ist hilfreich in der Auseinandersetzung mit dem Tod", sagt Cordula Caspary. In Vorträgen und im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen wirbt sie für mehr Achtsamkeit und Respekt im Umgang mit den Toten und den Trauernden. Die Abschiedsfeier muss nicht wie am Fließband im 20-Minuten-Takt ablaufen. Sie kann so einzigartig gestaltet werden, wie der Verstorbene war und wie es die Angehörigen wünschen. Warum nicht den Toten, wie es zum Beispiel früher üblich war, selbst waschen und ihm eigene Kleidung anziehen? Die Bremer Bestatterin will Mut machen, die Zeit zwischen Sterben und Bestattung selbst zu gestalten.
Ein paar Dinge sind in Deutschland trotz jüngster Liberalisierung nicht erlaubt: Angehörige dürfen den Toten nicht - wie in Ghana - durch die Straßen tragen, damit er Abschied von seiner alten Schule, dem Sport- oder Arbeitsplatz nehmen kann. Eine Überführung muss mit dem Leichenwagen erfolgen - und den haben die meisten Angehörigen nicht. Im Frankfurter Raum vermietet inzwischen eine Autovermietungsfirma Leichenwagen an Privatpersonen. Weiterhin muss ein Sarg verwendet werden, wobei in Hamburg, Essen und Aachen Muslime auch im Leinentuch bestattet werden dürfen. In den Sarg oder das Grab darf nichts, was der Umwelt schadet. In der Schweiz dürfen Grabsteine durch Bäume ersetzt werden, in Deutschland nicht. Verboten ist die Aufbewahrung der Asche Verstorbener im eigenen Garten oder im Wohnzimmer. In Dänemark und Holland ist das möglich.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat jüngst einen Gesetzentwurf für ein neues Bestattungsgesetz vorgelegt (er befand sich bei Redaktionsschluss in der dritten Lesung), um Möglichkeiten für zeitgemäße Bestattungsformen zu eröffnen. Friedhofsträgern soll es überlassen sein, auf den Sargzwang zu verzichten (wie es in Hamburg bereits der Fall ist). Die Toten-Asche soll auf einem besonderen Feld des Friedhofs verstreut werden dürfen, wenn der Verstorbene dies testamentarisch verfügt hat.
Mittlerweile, so Norbert Fischer, wird der Friedhofszwang ausgehöhlt. Im Reinhardswald, nördlich von Kassel, ist es seit November 2002 möglich, Urnen unter Bäumen zu bestatten. Die Idee des sogenannten "Friedwaldes" kommt aus der Schweiz. Im Internet gibt es bereits "virtuelle Friedhöfe". Deren Betreiber versprechen, "jederzeit und überall auf der Welt" könne nun an den Verstorbenen gedacht und die Erinnerung an ihn durch Filme und Texte wachgehalten werden. Auf dem Bildschirm erscheint zuerst eine künstliche Säulenhalle, von Engeln umkränzt. Nach einem Mausklick erscheint das Angebot der Halle der Erinnerung. Wer bereit ist zu zahlen, der kann dem Verstorbenen ein virtuelles Denkmal mit eigener Internet-Adresse setzen. Die Wünsche werden immer ausgefallener und die Angebote immer kurioser - bis hin zur Weltraumbestattung. Dabei wird mit einer Rakete ein Bruchteil der Asche, in das All befördert. Jedes Experiment kommt an seine Grenzen. Als Gegenbewegung, so prognostiziert Reiner Sörries, werden sich andere wieder strengere Regeln geben.
