Mit klaren Positionen kann man Sympathisanten gewinnen
Ein Gespräch mit Klaus Rieth
Klaus Rieth ist Journalist und Theologe, hat nach dem Studium sowohl ein
Vikariat als auch ein Volontariat gemacht und war dann als freier Journalist
vor allem im Radiobereich sowie für den Evangelischen Pressedienst und
eine Kirchenzeitung tätig. Anschließend wurde er
stellvertretender Chefredakteur einer evangelischen Wochenzeitung in der
Schweiz. Seit sechs Jahren ist er für die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit der Ökumenischen Diakonie im Diakonischen Werk
der EKD in Stuttgart verantwortlich.
von Frank Kürschner-Pelkmann
In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Organisationen stark gestiegen, die sich um Spenden bemühen. Welche Auswirkungen hat das für die Spendenwerbung und Öffentlichkeitsarbeit von Brot für die Welt?
Wir merken immer deutlicher, dass wir uns auf einem öffentlichen Markt mit der dazugehörigen Konkurrenz bewegen. Wir müssen uns dieser Konkurrenz stellen, müssen uns also intensiv um das Fundraising, das professionelle Spendenwerben, kümmern und ganz gezielt Medienauftritte planen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Redaktionen bei uns anrufen, wenn sie etwas wollen, sondern wir müssen auf die Medien zugehen. Ganz wichtig ist, welche "visibility" man in der Öffentlichkeit hinterlässt: Welcher Eindruck bleibt? Wie stark wird der Name Brot für die Welt wahrgenommen?
Eine Form der Medienpräsenz sind Fernsehgala-Programme. Zu welchen Bedingungen sind selche Programme möglich und welche Erfahrungen haben sie dabei gemacht?
Wir haben mittlerweile drei Gala-Programme gemeinsam mit dem ZDF produziert. Dass wir die Sendezeit zur Verfügung gestellt bekommen haben, hat damit zu tun, dass wir diese Programme gemeinsam mit Misereor gemacht haben. Diese Sendungen sind für uns grundsätzlich kostenlos, wir zahlen also nichts für die Sendezeit. Die Zusammenarbeit mit dem ZDF ist sehr erfreulich, und für uns ist dies eine einmalige Chance, eine bestimmte Zielgruppe von Brot für die Welt-Spenderinnen und -Spendern, aber auch von Interessierten zu erreichen. Dies ist vor allem die Zielgruppe ab Fünfzig. Es sind Menschen, die ein sehr starkes Interesse am Thema haben und sich in solchen Sendungen melden. Und es ist eine Möglichkeit, unsere Projektarbeit sehr gut und professionell darzustellen, wobei wir hier sehr eng mit den Auslandsredakteuren des ZDF zusammenarbeiten.
Wie hoch sind die Spendeneinnahmen aus solchen Programmen?
Das finanzielle Ergebnis solcher Sendungen steht für uns nicht im Vordergrund. Bei den vergangenen Sendungen haben wir im Durchschnitt etwa eine Million Mark Spenden bekommen. Davon bleibt je eine halbe Million für Brot für die Welt und Misereor. Das ist ein sehr achtbarer Erfolg, aber noch viel wichtiger für uns und auch für das ZDF ist, dass viele Menschen mit unseren Anliegen in Berührung kommen, informiert werden und erfahren, dass es Brot für die Welt gibt und wie wir arbeiten.
Es gibt immer wieder Debatten darüber, ob man Bewusstseinsbildung und Spendenwerbung miteinander verbinden kann. Ist es mit Blick auf die Spendenwerbung nicht kontraproduktiv, wenn man versucht, kritische Inhalte zu vermitteln?
Beides muss zusammengesehen werden. Das eine ohne das andere ist gar nicht
möglich. Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen. Im
Frühjahr gab es Diskussionen darüber, ob Fleisch, das im Rahmen der
BSE-Krise bei uns nicht zu verkaufen war, nach Nordkorea gegeben werden sollte.
In dieser Diskussion hat Brot für die Welt eine sehr eindeutige Position
eingenommen. Wir haben dies abgelehnt, weil wir gesagt haben, dass der Hunger
in Nordkorea nichts damit zu tun hat, dass in Deutschland
Marktbereinigungsmaßnahmen unternommen werden müssen.
Viele Spenderinnen und Spender haben uns angerufen und gesagt: Das sehen wir
nicht ein, wenn in Deutschland in so großem Stil geschlachtet wird, dann
kann man doch wenigstens diesen armen Menschen helfen. Gleichzeitig bringt aber
eine solche klare Position auch neue Sympathisanten und Spender, so dass am
Schluss der Eindruck entsteht, der für uns in der
Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist. Es kann also sein, dass kurzfristig
Menschen abspringen, gleichzeitig aber neue Interessierte und Sympathisanten
hinzukommen.
