Korruptionsbekämpfung zwischen Reformwille und politischer Instrumentalisierung
Der nigerianische Präsident Obasanjo hatte bei seinem Amtsantritt im Jahr 1999 der Korruption im Land den Kampf angesagt. Tatsächlich hat sich die Position Nigerias auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International leicht verbessert. In jüngster Zeit allerdings richtete der Präsident die Antikorruptions-Kampagne vor allem gegen politische Gegner und benutzt sie, um sich eine dritte Amtszeit zu sichern.
von Axel Harneit-Sievers
Korruption in Nigeria hat viele Gesichter. Die politische Kultur des Landes wird durch ein "politisches Unternehmertum" geprägt: Viele Kandidaten für öffentliche Ämter betrachten ihr Engagement primär als Investition, die sich später auszahlt, denn das Amt bietet Wege zum privaten Zugriff auf öffentliche Mittel. In Verwaltung und Staatsbetrieben ist es Alltag, von Antragstellern oder Kunden Extrazahlungen zu erpressen, oft auf Kosten der Institution selbst. Im öffentlichen Raum nehmen schlecht bezahlte, aber bisweilen gut bewaffnete Polizisten an Straßensperren den Autofahrern in aller Öffentlichkeit Kleinbeträge ab, um sie dann an ihre Vorgesetzten abzuliefern.
Das Verhältnis der meisten Nigerianerinnen und Nigerianer zur Korruption schwankt zwischen Kritik, Verzweiflung, Resignation und Zynismus. Einerseits beklagen alle die Allgegenwart der Korruption, kritisieren die massive Selbstbedienung der Spitzenpolitiker und Verwaltungschefs und stellen Forderungen nach good leadership, nach guter Regierungs- und Verwaltungsführung. Zeitungen und Talkshows sind voll von Klagen über Korruption, und die Menschen wollen eine Umkehr. Die Einführung des islamischen Sharia-Strafrechts in zwölf Bundesstaaten Nord-Nigerias im Jahr 2000, die im Ausland vor allem aufgrund der Steinigungsurteile gegen Frauen wegen Ehebruchs bekannt wurde, war nicht zuletzt deshalb unter Muslimen so populär, weil viele sich davon einen Abbau der Korruption im Gerichtswesen versprachen.
Andererseits erwarten viele Menschen kaum noch ein nicht-korruptes Verhalten von ihren politischen Führern und sehen sich in mancher Hinsicht geradezu als Teilhaber in diesem System, solange die eigenen Repräsentanten in öffentlichen Ämtern auch für Umverteilung zugunsten der eigenen Gruppe (der Familie, des Dorfs, des Bundesstaats oder der ethnischen Gruppe) sorgen. Kleinbeträge aus dieser Umverteilung werden als "Geschenke" von den Armen angenommen, welche wiederum mit ihrer politischen Loyalität "bezahlen".
Vor diesem Hintergrund wird Korruption systemischer Bestandteil eines perversen Föderalismus, der auf Verteilung der Einnahmen aus der Erdölproduktion beruht. Seit den siebziger Jahren hat dieses System eine Klasse von Superreichen hervorgebracht. Ihnen stehen 65 Prozent der 130 Millionen Einwohner Nigerias mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze von weniger als zwei Dritteln des nigerianischen Durchschnittseinkommens gegenüber.
Nicht zuletzt dient der Verweis auf die Korruption von Leuten in hohen Funktionen vielen als Rechtfertigung für eigene Regelverstöße: Die Vorstellung, dass Erfolg im Leben vor allem auf "krummen Wegen" zu erreichen sei, ist weit verbreitet. Betrug bei den Universitäts-Eingangsprüfungen etwa ist seit Jahren ein Massenphänomen geworden. Nigeria hat durch den so genannten "419"-Wirtschaftsbetrug (der Begriff bezeichnet den Paragrafen im Strafgesetzbuch über den "Vorauszahlungsbetrug") weltweit traurige Berühmtheit erlangt. Dabei werden Menschen geprellt, denen verheißen wird, Schwarzgelder in Millionenhöhe auf ihrem Konto zu parken, die dann aber erst einmal Vorauszahlungen leisten sollen, damit diese Gelder ins Ausland transferiert werden können. In der öffentlichen Wahrnehmung und Debatte in Nigeria verschwimmen all diese Phänomene zu einem großen Dickicht von Korruption.
