Frühling der Gleichberechtigung
Die Frauenbewegung in Marokko entwickelt mit einer "Bürgerkarawane" neue Aktionsformen. Die Bürgerkarawane bringt Bücher in entlegene Dörfer und lehrt dort insbesondere Frauen das Lesen und Schreiben. Hauptziel der Karawane ist, ländlichen und städtischen Bürgerinitiativen ein Forum zum Informationsaustausch zu bieten und die städtischen Eliten für die Probleme, aber auch für die Kenntnisse der Landbevölkerung zu interessieren. Und gleichzeitig lernen die Frauen dabei, für ihre Rechte zu kämpfen.
von Martina Sabra
Wenn zur Mittagszeit in Marrakesch eine große Frau mit kurzen schwarzen Haaren auf dem Rennrad vorbeisaust, könnte es sich um die Buchhändlerin Jamila Hassoune handeln: Radfahren ist neben Bergwandern ihr Lieblingssport. Die 37jährige muss von Berufs wegen körperlich fit sein, denn sie verkauft nicht nur hinterm Ladentisch, sondern zieht mit ihren Büchern durch die Berge des Hohen Atlas. Viele Orte liegen mehrere Stunden zu Fuß von der nächsten Autostraße entfernt. "Die Bücher transportieren wir mit Mauleseln", erzählt sie mit einem schelmischen Lächeln, "aber ich selbst gehe lieber zu Fuß. Wenn Sie von einem Maultier herunterfallen, können Sie sich ganz schön verletzen."
Meist wandert Jamila zusammen mit ihrer jüngeren Schwester in die Berge: Buschra Hassoune, hauptberuflich Sachbearbeiterin bei einer Versicherung in Marrakesch, hat den Verein Ifarkhane Tizi 2000 (Kinder des Hügels) gegründet, dessen Mitglieder in mehreren Dörfern des hohen Atlas zusammen mit den Bewohnern dort Entwicklungsprojekte durchführen. "Viele Mädchen in den Dörfern sind täglich stundenlang unterwegs, um Wasser von der Quelle zu holen", erklärt Buschra Hassoune. "Wir haben als erstes Wasserleitungen verlegt, damit sie sich nicht den Rücken kaputtmachen und Zeit haben, Lesen und Schreiben zu lernen."
Jamila Hassoune liebte Literatur schon als Kind über alles. In der traditionellen Umgebung, in der sie aufwuchs, waren Bücher ihr Fenster zur Welt. Als sie vor zehn Jahren den Familienbetrieb übernahm, stand für die ausgebildete Kauffrau fest: Sie wollte nicht nur Bücher verkaufen, sondern auch die Lesekultur fördern. 1995 gründete sie den "Literaturclub für junge Leute auf dem Land". Zu den Mitgliedern zählen vor allem junge Lehrerinnen und Lehrer und bildungshungrige Jugendliche, die in Südmarokkos Dörfern teilweise sehr isoliert leben. Um herauszufinden, was die jungen Leute lesen wollten, befragte Jamila Hassoune insgesamt 1000 Menschen in fünf Dörfern rund um Marrakesch: "Ich war sehr berührt, als mir ein Jugendlicher sagte: wir hätten gern Bücher über Menschenrechte. Mir wurde klar: Er fragt danach, weil er dieselben Rechte wie die Jugendlichen in der Stadt haben will. Ich meine, wir müssen das Wissen demokratisieren und den Jugendlichen auf dem Dorf dieselben Chancen einräumen wie denen in der Stadt."
1996 war die Soziologin und Feministin Fatima Mernissi im Hohen Atlas unterwegs, um für die Weltbank über ländliche Entwicklung, Frauen und Demokratisierung in Marokko zu recherchieren. Fatima Mernissi stieß auf Jamila Hassounes Buchclub, war begeistert und schlug ihr ein gemeinsames Projekt vor: die Caravane Civique (Bürgerkarawane). Hauptziel der Karawane ist, ländlichen und städtischen Bürgerinitiativen ein Forum zum Informationsaustausch zu bieten und die städtischen Eliten für die Probleme, aber auch für das Know-how der Landbevölkerung zu sensibilisieren. Die Karawane bietet zum Beispiel medizinische und juristische Beratungen an. Bei jeder Karawane sind mindestens eine Juristin und eine Ärztin dabei, möglichst eine Gynäkologin. "Für die Mädchen auf den Dörfern ist das sehr wichtig, denn viele von ihnen haben noch nie in ihrem Leben eine Frauenärztin zu sehen bekommen", erklärt Buschra Hassoune.