Sie haben vor drei Jahren Eine-Welt-Projekte ins Leben gerufen, also Projekte, die eine Inlands- und eine Auslandskomponente haben. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesen Projekten gemacht?
Die Erfahrungen sind durchweg positiv, wobei der Gedanke von Eine-Welt-Projekten schon sehr viel älter als drei Jahre ist. Wir haben auch vorher Projekte gefördert, die auch Auswirkungen im Norden und auch Komponenten im Norden hatten. Die Eine-Welt-Projekte waren also nichts ganz Neues, aber wir haben sie ins Leben gerufen, um auch einer breiteren Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass alles Engagement im Süden immer auch einen Aspekt im Norden hat und dass unsere Verhaltensweisen ganz eng mit der Situation der von uns Geförderten im Süden zusammenhängen. Wir haben eine Untersuchung machen lassen, und die hat uns bestätigt, dass die deutsche Öffentlichkeit bereit ist, für die Nord-Komponenten dieser Projekte zu spenden.
Wie sehen die praktischen Erfahrungen mit diesen Projekten aus?
Die Eine-Welt-Projekte, die wir gezielt der Öffentlichkeit vorgestellt haben, haben zu guten Spendenergebnissen geführt. Da haben die Menschen verstanden, worum es geht. Ein Beispiel ist unser Projekt "Teppichkinder". Immer mehr Gemeinde- und Initiativgruppen beschäftigen sich mit diesem Thema, so dass wir unsere Informationsmaterialien schon mehrmals nachdrucken mussten. Andere Projekte, bei denen wir zum Beispiel die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit anderen Organisationen, die wir fördern, überlassen haben, sind nicht so gut gelaufen. Wir haben festgestellt, dass dann, wenn wir nicht intensiv in der deutschen Öffentlichkeit für solche Projekte werben, auch der Rücklauf spärlicher ist.
Es gibt die These, dass das entwicklungspolitische Interesse in Deutschland nachgelassen hat. Ist das nach Ihrer Beobachtung der Fall?
Ich stimme dieser These nicht zu. Es gibt sehr viele Kolleginnen und
Kollegen in den Medien, die dieses Thema hochkompetent bearbeiten. Ich bin in
der Auswahljury für den Journalistenpreis, den das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung jährlich vergibt,
und wenn ich sehe, wie viele Einsendungen dort jedes Jahr zusammenkommen, merke
ich, dass wir uns gar kein Bild davon machen, was alles in diesem Bereich
publiziert wird. Ich denke, dass es wichtig ist, dass man diese Journalistinnen
und Journalisten weiter fördert.
Von einem zurückgehenden Interesse kann ich auch nicht reden, was die
Anrufe bei Brot für die Welt betrifft. Das Interesse ist ungebrochen,
über unsere Arbeit informiert zu werden. Es gibt auch viele Menschen, die
sagen: Wir wollen aktiv tätig werden, wir wollen euch nicht nur mit Geld
unterstützen, sondern sind bereit, für ein halbes oder ein Jahr in
ein Land des Südens zu gehen und dort mitzuarbeiten.
Eine Gruppe die sich vermehrt bei uns meldet, sind Schulklassen, die
Material zu einem Thema haben möchten. Das ist auch eine Frucht der
Bildungsarbeit und der Aufnahme dieser Themen in die Lehrpläne. Wir sind
mit entwicklungspolitischen Themen in den Lehrplänen präsent, und ich
hoffe, dass wir das in Zukunft noch mehr ausbauen können.
Was tut Brot für die Welt darüber hinaus, um Jugendliche zu erreichen?
Speziell für Jugendliche haben wir Events geschaffen, wie zum Beispiel
die Aktion "Bike and Help". In diesem Jahr sind 400 meist junge Leute
mit dem Fahrrad zum Kirchentag gefahren und haben sich die Kilometer sponsern
lassen. Dass in diesem Jahr so viele junge Leute dabei waren, zeigt uns, dass
wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir haben viel Geld in unseren Internet-Auftritt investiert und gemerkt,
dass dieses Angebot ein jugendliches Publikum anspricht. Ein drittes Beispiel:
Wir haben die Popsängerin Franziska Kleinert damit beauftragt, ein Lied
für Brot für die Welt zu komponieren. Sie hat dies getan, und wir
sind auf diese Weise auf einen Musikmarkt vorgedrungen, auf dem wir vorher
nichts zu suchen hatten. Das hat uns neue Interessenten gebracht.
