Pfingstkirchen und charismatische Bewegungen verbreiten sich schneller als alle anderen Religionen
Sie verheißen Heilung, materielle Belohnung noch im Diesseits und geben Entwurzelten neuen Halt. Ihre Missionare locken mit mitreißenden Predigtshows bisweilen Hunderttausende von Besuchern an. Nach Anfängen im 19. und frühen 20. Jahrhundert überrollt jetzt eine neue Welle pfingstlicher und charismatischer Bekehrung die Kontinente. Und mancherorts befinden sich die etablierten christlichen Kirchen bereits in der Minderheit.
von Allan Anderson
Die Pfingstbewegung ist die am schnellsten wachsende Religion in der Welt, eine Tatsache, die in der westlichen Welt nicht so gerne gesehen wird. Statistiker schätzen, dass es mehr als 570 Millionen Pfingstler, Charismatiker und Neocharismatiker gibt, denen sich im Jahr 2004 weltweit 28 Prozent aller Christinnen und Christen zugehörig fühlen. Neben der Römisch-Katholischen Kirche sind diese Bewegungen damit zur größten Kraft der Weltchristenheit geworden. Diese Zahlen schließen auch viele Charismatiker in den etablierten Kirchen mit ein. Es sind überwiegend Menschen aus Asien, Afrika und Lateinamerika, welche die Gestalt der Weltchristenheit endgültig verändern werden. Inzwischen gibt es mehr Pfingstler und Charismatiker in der Welt als alle protestantischen Kirchenmitglieder zusammen.
Ihren Anfang nahmen die Pfingstkirchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Heiligungsbewegung und methodistischen Gruppen in den USA, aber keineswegs nur dort. Die ersten Anhänger waren radikale Evangelikale. Sie kamen aus einer bereits bestehenden erweckungstheologischen Tradition, die mit der Erwartung verknüpft war, dass eine endzeitliche Erweckung die zweite Wiederkunft Christi bringen würde. Die ersten Pfingstler gehörten weitgehend zur Arbeiterklasse und hatten nur geringe Bildung. Nur wenige ihrer frühen Leiter hatten eine theologische Ausbildung. Die Pfingstbewegung sprach die Menschen an, die am Rand der Gesellschaft standen und sich oft durch ihre Vorgesetzten ihrer Menschenwürde beraubt fühlten. Aber auch auf ethnische Minderheiten und Immigrantengruppen übten die Pfingstkirchen Anziehungskraft aus, ebenso wie auf Menschen, die durch die Urbanisierung aus der Bahn geworfen waren.
Charles Parham (1873-1929), ein früherer methodistischer Prediger in Topeka, Kansas (USA), gründete im Jahr 1900 die Bethel-Evangeliumsschule (Bethel Gospel School), in die er 34 Studenten aufnahm, um sie für die Weltevangelisation auszubilden. Das einzige Unterrichtsmaterial war die Bibel. Parhams Schüler kamen zu dem Schluss, dass der biblische Beweis für die Geistestaufe das Zungenreden (Erklärung siehe Kasten) sei. Sie nahmen sich vor, am 31. Dezember 1900 um eben solch eine Erfahrung zu beten. Am nächsten Abend war dann Agnes Ozman die erste Amerikanerin, die in Zungen redete. Drei Tage später folgten ihr andere, einschließlich Parham. Bis zum Jahre 1905 hatten mehrere tausend Menschen in Parhams neuer Bewegung, die als Apostolic Faith bekannt wurde, die Geistestaufe erhalten.