Nach mehr als drei Jahrzehnten fast ununterbrochener Militärherrschaft war 1999 die neu gewählte zivile Regierung unter Präsident Olusegun Obasanjo angetreten mit dem Anspruch, die Korruption energisch zu bekämpfen. Im Jahr 2000 schuf sie mit der Independent Corrupt Practices Commission (ICPC) eine spezielle Institution zur Korruptionsbekämpfung unter dem Vorsitz eines hochrangigen Richters. Die ICPC ist aufgrund juristischer Beschränkungen allerdings nach Ansicht vieler Beobachter ein weitgehend zahnloser Tiger geblieben.
Im Jahr 2003 intensivierte die Obasanjo-Regierung nach ihrer umstrittenen Wiederwahl ihre Anti- Korruptionspolitik. In diesem Bereich hat sie bei aller gerechtfertigten Kritik daran, dass sie trotz eines veritablen Ölpreisbooms die Armut kaum verringert hat, seither einige bemerkenswerte Erfolge erzielt. Zugleich ist in jüngerer Zeit aber auch deutlich geworden, dass zunehmend solche Korruptionsfälle verfolgt werden, die bei politischen Gegnern des Präsidenten anrüchig werden.
Die wichtigsten Maßnahmen der Regierung umfassen zwei Bereiche: erstens Strafverfolgung, vor allem durch die Economic and Financial Crimes Commission (EFCC), die bei hochrangigen Korruptionsfällen einige Erfolge aufzuweisen hat, und zweitens Reformmaßnahmen, die auf Verbesserung der Transparenz bei staatlichen Einnahmen und Ausgaben abzielen. Die EFCC wurde im Mai 2003 zur Bekämpfung von Wirtschaftsverbrechen eingerichtet, welche die internationale Reputation Nigerias seit den neunziger Jahren zunehmend beschädigt haben. Denn diese sind zu einem regelrechten Hindernis für die Auslandsinvestitionen geworden, welche die Regierung Obasanjo mit erheblichem Einsatz einzuwerben sucht. Die EFCC untersteht direkt dem Präsidenten. Ihr Vorsitzender ist Nuhu Ribadu, ein kaum über vierzig Jahre alter Polizeibeamter, dem auch scharfe Kritiker der Obasanjo-Regierung wie der Menschenrechtsanwalt Gani Fawehinmi Effektivität und Unbestechlichkeit bescheinigen. Die EFCC erzielte einige spektakuläre Erfolge im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität; so wurden einige bekannte Großbetrüger, die sich jahrelang der Strafverfolgung entzogen hatten, festgenommen und vor Gericht gebracht. Geschädigte erhielten erhebliche Geldbeträge zurück. In jüngerer Zeit begann die EFCC auch verstärkt gegen hochrangige Politiker und Beamte vorzugehen. Einige wichtige Beispiele: Im Frühjahr 2005 wurde der vormalige Polizeichef Tafa Balogun unter dem Vorwurf, mehrere Milliarden Naira veruntreut zu haben, verhaftet und in Handschellen vor laufenden Fernsehkameras vor Gericht geführt. Bald darauf verlor ein Bildungsminister seinen Job, weil er sich gezwungen gesehen hatte, Parlamentsabgeordnete zu bestechen, die ansonsten das nationale Bildungsbudget gekürzt hätten. Seither führt die EFCC auch Ermittlungen gegen einige amtierende Gouverneure, die zwar durch die Immunität ihres Amtes vor unmittelbarer Strafverfolgung geschützt sind, aber durch die Ermittlungen politisch unter Druck gesetzt werden können.