Als Brot für die Welt gegründet wurde, gab es sehr wenige Verbindungen zwischen Gemeinden hier und Gemeinden in Übersee. Inzwischen gibt es sehr viele Partnerschaften, wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Es wirkt sich zum einen negativ aus, weil das Spendenergebnis von Brot
für die Welt nicht in dem Maße steigt, wie Menschen bereit sind,
Geld für Projekte in Übersee zu geben. Denn sie haben jetzt die
Möglichkeit, dieses Geld persönlich zu ihrer Partnergemeinde oder
ihrem Partnerprojekt zu bringen. Dank niedriger Flugpreise und der hohen
Verdienste bei uns nutzen immer mehr Menschen diese Möglichkeit. Die
Partnergemeinden, die das Glück haben, Geld aus Deutschland zu bekommen,
sind sehr privilegiert. Inhaltlich können wir nicht uneingeschränkt
hinter solchen Aktionen stehen, weil wir oft feststellen, dass sehr subjektiv
festgelegt wird, wofür das Geld verwendet wird und dass keine Konzeption
dahinter steht. Partner im Süden sagen, dass sie für dieses oder
jenes Vorhaben Geld haben wollen. Und die Gemeinde im Norden bezahlt dann genau
das, ohne rückzufragen, ob das Vorhaben nachhaltig ist, ob es gerecht ist,
wenn man die ganze Region anschaut, ob es denen zugute kommt, die am wenigsten
haben.
Das Positive an den Partnerschaften ist ein steigendes Interesse daran, zu
wissen, wohin das Geld genau geht. Da sind wir als Brot für die Welt in
der Pflicht, noch mehr zu informieren. Wir werden auch nicht darum herumkommen,
den Wunsch vieler Menschen, direkt in die Länder des Südens zu
fahren, mehr zu entsprechen. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren
eine Konzeption entwickeln, die eine Mischung aus dem berechtigten Wunsch
touristisch etwas Neues, vielleicht auch Exotisches zu erleben, damit
verbindet, persönliche Kontakte zu den Partnern zu bekommen und vom
eigenen Wohlstand etwas abzugeben an die, die wenig haben. Mit dem Konzept
sollen solche Bedürfnisse befriedigt und in richtige Bahnen gelenkt
werden.
Sie sind auch für die Öffentlichkeitsarbeit für die Diakonie Katastrophenhilfe verantwortlich. Ist die Spendenbereitschaft für Hilfe in Katastrophensituationen größer als für längerfristige Entwicklungsprogramme?
Diese Tendenz ist bei vielen anderen Hilfswerken in Deutschland zu sehen und
ist ein Grund dafür, dass viele Hilfswerke, die bislang nur langfristige
Entwicklungshilfe geleistet haben, jetzt anfangen, sich auch in der
kurzfristigen Not- und Katastrophenhilfe zu engagieren. Wenn Menschen im
Fernsehen Bilder einer Katastrophe sehen, sind sie sehr spontan bereit, Geld zu
geben. Das Elend, das gezeigt wird, rührt viele Menschen an. Das ist auch
gut so. Und auf diese Weise kann sehr viel Geld eingeworben werden.
Wir haben sehr treue und regelmäßige Spenderinnen und Spender
für die langfristigen Entwicklungsprojekte von Brot für die
Welt. Wir
haben in den letzten Jahren keinen Einbruch im Spendenaufkommen gehabt. Das
zeigt uns, dass Menschen in Deutschland bereit sind, für diese
langfristige und nachhaltige Entwicklungsarbeit Geld zu geben. Gleichzeitig
merken wir aber auch, dass bei der Diakonie Katastrophenhilfe vermehrt Gelder
eingehen, wenn wir in den Medien präsent sind. Deshalb werben wir für
beide Marken getrennt, machen aber gleichzeitig deutlich, dass beides unter
einem Dach ist und dass die Grenze immer fließender wird. Bei der
Katastrophenhilfe ist immer schon im Blick, dass langfristige und nachhaltige
Maßnahmen erforderlich sind. Und wir fördern eine langfristige
Entwicklungshilfe von Partnern, die viel Erfahrung in der kurzfristigen Not-
und Katastrophenhilfe haben. In Ländern wie Somalia und dem Sudan sind wir
immer in beiden Bereichen tätig. Auch in Nordkorea versuchen wir, beides
miteinander zu verbinden.
aus: der überblick 03/2001, Seite 126
AUTOR(EN):
Frank Kürschner-Pelkmann:
Frank Kürschner-Pelkmann ist Redakteur der FORUM-Seiten im überblick