Ein afroamerikanischer Heiligungs-Prediger, William Seymour (1870-1922), hatte von Parhams Lehre eindeutig erwiesenen Zungenredens gehört und wurde 1906 in eine kleine Holiness-Kirche nach Los Angeles eingeladen. Als er predigte, dass Zungenreden ein Zeichen der Geistestaufe sei, wurden ihm die Türen aber bald wieder verschlossen. Die Menschen trafen sich weiterhin mit Seymour in einem Haus zum Gebet, wo mehrere Personen unter ihnen auch der Prediger selbst die Geistestaufe empfingen. Innerhalb einer Woche zog diese rasch wachsende Gruppe in eine nicht mehr genutzte Kirche in der Azusa Street in Los Angeles um, wo sie sich täglich traf. Diese Zusammenkünfte begannen morgens und dauerten meistens bis spät abends, sie waren emotional und spontan, es gab kein vorgegebenes Programm oder bestimmte Redner. Es kam häufig vor, dass die Menschen in Zungen sangen oder 'von der Macht' oder 'vom Geist' überwältigt auf den Boden fielen. Seymour wurde der spirituelle Führer von Tausenden dieser ersten Pfingstler, denn er leitete die nächsten drei Jahre dieses bekannteste Zentrum der Pfingstbewegung. Besucher kamen, um die Geistestaufe zu empfangen und viele von ihnen gründeten Pfingstzentren in anderen Städten. Ab 1907 wurden von der Azusa Street aus Missionare der Pfingstbewegung ausgesandt, die innerhalb von zwei Jahren in 25 Ländern missionierten.
Diese Pfingstgemeinschaften unterschieden sich von anderen Christen durch ihr Beharren, dass Gottes Kraft an den »Gaben des Geistes« erkennbar sein müsse, die vor allem im Zungenreden, in der Weissagung und im Heilen ihren Ausdruck fänden. Sie lehrten auch eine spezielle Erfahrung, wie die Kraft des Heiligen Geistes beziehungsweise die Geistestaufe empfangen werden könne. Ihre Gottesdienste waren wesentlich spontaner und emotionaler als die der alten Kirchen, weil die gewöhnlichen Mitglieder viel stärker miteinbezogen wurden, vor allem Frauen, die in den Pfingstkirchen immer die Mehrheit bildeten.
In der amerikanischen Pfingstbewegung gab es jedoch viele Spaltungen, und um 1916 standen sich theologisch drei einander feindselig gesonnene Gruppen gegenüber. Damit war der Keim für Spaltungen und die starke Zunahme neuer Sekten gelegt. Während der nächsten fünfzig Jahre bildeten sich getrennte Konfessionen, zunächst als Vereinigungen, in denen man Mitglied werden und sich zugehörig fühlen konnte, die dann aber immer stärker institutionalisiert wurden. Die größten amerikanischen Pfingstkirchen sind die Church of God in Christ (COGIC), die Assemblies of God (AG), die Church of God (Cleveland, Ohio) und die International Church of the Foursquare Gospel. Die Mehrzahl der Mitglieder der letztgenannten Kirchen lebt außerhalb der westlichen Welt in den Ländern des Südens, während die COGIC die größte afro-amerikanische Kirche in den USA ist.
Seit 1860 gab es auch in Südindien Bewegungen, die den Pfingstgemeinschaften vergleichbar sind, wo von Zungenreden und anderen Erscheinungsformen der Gegenwart des Heiligen Geistes berichtet wurde. Im 19. Jahrhundert gab es auch in Europa und Nordamerika mehrere Erweckungsbewegungen, aus denen sich dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts pfingstlerische Merkmale herausbildeten. Die Walisische Erweckung (1904-1905) legte Wert auf die pfingstlerische Kraft des Geistes, in der das endzeitliche Pfingsten gesehen wurde, das zu einer weltweiten Erweckung führen würde. 1905 entstanden in Nordostindien, im Gebiet um Bombay und bei der Pandita Ramabai Mukti Mission in der Nähe von Poona im westlichen Teil des Landes, Erweckungsbewegungen, in denen in Zungen geredet wurde und sich andere ekstatische Phänomene ereigneten. Das »Koreanische Pfingstereignis« von 1907 und 1908 begann bei einer presbyterianischen Versammlung in Pyongyang, der heutigen Hauptstadt Nordkoreas, und breitete sich bald in ganz Korea aus. Ein ähnliches Erweckungsereignis folgte 1910 in der Mandschurei, China. Typisch für alle diese Erweckungen waren emotionale Buße mit lautem Weinen und gleichzeitigem Beten.