Die erste Karawane fand 1999 statt. Mittlerweile ist die Karawane fünfmal aufgebrochen, und der Kreis derer, die mitziehen, wächst stetig. "Entweder wir fahren in den Hohen Atlas und organisieren Treffen mit Bürgervereinen, oder wir lassen die Leute vom Land nach Marrakesch kommen", erläutert Jamila Hassoune. Die Mischung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist mehr oder weniger zufällig: Männer und Frauen, die in Zagora am Rand der Sahara Bäume pflanzen oder in den Dörfern des Hohen Atlas Wasserleitungen verlegen, treffen sich mit Feministinnen und ehemaligen politischen Gefangenen aus Casablanca und Rabat; Lehrerinnen vom Land schreiben zusammen mit Literaturprofessorinnen, Ärztinnen und Rechtsanwältinnen Bücher über Märchen der Berber. "Das Wichtigste ist, dass die Menschen einander begegnen", sagt Jamila Hassoune. "Wir wollen die Gemeinschaften sichtbar machen und sie zusammenbringen, damit die Leute sich gegenseitig inspirieren und eventuell neue Projekte entstehen."
Die Caravanes Civiques sind Bestandteil eines langfristigen Kulturprojektes, das die Feministin und Schriftstellerin Fatima Mernissi ins Leben gerufen hat: Synergie Civique. Ob jemand mit der Karawane zieht, an Schreibwerkstätten teilnimmt oder Bio-Gemüseanbau unterrichtet, ist egal; Hauptsache, es nützt der demokratischen Kultur und dem Austausch zwischen Stadt und Land, und zwar in beiden Richtungen. Nejia Boudali, Geologieprofessorin und Vorsitzende eines feministischen Frauenberatungszentrums in Casablanca, erläutert: "In den Großstädten Marokkos leben viele Zuwanderer vom Land, vor allem in den Slums und den ärmeren Vierteln. Unser Frauen-Beratungszentrum zum Beispiel befindet sich in einem Unterschichts-Viertel, das zum Teil sehr dörflich strukturiert ist. Es ist nützlich zu erfahren, wie die Menschen in ihrem Dorf arbeiten, wie sie miteinander umgehen. So können wir gemeinsam Lösungen finden." Nejia Boudali war bisher zweimal mit der Karawane in Dörfern des Hohen Atlas: "Wir lernen dort Bescheidenheit, und wie man sich effizient organisiert. Im Süden gibt es sehr gut funktionierende Kooperativen. Ich habe sehr über die Frauen gestaunt: Sie haben bei einer Ehescheidung einen Anspruch auf die Hälfte der gemeinsam erwirtschafteten Güter. In Casablanca oder Rabat wäre das undenkbar."
Die Bürgerkarawanen stehen beiden Geschlechtern offen, aber die Karawane wird von Frauen organisiert, und auch das Gros der Teilnehmer sind bisher Frauen. Viele zählen sich zur säkularen Frauenbewegung, die seit zehn Jahren mit großer Ausdauer, Zähigkeit und Kreativität für eine Reform der Moudawana streitet. Die Moudawana ist das religiös begründete marokkanische Personenstands- und Erbrecht, das die Frauen massiv diskriminiert und benachteiligt. Das marokkanische Gesetz betrachtet Frauen lebenslang als minderjährig. Sie können nur mit schriftlicher Genehmigung des Vaters oder Bruders eine Ehe schließen. Ein Mann kann bis zu vier Frauen heiraten. Er braucht dazu nicht die Genehmigung der ersten Frau, sondern muss diese lediglich informieren. Männer können sich jederzeit scheiden lassen, indem sie dreimal die Auflösungsformel (tallaq) aussprechen. Frauen hingegen können sich nur unter sehr restriktiven Bedingungen scheiden lassen und sind nicht selten gezwungen, sich für teures Geld freizukaufen (khallaq). Manche Regeln sind besonders archaisch: Wenn eine Frau unverheiratet schwanger wird, gilt sie automatisch als Prostituierte und wird vor Gericht gestellt; der Mann macht sich theoretisch zwar auch strafbar, kommt aber meist ungeschoren davon, weil in Marokko keine DNA-Tests gemacht werden dürfen, um die Vaterschaft festzustellen.