BestattungsformenAuch eine Frage der WirtschaftlichkeitIm Mittelalter beerdigte man die Toten in Deutschland noch auf dem Kirchhof, die Auslagerung begann im 16. Jahrhundert (Reformation). Seuchen- oder Soldatenfriedhöfe wurden bewusst außerhalb der Städte angelegt. Im 18. Jahrhundert entstanden mehr und mehr staatliche Friedhöfe am Rande der Ortschaften, auch setzten sich die Einzelgräber durch. In der Regel dürfen Tote nicht außerhalb von Friedhöfen beigesetzt werden, in ganz Deutschland besteht noch Bestattungs- und Friedhofszwang. Die moderne Feuerbestattung (Einführung im späten 19. Jahrhundert) und der Bau von Krematorien entstammt dem Industriezeitalter, sie sind Ausdruck des technisierten Umgangs mit den Toten. Die Bestattung konnte beschleunigt und effizienter gestaltet werden. Die Einäscherung gilt als hygienischste, raumsparende und kostengünstigste Variante. Die Art und Weise der Bestattung bestimmen die Hinterbliebenen. Sie sind auch für Unterhalt und Pflege der Grabstätte zuständig und haben per Gesetz das Recht und die Pflicht der Totenfürsorge. Die Kosten für die Beisetzung tragen die Erben. Diese müssen nicht unbedingt die nächsten Angehörigen sein. Etwa 60 Prozent aller Bestattungen sind, nach Angaben des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur Erdbestattungen. Von den rund 40 Prozent Feuerbestattungen sind die Hälfte anonyme Bestattungen. Ein Sonderfall der anonymen Aschebeisetzung ist die Seebestattung, bei der die Asche in einer seewasserlöslichen Urne auf hoher See von einem Schiff aus versenkt wird. Jährlich werden etwa 5000 Seebestattungen durchgeführt, das entspricht einem Anteil von 0,5 Prozent an den Gesamtbestattungen. In Rostock, auf dem Westfriedhof, und in Berlin gibt es Asche-Streuwiesen. Im Beisein der Angehörigen wird die Asche des Verstorbenen verstreut. Überwiegend freigeistige Menschen wählen diese Form, bei der die Asche komplett unter ein Stück Grassode gegeben wird. Die Totenruhe ist auf den circa 30.000 kirchlichen und kommunalen Friedhöfen zeitlich begrenzt. Nach etwa 20 bis 30 Jahren wird, wenn keine Verlängerung beantragt und bezahlt wird, die Grabstätte aufgehoben. In München ist die Mindestnutzungsdauer sieben Jahre, dafür sind Grabnutzungsgebühren in Höhe von rund 135 Euro für ein Urnenreihengrab und 190 Euro für ein Erdreihengrab zu zahlen. Friedhöfe sind Wirtschaftsbetriebe, obwohl in Deutschland die Kirchen und die Gemeinden dafür zuständig sind. Weil immer mehr Menschen sich verbrennen lassen, Urnengräber und Kolumbarien, eine Kapelle mit Nischen für Urnengefäße, weniger Platz brauchen, sind bereits bestehende Friedhöfe oft zu groß konzipiert. Die Kosten, auch die für die Gestaltung der Grünflächen, werden auf alle Nutzer umgewälzt. Ohlsdorf, der größte Parkfriedhof der Welt, stellt 358 Euro für die Unterhaltung in Rechnung. Die Kosten für eine Bestattung betragen rund 5000 Euro. Zu Beginn des Jahres 2003 wurde das Sterbegeld für Krankenkassenmitglieder auf 525 Euro und für mitversicherte Familienmitglieder auf 262,50 Euro halbiert. So genannte Discountbestatter bieten schon zum Pauschalpreis von 995 Euro eine Bestattung an, allerdings zuzüglich amtlicher Abgaben und Friedhofsgebühren. Die liegen in der Freien und Hansestadt Hamburg für ein einfaches Sarggrab bei 825 Euro bei einer Überlassungszeit von 25 Jahren. Hinzu kommt die Gebühr für die Unterhaltung der Friedhofsanlage, Kosten für die Beisetzung des Sarges, für Nutzung der Verstorbenenhalle und Kapelle für die Trauerfeier von insgesamt 1124 Euro. Für die Beisetzung im Urnen-wahlgrab sind in Hamburg insgesamt 1399 Euro (ohne Kapellennutzung) zu zahlen. Eine anonyme Grabstätte kostet 360 Euro plus insgesamt 777 Euro für die Einäscherung, die Beisetzung der Urne und die Gebühr für die Friedhofsunterhaltung. Der Platz für eine Urne im Kolumbarium kostet in Ohlsdorf 2600 Euro. Renate Giesler |
aus: der überblick 02/2003, Seite 37
AUTOR(EN):
Renate Giesler:
Renate Giesler ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet alsfreie Journalistin in Hamburg.