In der Folge entstand in vielen Teilen der evangelisch-evangelikalen Welt eine Erwartenshaltung und eine Sehnsucht nach Erweckung. Dass die Zeit für diese Erweckung gekommen zu sein schien, zeigte sich in einem intensiven Wunsch nach Gebet, einem gefühlsbeladenen Sündenbekenntnis, Offenbarungen eines Erscheinens des Heiligen Geistes, erfolgreicher und zunehmender Evangelisation und spirituellen Gaben als Bestätigung, dass der Geist gegenwärtig sei. Dieses Erscheinen des Heiligen Geistes war mit der Überzeugung verbunden, dass das Evangelium vor der unmittelbar bevorstehenden Wiederkehr Christi allen Völkern auf Erden gepredigt werden sollte.
Auf allen Kontinenten entstanden Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts solche Pfingstbewegungen. Die ersten Pfingstler in Lateinamerika waren Chilenen, die mit Willis Hoover (1858-1936) assoziiert waren, einem in Valparaiso lebenden Amerikaner. Er war seit 1889 als Pfarrer der größten methodistischen Gemeinde Chiles und als Superintendent tätig. 1907 hatten die Hoovers von der pfingstlerischen Erweckungserfahrung der Ramabai Mission in Indien gehört. Das veranlasste sie, auch um eine solche Erweckung zu beten. Diese ereignete sich dann im April 1909, in einer Periode, in der sie viele ungewöhnliche und ekstatische Erscheinungen erlebten. Als die Methodistische Konferenz daraufhin Hoover »skandalöses« Verhalten und das Propagieren »falscher und antimethodistischer« Lehren vorwarf, gründeten die Erweckungsbewegten die Methodistische Pfingstkirche (Methodist Pentecostal Church, MPC) mit Hoover als Superintendenten. 1933 trat Hoover von seinem Amt bei der MPC zurück, woraufhin seine Anhänger die »Evangelische Pfingstkirche« gründeten. Das war die erste von über dreißig weiteren Kirchenspaltungen. Etwa 15 Prozent aller Chilenen gehören inzwischen der Pfingstbewegung an.
In Brasilien gibt es mehr Pfingstler als in jedem anderen Land Lateinamerikas. Luigi Francescon (1866-1964) gründete zunächst in den USA und 1909 in Argentinien italienische Gemeinden. 1910 rief er in São Paulo die Christian Congregation (CC) ins Leben, die erste Pfingstkirche in Brasilien. Die Entstehungsgeschichte der Assemblies of God (AG) begann mit zwei schwedischen Einwanderern, Gunnar Vingren und Daniel Berg, die 1910 in den nordbrasilianischen Staat Pará kamen. Im Jahr 2000 war die AG die größte nichtkatholische Kirche in Lateinamerika mit über vier Millionen Mitgliedern.
Eine zweite Phase von zwanzig bis dreißig Neugründungen von Pfingstkirchen in Brasilien begann nach 1952: die wichtigsten sind die Brazil for Christ Evangelical Pentecostal Church, die God is Love Pentecostal Church und die Foursquare Gospel Church. Nach 1975 entwickelte sich ein dritter Typ von Pfingstbewegung, die sich am Wohlstand orientierte. Die größte Kirche dieser Art ist die Universal Church of the Kingdom of God (UCKG), die 1977 von Edir Macedo in Rio de Janeiro gegründet wurde. In den frühen 1990er Jahren war die UCKG wahrscheinlich die am schnellsten wachsende Kirche in Brasilien mit rund eintausend Kirchengemeinden, weit über einer Million Mitgliedern und Aktivitäten in über fünfzig Ländern.
