Porträt eines ungewöhnlichen Gesandten
Gleich zweimal gefrühstückt am selben Morgen hat der britische Botschafter in Kenia in zwei piekfeinen Hotels in Nairobi. Er wollte damit deutlich machen, dass das Land immer noch eine sichere Adresse für Touristen ist. Damit erregte er dort zum ersten Mal Aufsehen.
von Gray Phombeah
Vielen Kenianern wird wird Edward Clay allerdings wegen seiner Vorliebe im Gedächtnis bleiben, bei kontroversen Themen kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Sein Hang zu unverblümten Worten besteht allerdings schon seit geraumer Zeit. An der britischen Botschaft in Zypern mochte Edward Clay sich überhaupt nicht für Proteste gegen die dortige britische Militärbasis erwärmen. Einen Parlamentsabgeordneten, der den Protest anführte und auf einen Antennenmast des britischen Senders kletterte, beschrieb er als “einen Versuchsaffen auf einem Masten”. In Uganda, wo Clay zwischen 1993 und 1997 diente, äußerte er sich nicht minder rundheraus. Seine verbalen Attacken galten der Entscheidung der Regierung, die ersten allgemeinen Wahlen seit 15 Jahren zu verschieben, und er drosch auf ihre militärische Politik im Bürgerkrieg im Norden des Landes ein.
Gerade zwei Jahre auf seinem neuen Posten in Kenia ist der 59-Jährige - dessen Markenzeichen ein dunkler Anzug ist - wieder in seinem Element. Am Dienstag, den 17. Juli 2004, beschuldigte er ungenannte korrupte Amtsträger in Kenias neuer Koalitionsregierung. Dabei hatte er selbst geholfen, diese Regierung aus der Taufe zu heben. Sie verhielten sich “wie Fresssäcke” und “kotzten auf die Schuhe ihrer ausländischen Geber”, sagte Clay. In der Tat scharfe Worte für einen Diplomaten. Sie haben die Beziehungen zwischen Kenia und Großbritannien, die selbst zu schlimmsten Zeiten immer noch etwas Besonderes hatten, frostig werden lassen.
Aber schon seit seinem Amtsantritt war Clay felsenfest entschlossen, die Gegenthese zu jenem Bild eines Botschafters zu werden, das John le Carré in seiner Novelle “Der ewige Gärtner” zeichnet. In dem Buch, das in Kenia spielt, werden der britische Gesandte und sein Stab als rückgratlose Snobs porträtiert, die in ihren üppigen Gärten ständig an Gin Tonic nippen und angesichts der Korruption der kenianischen Regierung und ihrer Beamten lieber wegschauen.
Herr Clay zieht es dagegen vor, Diplomatie und Diskretion - die wichtigsten Eigenschaften eines Diplomaten - zu ignorieren und deutlich seine Meinung über das zu sagen, was er jetzt als Korruption im großen Stil in der Regierung der Regenbogen-Koalition betrachtet, eine Regierungskoalition, die vor 18 Monaten aufgrund eines Programms zur Bekämpfung der Bestechlichkeit an die Macht gelangte.
Er tritt damit in die Fußstapfen des früheren US-amerikanischen Botschafters in Kenia, Smith Hempstone, der auch gerne gezündelt hat und dem man den Spitznamen “der grobe Botschafter” gegeben hatte, weil er in seinen Reden in den frühen neunziger Jahren kräftig gegen das Regime von Präsident Daniel arap Moi austeilte.
Clay hätte keinen besseren Zeitpunkt wählen können. Die Regierung unter Mwai Kibaki steht in Umfragen schlecht da, die Wirtschaft dümpelt dahin und die Regierungskoalition liegt in Trümmern. Schließlich steht seine Regierung im Zentrum eines rufschädigenden Korruptionsskandals. Die Euphorie, mit der die neue Regierung willkommen geheißen wurde, ist nun der Besorgnis und dem Ärger darüber gewichen, dass sie daran gescheitert ist, ihre Versprechen aus dem Wahlkampf zu erfüllen.
Clay ist ferner fest entschlossen - außerhalb seiner dienstlichen Obliegenheiten - nicht einer der üblichen steifen und langweiligen Diplomaten zu sein. In Ugandas Hauptstadt Kampala war er als “Botschafter zu Fuß” populär, weil er, statt mit dem Dienstwagen zu fahren, sich lieber per pedes zu seinem Botschaftsbüro aufmachte. Seit er in Nairobi ist - ausgestattet mit annehmbaren Kisuaheli-Sprachkenntnissen -, haben ihn die Kenianer oft mit weißem T-Shirt, blauen Shorts, weißen Socken, Turnschuhen und weißer Baseball-Kappe die 35 Kilometer durch den Nakuru-See Nationalpark radeln sehen, als Fundraising-Aktion für die Erhaltung des Nashornbestandes des Parks. Am Wegesrand bestaunten zwei Büffel den Vorbeiradelnden. Eine weitere Facette seines nicht gerade diplomatisch-ausgewogenen Charakters zeigte sich, als er bei Weihnachtsfeiern im vergangenen Jahr in Nairobi als Weihnachtsmann Geschenke an Kinder verteilte.
Zufällig wird gerade eine Filmversion des “Ewigen Gärtners” in Kenia gedreht und zwar in der vornehmen Vorstadt Muthaiga, unweit der Residenz des britischen Botschafters. Das Buch endet düster, typisch für le Carrés Stil. Die vielen Fans von Edward Clay in Kenia werden sicherlich hoffen, dass ihrem guten Diplomaten nicht ein ähnliches Schicksal blüht.
aus: der überblick 03/2004, Seite 12
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Gray Phombeah:
Gray Phombeah ist Korrespondent der BBC in Nairobi. Wir entnehmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Onlinedienstes der BBC, News Online, www.bbcnews.com.