Die Strukturreformen gehen hauptsächlich auf das nach Obasanjos Wiederwahl 2003 ernannte "neue Wirtschaftsteam" zurück. Zu dieser Gruppe erfahrener Technokraten gehören vor allem die Finanzministerin Ngozi Okonjo-Iweala, zuvor eine Vizepräsidentin der Weltbank, der Zentralbankchef Charles Soludo, Professor für Volkswirtschaft, sowie die Beraterin für Budget-Fragen und Kontrolle der öffentlichen Aufträge, Oby Ezekwesili, eine der Gründungsmitglieder der Organisation Transparency International und inzwischen Ministerin für mineralische Rohstoffe (außer Erdöl). Im Frühjahr 2004 legte das Team das National Economic Empowerment and Development Programme (NEEDS) vor. Nach eigenen Aussagen des Teams ist das eine "hausgemachte" Alternative zu den Reformprogrammen der internationalen Finanzorganisationen. Kritiker sehen darin aber kaum mehr als eine nigerianische Version der international üblichen "neoliberalen Agenda". Das Paket umfasst Aspekte der wirtschaftlichen Strukturreform, zum Beispiel die Reform des Bankensektors sowie die Privatisierung der notorisch ineffizienten, durch jahrzehntelange Ämterpatronage zugrunde gerichteten Staatsunternehmen; allerdings befindet sich auch 2006 die Reform der großen Infrastrukturunternehmen wie Elektrizitätserzeugung und Raffinerien noch immer im Anfangsstadium, und die nach wie vor katastrophale Stromversorgung macht eine durchgreifende Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation schwierig.
Das zentrale Stichwort der Anti-Korruptionsbemühungen seitens der nigerianischen Bundesregierung heißt "Transparenz". Seit 2004 veröffentlicht Finanzministerin Okonjo-Iweala regelmäßig in internationalen Medien die monatlichen Zuweisungen aus dem Federation Account. Dieses Konto wird vor allem aus den Öleinnahmen gespeist. Die Zuweisungen daraus gehen an die drei Ebenen der nigerianischen Föderation (Bund, Staaten sowie Lokalverwaltungen). Allein diese Transparenz kam in einem Land, in dem öffentliche Finanzen traditionellerweise gleichsam als Privatsache des jeweiligen Amtsinhabers galten, einer kleinen Revolution gleich. Auch wenn es Ungereimtheiten in Details gibt und die Überprüfung und Verwertung dieses Wissens durch die Öffentlichkeit schwierig bleibt, hatte und hat die Veröffentlichung mehr als nur Symbolwert und beginnt öffentliche Debatten über Rechenschaftspflicht zu beflügeln. Präsidentenberaterin und Ministerin Ezekwesili inzwischen als "Madam Due Process" bekannt, was so viel heißt wie "Dame der Rechtsstaatlichkeit" hat mit Hilfe der Institutionalisierung von verbesserter Verfahren bei der öffentlichen Auftragsvergabe dem nigerianischen Staat substanzielle Fehlausgaben erspart. Neben Okonjo-Iweala und Ezekwesili gilt Dora Akunyili, Chefin der Kontrollbehörde für Konsumgüter (NAFDAC), als "eiserne Lady", denn sie kann bemerkenswerte Erfolge bei der Bekämpfung von Medikamentenfälschungen (ein jahreslanges, lebensbedrohliches Problem in Nigeria) aufweisen. Alle drei haben inzwischen im Kampf gegen die "nigerianische Mafia" einige Popularität erlangt. Zentralbankdirektor Soludo sowie der ehemalige Leiter der Privatisierungsagentur und jetzige Minister für Abuja, Nasir el-Rufai, sind ebenfalls für die konsequente Durchsetzung von Reformvorhaben bekannt. Eine Reihe weiterer Gesetzesvorlagen, die der Herstellung von Transparenz dienen Gesetze zur öffentlichen Auftragsvergabe, zur Informationsfreiheit und zur fiskalischen Verantwortung werden derzeit im Parlament diskutiert und scheinen eine realistische Chance zu haben, verabschiedet zu werden. Dies könnte nicht zuletzt zur institutionellen Festigung der Antikorruptionspolitik beitragen, die bislang nach wie vor stark von einzelnen engagierten Personen abhängt.
Nigeria beteiligt sich auch an der internationalen, vor allem von der britischen Regierung propagierten Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), die auf die Offenlegung der Finanzflüsse zwischen Rohstoffindustrien (Öl, Diamanten und andere) und Regierungen in zahlreichen Ländern der Welt abzielt. Die ersten, im Frühjahr 2006 vorgelegten Berichte international anerkannter Wirtschaftsprüfer zeigten, dass unklare Berechnungsmodalitäten verbreitet sind und für den Zeitraum zwischen 1999 und 2004 jährlich stark variierende Diskrepanzen zwischen den Zahlungen der Ölfirmen und den Einnahmen der nigerianischen Zentralbank vorliegen. Insgesamt scheinen in diesem Zeitraum rund 270 Millionen US-Dollar "verschwunden" zu sein.