Brasilien, Chile und Argentinien haben die größten Pfingstkirchen auf dem Kontinent, aber es gibt kaum ein anderes lateinamerikanisches und karibisches Land, das nicht ebenfalls von diesem Phänomen beeinflusst worden wäre. Auch in Mittelamerika hat es ein dramatisches Wachstum der Pfingstkirchen gegeben und auch hier ist die größte nichtkatholische Konfession die Assemblies of God. In Guatemala leben rund zwei Millionen Pfingstler und Charismatiker, von denen die Hälfte dem indianischen Volk der Maya angehört. In der englischsprachigen Karibik sind als größte der Pfingstbewegung zuzurechnende Konfessionen die Church of God (Cleveland) und die Church of God of Prophecy zu nennen. Juan Lugo (1890-1984) gründete in Puerto Rico die inzwischen größte nichtkatholische Denomination, die Pentecostal Church of God of Puerto Rico, die nach ganz Lateinamerika, aber auch in die USA und nach Spanien und Portugal Missionare entsandt hat.
Auch in Afrika sind Pfingstkirchen inzwischen weit verbreitet. Im Jahr 2000 konnten schätzungsweise elf Prozent der Bevölkerung Afrikas zu den Charismatikern gezählt werden, einer bedeutsamen Art des Christentums auf diesem Kontinent, die auch in die protestantischen und katholischen Kirchen hineinwirkte. Klassische Pfingstkirchen gab es bereits seit 1907, als Missionare von der Azusa Street in Liberia und Angola ankamen. Vor allem die Assemblies of God sind in ganz Afrika bis 1994 auf über vier Millionen Mitglieder angewachsen.
1908 kamen mehrere unabhängige Pfingstmissionare in Johannesburg, Südafrika, an und gründeten eine der größten klassischen südafrikanischen Pfingstkirchen, die Apostolic Faith Mission (AFM), in der es Gottesdienste ohne Rassentrennung gab. Die weißen Führer erließen dann allerdings die rassistischen Gesetze und beanspruchten alle wichtigen Ämter für sich, was viele weitere Kirchenspaltungen nach sich zog. Bis 1996 waren die meisten klassischen Pfingstkirchen in Südafrika nach Rassen getrennt. Nicholas Bhengu (1909-1986) war einer der einflussreichsten südafrikanischen Pfingstler und Anführer der »Zurück zu Gott«-Sektion der AG.
Der deutsche Evangelist Reinhard Bonnke begann seinen Dienst in Lesotho und hat seither in ganz Afrika gepredigt und einige der größten Menschenmassen angezogen, die je in der christlichen Geschichte zusammengeströmt sind. Mehr als eine halbe Million Menschen besuchten etwa im Dezember 2004 die Abschlussveranstaltung seines Nigeriabesuchs in der Stadt Calabar. Seine Organisation »Christus für alle Nationen« hat äußerst wirksam die Verbreitung pfingstlerischen Verhaltens gefördert.
Pfingstlerisches Gedankengut hat sich von Südafrika aus nach Norden in die angrenzenden Länder ausgebreitet, und zwar durch die Wanderarbeiter, die der Pfingstbewegung in den südafrikanischen Minen begegnet waren. Die größte Pfingstkirche in Simbabwe, die Zimbabwe Assemblies of God Africa, hat ihre Wurzeln sowohl in der AFM als auch in Bhengus AG. Der britische Missionar William Burton (1886-1971) arbeitete von 1915 bis 1960 im südlichen Kongo und gründete dort die so genannte Pfingstgemeinde des Kongo. Auch in Ostafrika betonen die meisten der zahlreichen unabhängigen Kirchen die Bedeutung des Heiligen Geistes, was auf die verschiedenen Erweckungsbewegungen zurückzuführen ist.
In Westafrika ist die Pfingstbewegung zu einer der bekanntesten christlichen Bewegungen geworden. Die vier größten klassischen Pfingstkirchen in Ghana sind die Church of the Pentecost, die Assemblies of God, die Apostolic Church of Ghana und die Christ Apostolic Church. Alle diese Kirchen, außer der Assemblies of God, sind aus der Arbeit des bedeutenden Ghanaers Peter Anim (1890-1984) und seines irischen Zeitgenossen James McKeown (1900-1989) hervorgegangen. Im Yorubaland in Nigeria, hat der Evangelist Joseph Babalola ein pfingstlerisches Heilungsritual geleitet, das 1941 zur Gründung der Christ Apostolic Church führte, der größten Aladura (Gebets-)Kirche in Nigeria, der im Jahr 2000 etwa zwei Millionen Menschen angehörten. Göttliche Heilungen durch Händeauflegen bei Kranken (manchmal begleitet von rituellen Symbolen) war immer ein wesentlicher Teil pfingstlerischen Handelns, und dies gilt ganz besonders in Afrika.