Viele Frauen hatten gehofft, dass diese und andere Ungerechtigkeiten im Rahmen des "Nationalen Plans für die Integration der Frauen in die Entwicklung" beseitigt würden. Dieser Plan, der zwischen 1997 und 1999 von der marokkanischen Regierung zusammen mit internationalen Geldgebern und zahlreichen Frauenorganisationen ausgearbeitet worden war, sah neben Alphabetisierung und Infrastrukturmaßnahmen unter anderem die Abschaffung der Polygamie und die Einführung der gerichtlichen Ehescheidung vor. Der "Plan" (Al-Khutta) wurde im März 1999 dem Premierminister Abderrahmane Youssoufi und der Regierung vorgelegt. Doch die Islamische Bewegung machte gegen den "Plan" mobil, teilweise unterstützt von den Konservativen in Parteien und Regierung. Befürworterinnen des Plans wurden verbal und teilweise auch mit körperlicher Gewalt bedroht.
Auch Fatima Mernissi geriet ins Fadenkreuz konservativer Rechtsgelehrter. Im Juni 1999 gründeten die Reform-Frauenorganisationen ein Netzwerk zur Unterstützung des Plans. Rund 100 Einzelpersonen, Vereine und Institutionen bekannten sich zu den Reformvorschlägen. Doch den Islamisten und ihren konservativen Verbündeten gelang es, den Plan zu einem zentralen politischen Thema zu machen, und damit zahlreiche Anhänger zu mobilisieren. Die regierende Union der sozialistischen Volkskräfte (USFP), die sich bereits im Vorwahlkampf sah, wurde nervös. Als am 12. März 2000 in Casablanca rund 200.000 Islamistinnen und Islamisten in quasi-militärischer Formation aufmarschierten und mit Macht gegen den Plan demonstrierten - mit Parolen wie Verwestlichung, Neokolonialismus oder Verschwörung gegen den Islam -, ließ Premierminister Youssoufi (USFP) das Reformwerk in den Schubladen verschwinden. Gleichzeitig wurde die Gründung einer Regierungskommission angekündigt, die den Plan und die Reformvorschläge noch einmal diskutieren sollte. Unter deren insgesamt 20 Mitgliedern - fast sämtlich konservative Rechtsgelehrte - gab es nur fünf Frauen. Immerhin handelte es sich bei den Frauen um Juristinnen und Politikerinnen, die für ihre fortschrittlichen Ideen bekannt waren. "Aber", so erklärt Rukia, die in einer einflussreichen Reform-Frauenorganisation mitarbeitet, "wenn eine Kommission gegründet wird, heißt das bei uns in der Regel: das Thema ist ad acta gelegt." Tatsächlich tagte die Kommission kein einziges Mal.
Da die Regierung Youssoufi weder fähig noch gewillt schien, die überfälligen Rechtsreformen zu Gunsten der Frauen in Angriff zu nehmen, blieb nur noch die eine Möglichkeit, den König für die Sache zu gewinnen. Kraft Artikel 19 der marokkanischen Verfassung ist der König in der Lage, Gesetze auch ohne das Parlament zu erlassen und zu ändern. Außerdem ist der König in Marokko der höchste Rechtsgelehrte im Land. Die Annahme, König Mohammed VI. würde sich zu Gunsten der Frauen einsetzen, war durchaus begründet. Seit seiner Inthronisierung im Juli 1999 hatte der junge Monarch mehrfach kritisiert, dass in Marokko die Menschenrechte der Frauen missachtet würden. Er hatte mit Zulikha Nasseri zum ersten Mal eine Frau in den Kreis der königlichen Berater berufen, und eine Frau an die Spitze des strategisch wichtigen Bergwerksministeriums gesetzt: Amina Al-Khadra.