Dieser Betrag mag auf den ersten Blick hoch aussehen. Der Diebstahl von Öleinnahmen zwischen Firmen und Zentralbank erreicht aber in Nigeria bei weitem nicht das Niveau Angolas. Nigeria nimmt bei den gegenwärtigen Ölpreisen Beträge in der Größenordnung von 100 Millionen US-Dollar pro Tag ein, somit sind kaum drei Tageseinnahmen verschwunden. Diebstahl und Verschwendung von Ölgeldern finden vorwiegend anderswo statt, nämlich während und nach der Verteilung der Einnahmen auf die verschiedenen administrativen Ebenen durch direkten Diebstahl, durch Betrug bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und andere Mechanismen.
Obwohl das aktuelle Ausmaß von Korruption in Nigeria letztlich nicht zu quantifizieren ist und viele Indizien dafür sprechen, dass sich Leute in höchster Funktion weiterhin kräftig selbst bedienen, ist durch die Antikorruptionskampagnen und Strukturreformen auf Ebene der nigerianischen Bundesregierung in den letzten Jahren zumindest ein atmosphärischer Wandel eingetreten.
Dasselbe lässt sich allerdings für die mächtigen Gouverneure der 36 Bundesstaaten und die von ihnen weitgehend abhängigen Lokalverwaltungen nicht sagen, die zusammengenommen fast die Hälfte der aus dem Federation Account umverteilten Gelder erhalten. Nenadi Usman, Staatsministerin im Finanzministerium, beschuldigte die Gouverneure bereits im Mai 2004, Teile der Zuteilungen im Monatsrhythmus außer Landes zu bringen dies war Experten zufolge sogar an den kurzfristigen Wechselkursschwankungen der nigerianischen Währung ablesbar. Das Finanzgebaren der meisten Staats- und Lokalverwaltungen ist nach wie vor sehr intransparent. Besonders dramatisch ist das in den Bundestaaten des Niger Delta. Diese erhalten als Entschädigung für die ökologischen und sozialen Folgewirkungen der Erdölproduktion, welche in Teilen des Deltas inzwischen faktisch zum Bürgerkrieg geführt hat, außerordentlich hohe Zuweisungen. Rivers State beispielsweise erhielt im Frühjahr 2006 rund 80 Millionen US-Dollar monatlich.
Zwar ist eine summarische Verurteilung der Gouverneure ungerechtfertigt. Eine im Frühjahr 2006 veröffentlichte Studie der Nationalen Planungskommission zeigte durchaus Unterschiede zwischen den Bundesstaaten hinsichtlich der Qualität ihrer Regierungsführung. Zugleich aber haben einige Gouverneure Beispiele für die schlimmsten Auswüchse der Korruption in Nigeria geliefert. Der Gouverneur des Plateau State, Joshua Dariye, wurde Anfang 2005 in London wegen Verstoßes gegen das Geldwäsche-Gesetz einige Tage von der Polizei festgehalten. Derweil brachen in seinem Staat schwere ethnisch-religiöse Unruhen aus. Obasanjo stellte Plateau State daraufhin für sechs Monate unter Ausnahmezustand. Trotz aller Beschuldigungen konnte Dariye jedoch nach Ende des Ausnahmezustands sein Amt wieder unbehelligt weiterführen. Auch der Gouverneur des ölreichen Bayelsa State, Diepreye Alamieyeseigha, wurde im Herbst 2005 in London verhaftet, nachdem die Polizei in seinem Londoner Haus hohe Bargeldbeträge gefunden hatte, deren Herkunft ungeklärt war. Alamieyeseigha verbrachte einige Tage im Gefängnis, kam gegen Zahlung einer hohen Kaution und mit strikten Meldeauflagen auf freien Fuß und floh Ende November (angeblich in Frauenkleidern, wie in Nigeria süffisant bemerkt wurde) über Nacht zurück nach Bayelsa, um seine Absetzung durch das Parlament des Bundesstaats zu verhindern. Es nützte ihm nichts: Das Amtsenthebungsverfahren wurde mit Unterstützung der Bundesregierung durchgepeitscht und Alamieyeseigha unmittelbar danach verhaftet. Seither sitzt er im Gefängnis.