In Asien hat die Pfingstbewegung ebenfalls viele Protestanten ergriffen. In Indien etwa, wo die britische Ostindien-Kompanie bereits im 19. Jahrhundert die Einreise zumeist evangelikaler Missionare gefördert hatte, ist innerhalb relativ kurzer Zeit landesweit ein komplexes Netzwerk von Pfingstmissionen entstanden. Die AG in Indien hat bereits 1929 einen Regionalrat für Südindien gebildet und arbeitet seit 1947 in unabhängigen Distrikten unter indischer Leitung. Der indische Pastor K. E. Abraham (1899-1974), der ursprünglich syrisch-orthodoxer Priester hatte werden sollen, bekehrte sich 1923 zur Pfingstbewegung, überwarf sich aber mit einigen Missionaren und gründete die Indian Pentecostal Church of God. Diese Kirche und die Assemblies of God sind dort die beiden größten Pfingstkonfessionen. Sie hatten im Jahr 2000 je rund 750.000 Anhänger. Der bekannteste indische Evangelist für Heilungen ist D.G.S. Dhinakaran aus Tamil Nadu, ein Mitglied der Kirche von Südindien. Mit seinen »Jesus Ruft«-Kampagnen erreicht er viele Menschen.
Auch in Burma, Thailand, Malaysia und Singapur gibt es lebendige charismatische Kirchen und Pfingstkirchen. Am stärksten verbreitete sich die südostasiatische Pfingstbewegung allerdings in Indonesien. 1922 kamen amerikanische Pfingstmissionare holländischen Ursprungs nach Java. Zwischen 1965 und 1971 während der »Indonesischen Erweckung« konvertierten zwei Millionen Javaner zum Christentum, trotz schwerer Verfolgung seitens muslimischer Extremisten. Bis im Jahr 2000 gab es in Indonesien neun bis zwölf Millionen Pfingstler und Charismatiker, was etwa vier bis fünf Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Einige philippinische Pfingstmissionare, die in den USA übergetreten waren, gründeten im Jahr 1928 Kirchen in den Philippinen. Diese Kirchen wuchsen so schnell, dass die Katholische Kirche sie als Herausforderung ansah. Die drei größten Pfingstkirchen sind heute die 1978 von Eddie Villanueva, dem Präsidentschaftskandidaten im Jahr 2004, gegründete Jesus is Lord Church, die Jesus Miracle Crusade sowie die Assemblies of God. Die größte katholische charismatische Bewegung in der Welt ist die philippinische, von Mario (Mike) Verlade geleitete El Shaddai mit über sieben Millionen Mitgliedern.
Bereits ab 1907 waren westliche Pfingstmissionare auch in China aktiv. Im Jahr 1949, zur Zeit der Ausweisung westlicher Missionare, gab es zwar nur etwa fünf Millionen Christen auf dem chinesischen Festland, heute aber geht man von 20 bis zu 75 Millionen Mitgliedern nicht registrierter unabhängiger Bewegungen aus, so eine Schätzung im Jahr 2000. China hat inzwischen vielleicht die größte Anzahl von charismatischer Christen zu verzeichnen, die vor allem in den nicht registrierten unabhängigen Hauskirchen zusammenkommen (siehe auch den Artikel von Joseph Kahn). Diese haben sich in den vergangenen fünfzig Jahren trotz schlimmer Unterdrückungsmaßnahmen völlig isoliert vom Rest der Christenheit entwickelt und haben viele Merkmale der Pfingst- und Erweckungsbewegungen.
