Fürstliche Hilfe
Er wird schon mal als “Papst” oder als “Kapitalist der Armen” bezeichnet. Denn Seine Hoheit Karim Aga Khan IV. ist nicht nur das geistige Oberhaupt der schiitischen Glaubensgemeinschaft der Ismailiten sondern auch Gründer und Vorsitzender der weltweit womöglich größten privaten Organisation für Entwicklungshilfe, dem Aga Khan Development Network (AKDN).
von Katrin Minarek
Acht verschiedene gemeinnützige und politisch unabhängige Einrichtungen arbeiten in einem Netzwerk zusammen: für Gesundheit und Bildung, ländliche und wirtschaftliche Entwicklung sowie für eine starke Zivilgesellschaft. Dazu gehört auch die Aga Khan Stiftung, die Projekte von nicht-staatlichen Partnern fördert und dort eigene Programme auf die Beine stellt, wo es noch keine Partner gibt. Gläubige Ismailiten spenden zehn Prozent ihres Einkommens an die Stiftung. Zuschüsse von internationalen Geldgebern und Spenden machten im Jahr 2003 mehr als Dreiviertel der gesamten Einnahmen der Stiftung aus, deren Vermögen sich auf rund 698 Millionen US-Dollar beläuft. Davon gab die Stiftung in demselben Jahr mehr als 133 Millionen US-Dollar für Hilfsprogramme in 140 Projekten in Asien, Afrika und im Nahen Osten aus.
Gewinnorientiert arbeitet als einzige Organisation des Netzwerks der Aga Khan Fonds für wirtschaftliche Entwicklung (AGFED). Er fördert Investitionen in die Infrastruktur, schafft Finanzinstitutionen und ruft wettbewerbsfähige Unternehmen ins Leben. In Kirgistan hat der Fonds mit anderen Investoren die größte Bank des Landes gegründet. Und in der Elfenbeinküste hat AKFED zusammen mit dem französischen Energieunternehmen Electricité de France und dem schwedisch-schweizerischen Technologiekonzern ABB in das größte private Elektrizitätswerk des Landes investiert. Investoren für Entwicklungsprojekte zu gewinnen, gilt als eine der größten Stärken des Aga Khan Netzwerk für Entwicklung.
Seit kurzem gehört auch eine länderübergreifende Hochschule mit Fakultäten in Tadschikistan, Kasachstan und Kirgistan zum AKDN. Diese University of Central Asia öffnete im Juli 2004 ihre Tore für Menschen, die geographisch von den Bildungs- und Forschungszentren der Welt abgeschnitten sind. Doch die Lage ist nur ein Grund für die besondere Benachteiligung dieser Region. Schlimmer wiegt, dass durch die Bürgerkriege der vergangenen Jahre die geistige Elite vieler zentralasiatischer Staaten vertrieben wurde. Deshalb soll die Universität Zentralasiens langfristig auch eine Schmiede sein für neue Denker und für Vertreter eines aufgeklärten Islam.
Was macht das Aga Khan Netzwerk für Entwicklung zu einem “seriösen und professionellen” Projektpartner, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Netzwerk beschreibt? Schließlich sind die Vorbehalte gegenüber Hilfsorganisationen der islamischen Welt seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 noch gewachsen, und nicht wenige stehen unter dem Verdacht, terroristische Gruppen zu finanzieren.
Zum einen ist das AKDN eine Organisation mit einem gemäßigten religiösen Hintergrund. Die Imame der ismailitischen Gemeinschaft pflegen eine lange Tradition der Hilfe und wollen einen toleranten und sozial engagierten Islam repräsentieren. Die ismailitische Gemeinschaft lebt heute verstreut zum Beispiel in Asien, Afrika, dem Nahen Osten, Europa und Nordamerika. Es profitieren jedoch nicht nur Ismailiten von den Entwicklungsprojekten. Hier geht es nicht um Einzelmaßnahmen, vielmehr zielen die Programme immer auf eine gesamte Region. Meistens sind es abgelegene ländliche Gegenden, die arm an Rohstoffen sind wie die Küstenstreifen Ostafrikas oder das Pamir Gebirge in Tadschikistan. Dort leben Menschen unterschiedlicher Ethnien und religiöser Orientierung zusammen.
Bei religiösen oder ethnischen Spannungen können die Projekte des AKDN beschwichtigend wirken. Das haben jedenfalls Konfliktstudien des BMZ ergeben. In erster Linie mag das daran liegen, dass die Organisation versucht, möglichst viele lokale Fachkräfte zu beschäftigen. Zwar haben sich diese Philosophie viele große Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit auf die Fahne geschrieben, führende Positionen werden jedoch nach wie vor von ausländischem Personal besetzt. In Afghanistan sind nach Angaben des BMZ rund 95 Prozent der Mitarbeiter des AKDN Afghanen, ausgestattet auch mit Leitungsfunktionen. Sie verfügen über die notwendige kulturelle Nähe zur Bevölkerung und über lokales Wissen. Aufgrund ihres gemäßigten religiösen Hintergrundes werden sie bei den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften akzeptiert. Einigen lokalen Provinzräten in Pakistan ist ihr Islamverständnis jedoch etwas zu moderat. Sie haben die Arbeit des AKDN in ihren Regionen verboten.
Vorbildlich ist nach Ansicht des BMZ zum anderen die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Lokale gesellschaftliche Gruppen stellen den Bedarf an Entwicklungshilfe fest, setzen die Prioritäten und führen im Idealfall die Projekte durch. Dabei gibt es nichts geschenkt. Wenn es zum Beispiel um den Ausbau der Infrastruktur geht, von der eine ganze Gemeinde profitiert, muss diese bis zu 30 Prozent der Kosten selbst aufbringen. Dieses Vorgehen soll nicht nur die Eigeninitiative der Gemeinden fördern, sondern auch die Verfahren, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen. Aus ihnen sollen langfristig feste Institutionen erwachsen.
Der Erfolg der Organisation ist zu einem großen Teil auch der Person des Aga Khan selbst und seinem diplomatischen Geschick geschuldet. In einem Interview mit dem SPIEGEL im Dezember 2002 betonte der Aga Khan, dass effektive Hilfe nur mit Zustimmung der jeweiligen politischen Autoritäten möglich sei. Zwar ist er ein Fürst ohne eigenes Land, schließlich lebt er in Frankreich und vertritt keine politische Position. Aber er hat ein eigenes Botschafterkorps und geht bei den führenden Politikern der Welt ein und aus. Im September 2004 hat er als Ehrengast mit Außenminister Joschka Fischer die Botschafterkonferenz in Berlin eröffnet und mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Solches Partnerschaftsabkommen ist fester Bestandteil der internationalen Diplomatie und gilt als Vorstufe zu einem formellen Vertrag. In diesem Fall wurde die Zusammenarbeit der vergangenen Jahre gewürdigt und beschlossen, in Zukunft verstärkt zu kooperieren.
aus: der überblick 03/2004, Seite 48
AUTOR(EN):
Katrin Minarek:
Katrin Minarek hat Philologie, Geographie und Romanistik studiert. Sie arbeitet derzeit als Hospitantin in der Redaktion "der überblick".