So beeindruckend dieses Beispiel durchgreifender Antikorruptionsmaßnahmen gerade für ausländische Beobachter erscheinen mag die politische Dimension dabei sollte nicht übersehen werden, international und in Nigeria selbst. Die Serie von Antikorruptionsverfahren in der ersten Jahreshälfte 2005 stand offenkundig im Zusammenhang mit den Verhandlungen um einen Schuldenerlass für Nigeria. Sie sollten auch die internationalen Gläubiger beeindrucken und verdeutlichen, dass es die Regierung Obasanjo ernst meint mit den Reformen.
Inzwischen wurden Nigeria die öffentlichen Auslandsschulden von rund 30 Milliarden US-Dollar zu 60 Prozent erlassen. Den Restbetrag kann das Land aufgrund seiner hohen Öleinnahmen problemlos zu günstigen Konditionen zurückkaufen, so dass Nigeria Mitte 2006 gegenüber dem Ausland fast schuldenfrei ist. Dies ist ein im In- und Ausland anerkannter großer politischer Erfolg der Regierung Obasanjo, speziell der Finanzminsterin Okonjo-Iweala. Doch die Praxis der Antikorruptionspolitik hat auch weniger vertrauenerweckende politische Seiten. In den vergangenen Monaten hat sich der Eindruck verstärkt, Obasanjo setze das Instrumentarium speziell die EFCC vor allem gegen politische Gegner ein, die sich seinem Versuch widersetzten, die Verfassung zu ändern, um 2007 ein drittes Mal für die Präsidentschaft kandidieren zu können. Die Befürworter dieses Third-Term-Projekts erwarteten sich von ihm Stabilität und die Fortsetzung der Reformpolitik; seine Gegner sahen darin das Ende des demokratischen Transitionsprozesses, die Gefahr der Autokratie und sogar das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzungen bis hin zu einem Bürgerkrieg. Obwohl Obasanjo offiziell nicht einmal seine Absicht erklärte, noch einmal kandidieren zu wollen, hielten die Vorbereitungen zur Verfassungsänderung die politische Welt Nigerias über Monate hinweg in permanenter Anspannung, auch wenn der Senat Mitte Mai eine solche Verfassungsänderung zunächst abgelehnt hat.
Nicht nur die angeblich vom Präsidenten und seiner People's Democratic Party (PDP) gewährten finanziellen Anreize für Parlamentarier, sondern auch der Druck auf Abweichler war. Gegner des Third-Term-Projekts unter den Gouverneuren erhielten Besuch von den Ermittlern der EFCC. Der nach seiner Verhaftung in London unter starkem Druck stehende Gouverneur des Plateau State, Dariye, schlug zurück und behauptete, die 1,6 Milliarden Naira (umgerechnet rund 11 Millionen US-Dollar), die er 2003 aus dem Umweltfonds seines Staats abgezweigt habe, seien nicht etwa in seine eigenen Taschen geflossen. Vielmehr habe die PDP damit ihren Wahlkampf und damit auch den des Präsidenten finanziert. Dies ist nicht nachgewiesen, jedoch absolut glaubwürdig.
Am 15. Mai 2006 lehnte der Senat die weithin unpopuläre Verfassungsänderung überraschend schnell und deutlich ab. Zahlreiche Kandidaten für eine Nachfolge Obasanjo stehen seither in den Startlöchern für einen Wahlkampf, in dem Korruptionsvorwürfe und -untersuchungen eine wichtige Waffe sein werden.
aus: der überblick 02/2006, Seite 58
AUTOR(EN):
Axel Harneit-Sievers
Dr. Axel Harneit-Sievers
ist Historiker und leitet seit 2002 das Länderbüro Nigeria der Heinrich-Böll-Stiftung
in Lagos.
Sein neues Buch Constructions of Belonging: Igbo Communities and
the Nigerian State in the Twentieth Century erscheint demnächst bei University of
Rochester Press, Rochester, NY.