Mary Rumsey, die in der Azusa Street in Los Angeles die Geistestaufe empfangen hatte, gründete 1932 zusammen mit Heong Huh, dem ersten koreanischen Leiter der Assemblies of God, die erste Pfingstkirche in Seoul, Korea. Der 1936 geborene David (früher Paul) Yonggi Cho und seine spätere Schwiegermutter Jashil Choi (1915-1989) begannen 1958 ihre Arbeit in einer kleinen Zeltkirche in einem Slumviertel von Seoul. 15 Jahre später weihten sie eine Kirche mit 10.000 Plätzen ein, die so genannte Yoido Full Gospel Church (YFGC). Cho übernahm 1992 den Vorsitz der World Pentecostal Assemblies of God und im Jahr 1993 berichtete die YFGC, sie habe 700.000 Mitglieder und 700 Pfarrer und sei die größte christliche Gemeinde in der Welt.
Die Pfingstbewegung und die charismatische Bewegung haben in den letzten dreißig Jahren vor allem in Ländern des Südens, wo die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt, aber auch in Nordamerika und in Teilen Osteuropas wie der Ukraine und Rumänien ein beispielloses Wachstum erlebt.
Dabei gibt es in vielen Städten auf der ganzen Welt eine ganz neue Form der Pfingstbewegung, die gewaltigen Zulauf erhält. Diese zieht vor allem junge Menschen und Mittelschichtsangehörige an bzw. Personen die gern dazu gehören wollen. Sie verspricht nämlich Reichtum, Erfolg und Gesundheit, wenn man nur richtig glaubt und seinen Glauben mit Spenden untermauert. Diese Botschaften verbreiten Migranten in aller Welt, die als neue Missionare aus Korea, Nigeria, Brasilien und den USA ausschwärmen und mit ihrer modernen Musik und ihren elektronischen Medien vor allem jugendliche Mitglieder der etablierten Kirchen ansprechen. Sie propagieren dabei eine modische, globale Glaubenskultur mit pfingstlerischem Hintergrund, die sich dem jeweils lokalen Umfeld anpasst (siehe auch den Artikel von Bruno Wilhelm Speck). So manches Mal haben diese neuen Kirchen Menschen Hoffnung geboten, die in verarmten Ländern leben und unter zunehmender wirtschaftlicher Rezession leiden.
Die Pfingstbewegung, so zeigt diese zusammenfassende Darstellung, wird nicht so leicht wieder verschwinden und wahrscheinlich bis weit ins 21. Jahrhundert hinein der kräftigste Zweig des Christentums bleiben.
Definition:ZungenredeZungenrede, Glossolalie (von altgriechisch, »Zunge, Sprache« und, »sprechen, reden«) oder Sprachengebet bezeichnet in religiösen Gemeinschaften das Reden oder Beten in einer Sprache, die dem Sprecher unbekannt ist und das nach Überzeugung der Gläubigen unmittelbar vom Heiligen Geist bewirkt wird. Die Zungenrede erscheint im Alten Testament nicht, wird aber im Neuen Testament zu den Gaben des Heiligen Geistes gezählt. Sie ist auch aus fernöstlichen und afrikanischen Religionen bekannt und wird dort praktiziert. Die erste Erwähnung des Zungenredens findet sich in der Apostelgeschichte 2,1-13 im Bericht vom Pfingsttag. Weitere wesentliche Stellen, die auf die Lehre und Praxis der Zungenrede in der Urgemeinde hinweisen, kommen bei der Bekehrung des Cornelius, Apostelgeschichte 10,44-48, und 1. Korinther 14 vor. Paulus bestätigt die Praxis der Zungenrede, warnt aber vor Missbräuchen, und nennt sie weniger bedeutsam als die prophetische Rede, und vor allem die Liebe. Im heutigem Christentum sind besonders die Pfingstbewegung und die charismatische Erneuerung für das Zungenreden ihrer Mitglieder bekannt. Manche Leute mit der Gabe der Zungenrede können jederzeit in Zungenrede beten, andere nur aufgrund einer Eingebung. Die Zungenrede hat im Normalfall nichts mit Ekstase zu tun. Der