Anfang 2001 baten Vertreterinnen diverser Frauenorganisationen und prominente Expertinnen König Mohammed VI. um eine Audienz. Einige linke Parteien kritisierten dieses Vorgehen, da die Reform der Moudawana in ihren Augen eine Aufgabe der Regierung ist. Doch die Regierung unter Abderrahman Youssoufi ist nicht demokratisch legitimiert, und die Frauenorganisationen wollten nicht länger warten. Der Ruf der Reformerinnen war erfolgreich: Am 5. März 2001 empfing König Mohammed VI. eine Abordnung von Vertreterinnen der marokkanischen Frauenbewegung und wichtigen Einzelpersönlichkeiten. Wenige Tage später, am 16. März, gab der Palast die Einsetzung einer königlichen Kommission zur Reform der Moudawana bekannt, die unter anderem aus islamischen Rechtsgelehrten (Ulema) und Vertretern der offiziellen Menschenrechtskommission (CCDH) zusammengesetzt war. Unter den 19 Mitgliedern sind nur drei Frauen, davon eine Soziologin und eine Richterin.
Trotz des geringen Frauenanteils war die Einberufung der Kommission im Frühjahr 2001 ein Fortschritt. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen wurde die von Mohammed VI. einberufene königliche Kommission nämlich tatsächlich aktiv. Die Kommission befragte vom Frühsommer bis zum Winter 2001 nacheinander alle relevanten Vereinigungen, Initiativen, Einzelpersonen und Institutionen zur rechtlichen und sozialen Situation der Frauen in Marokko. "Die Vorbereitung auf diese Anhörungen war für uns sehr nützlich", sagt die Mitarbeiterin eines Frauenzentrums in Casablanca. "Manche Fragen waren allerdings sehr tendenziös. Wir wurden zum Beispiel gefragt, warum wir uns bei unserer Arbeit nicht auf das religiöse Recht, die Scharia beziehen, sondern auf internationale Konventionen zur Gleichstellung von Frauen."
Die Anhörungen durch die königliche Kommission führten zu einer ganz neuen Qualität der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Frauenorganisationen in Marokko. In früheren Jahren hatte es zwar immer wieder Koordinationsversuche zu zentralen Themen wie etwa dem Scheidungsrecht gegeben. Doch bei der Umsetzung in die Praxis waren die Organisationen regelmäßig an Grundsatzfragen - etwa ob der Islam als Bezugsrahmen anerkannt werden sollte - sowie an parteipolitischen, ideologischen oder persönlichen Differenzen gescheitert. Im Frühjahr und Sommer 2001 gelang es den marokkanischen Reform-Frauenorganisationen, diese Differenzen weitgehend zu überwinden. Neun Organisationen unterschiedlicher politischer und ideologischer Provenienz einigten sich auf eine weit reichende, gemeinsame Plattform mit dem Titel "Frühling der Gleichberechtigung" (siehe Kasten).
Dieses Memorandum wurde der marokkanischen Öffentlichkeit am 29. Oktober 2001 vorgestellt. Das Netzwerk der neun Reform-Frauenorganisationen appellierte gleichzeitig an die königliche Kommission, ihre Arbeit zeitlich zu begrenzen und möglichst bald die Ergebnisse zu präsentieren, damit das Thema nicht solange verschleppt würde, bis die Betroffenen mürbe sind und sich niemand mehr dafür interessiert.
Jamila Hassoune, die Organisatorin der Frauenkarawane, hat die Debatten über die Reform der Mudawwana aufmerksam verfolgt. Sie teilt die Forderungen der Frauenorganisationen, unterstreicht aber, dass Gesetze nur einen Teil der Probleme lösen. "Als moderne, emanzipierte Frau fühle ich mich nicht so unterdrückt. Was mich traurig macht, sind die vielen Frauen, die nicht einmal lesen und schreiben können. Wie sollen sie ihre Rechte kennen lernen, geschweige denn verteidigen? Ich kann mich wehren, weil ich das geistige Rüstzeug habe. Aber eine Frau ohne jede Bildung kann das nicht, sie ist mehr oder weniger schutzlos." Weil sie will, dass sich das ändert, unterstützt Jamila Hassoune den Bürgerverein Ifarkhane Tizi 2000, der in mehreren Dörfern des Hohen Atlas Alphabetisierungskurse für Frauen durchführt.