Beter ist bei vollem Bewusstsein und kann den Vorgang kontrollieren, beispielsweise das Gebet beginnen oder beenden, laut oder leise beten. In der Pfingstbewegung und der charismatischen Erneuerung wird die Zungenrede üblicherweise als Zeichen dafür gewertet, dass der Betreffende den Heiligen Geist, die Geistestaufe, empfangen hat. In einem Teil der charismatischen Erneuerung hat die Zungenrede keine solche Bedeutung, sie ist eine Geistesgabe, die man haben kann oder auch nicht. Zungenrede während eines Gottesdienstes oder einer Gebetsgemeinschaft wird jedoch auch hier als Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes gewertet. Die Zungenrede kann im Rahmen eines Gottesdienstes oder einer Gebetsgemeinschaft ausgeübt werden, aber auch beim privaten Gebet. Die Auslegung kann durch den Beter selbst geschehen, in der Regel aber durch eine andere Person. Auch die Fähigkeit, eine Zungenrede auszulegen, gehört gemäß dem Neuen Testament zu den Gaben des Heiligen Geistes. Die Auslegung der Zungenrede gilt zwar als Botschaft des Heiligen Geistes, ist jedoch nicht sakrosankt, sondern wird von der Gemeinschaft beurteilt und ist der biblischen Botschaft untergeordnet. Das wesentlichste Kriterium der Beurteilung ist, ob die Auslegung der Bibel (respektive der Bibelinterpretation der Gemeinschaft) nicht widerspricht. Wenn mehrere Leute anwesend sind, die die Gabe der Auslegung haben, prüfen diese gewöhnlich auch, ob sie sinngemäß eine ähnliche Auslegung gefunden haben, was in der Praxis oft der Fall ist. Die Erklärung dafür muss jedoch zum Beispiel bei einer Gebetsgemeinschaft von Gleichgesinnten nicht zwingend übernatürlich sein. Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/Zungenrede
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MISSIONARE AUS KOREA:WeltbekehrungSüdkorea ist eine Nation christlicher Superlative. Sie hat die größten presbyterianischen, methodistischen und baptistischen Kirchen sowie die größten Pfingst- und Heiligungbewegungen der Welt. Etwa 25 Prozent der Bevölkerung Südkoreas sind protestantisch, davon gehört aber die weitaus größte Mehrheit evangelikalen, charismatischen oder pfingstlerischen Strömungen an. Als Folge des »Koreanischen Pfingstereignisses« von 1907 bis Anfang 1909 sind alle protestantischen Kirchen von einer Erweckungserfahrung durchdrungen. Deshalb hat sich die Missionsarbeit zu einer der wichtigsten kirchlichen Aktivitäten entwickelt. Koreanische Kirchen haben nicht nur ausgeklügelte Pläne, den kommunistischen Norden und China zu erreichen, sondern sie verstehen sich selbst auch als die Nation, die Gott besonders auserwählt hat, um das Evangelium in alle Winkel der Erde zu bringen. Koreanische Missionare sind in fast jedem Land tätig, keineswegs nur unter koreanischen Migrantengemeinden. Die meisten von ihnen werden von den Ortsgemeinden in Korea unterstützt, die kleine »Missionsvereine« bilden, die keinen anderen Zweck haben als ihre »Missionare« zu unterstützen. Die größte protestantische Kirche in Korea ist die Presbyterianische Kirche, aber auch unter den Presbyterianern gibt es Dutzende von Abspaltungen, und alle haben ihre eigenen Missionsgesellschaften. Korea gehört zusammen mit Indien, Brasilien und Nigeria zu den Ländern, die im 21. Jahrhundert die meisten Missionare aussenden. Allan Anderson |
aus: der überblick 01/2005, Seite 26
AUTOR(EN):
Allan Anderson:
Dr. Allan Anderson leitet die Forschungsabteilung für Pfingstkirchliche Studien im Fachbereich Theologie an der Universität von Birmingham, Großbritannien.