Neben dem Austausch zwischen städtischen und ländlichen Vereinen sind die zweite Stütze der Bürgerkarawanen die Schreibworkshops, die Fatima Mernissi leitet. Schreiben ist für Fatima Mernissi eine Voraussetzung für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und für die Demokratie. Dank der Schreibworkshops wurden in den letzten Jahren in Marokko mehrere wichtige Sammelbände zur Gewalt gegen Frauen veröffentlicht: unter anderem über den sexuellen Missbrauch von Mädchen und über weibliche politische Gefangene. Nejia Boudali, die Geologieprofessorin aus Rabat, wirkte an einem Buch über sexuelle Belästigung mit. Sie schrieb einen Essay über ihre Erfahrungen an der Fakultät, der großen Anklang fand. "Ich hatte zwar bisher wissenschaftliche Aufsätze veröffentlicht", erzählt sie, "aber ich hätte nie gedacht, dass ich literarische Texte schreiben könnte."
Das Buch ist bereits erschienen, aber sie nimmt trotzdem weiterhin an der Karawane teil, um über ihre Erfahrung zu berichten und um anderen Mut zu machen, ebenfalls zu schreiben. Viele, die etwas zu sagen hätten, trauen sich nicht, mit ihren Ideen in die Öffentlichkeit zu gehen. Marokko wurde vierzig Jahre lang extrem diktatorisch regiert. Autoritäres Verhalten, Machtmissbrauch und Misstrauen prägen die Gesellschaft. "Das hat auch mit unserer Kultur zu tun", erklärt Nejia Boudali. "Es gibt ein Sprichwort, das heißt: "Oh Gott, ich habe ich gesagt". Für mich bedeutet das: Wir haben in unserer Kultur gelernt, nie über uns selbst zu reden, nie offen zu sagen: "ich habe dies oder jenes geleistet". Dabei werde ich durch meine Arbeit und meine Texte als Individuum sichtbar. Aber unsere Kultur basiert sehr stark auf der Familie, auf der Gruppe. Das Individuum hat keinen Platz in der Gesellschaft."
Selbstvertrauen, kritisches Denken und Respekt vor dem Individuum - Fatima Mernissi, Jamila Hassoune und die anderen Reisenden der Bürgerkarawane haben eine kostbare Ware im Gepäck, die in Marokko zunehmend gefragt ist. Und die Karawane findet bereits Nachahmerinnen: In den Sommern der Jahre 2000 und 2001 zogen junge Feministinnen von der Demokratischen Liga für die Frauenrechte aus Casablanca und Rabat zu Dutzenden in die marokkanische Provinz. Sie stellten mitten auf dem berühmten Jmaa El-Fna-Platz in Marrakesch und in den Dörfern und Städten des Mittleren Atlas Zelte auf und informierten Landfrauen mit Engagement und Humor über ihre Rechte, über Gesundheit, Empfängnisverhütung und Bildung. Über fünftausend Frauen ließen sich beraten. Wann der Frühling der Gleichberechtigung in Marokko endlich anbricht - wer weiß. Die Bürgerkarawane jedenfalls wird ihre Reise in Richtung Reformen auf jeden Fall fortsetzen, und die Frauen haben den Kompass in der Hand.
BürgerkarawaneSchreiben ist MachtDas Schreiben war jahrtausendelang ein Monopol der Pharaonen, der Kalifen und ihrer Höflinge. Das Monopol auf das Schreiben, auf die schriftliche Kommunikation war eine der wichtigsten Methoden der Despoten, ihre Macht zu demonstrieren. Das Volk, verdammt zum Analphabetismus und zur Zensur, musste sich mit dem Zuhören begnügen, das heißt, passiv die Botschaften des Chefs zu konsumieren. Eine demokratische Nation erkennt man daran, dass auch die marginalisiertesten Bürger Zugang zur Kommunikation, und insbesondere zu den modernen Kommunikationstechniken haben." (Fatima Mernissi) "Die Globalisierung verwandelt unseren Planeten in ein digitales Dorf. Nur diejenigen, die die Kunst der Kommunikation und des Knüpfens von Netzwerken beherrschen, werden überleben. Die anderen werden verschwinden wie einst die Dinosaurier." (Fatima Mernissi, "Caravane Civique" 1999) |
aus: der überblick 04/2001, Seite 100
AUTOR(EN):
Martina Sabra:
Martina Sabra ist freie Journalistin. Sie befaßt sich vorwiegend mit Frauenalltag und Frauenbewegung in arabischen Ländern. Seit 1995 begleitet sie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Frauenprojekte in Nordafrika.