Neuer Auftrieb
Für "Brot für die Welt" zu werben, ist in Mecklenburg nicht leicht. Zu Zeiten der DDR waren Spenden für das Werk auch eine verdeckte Äußerung gegen die staatliche verordnete "internationale Solidarität". Heute konkurriert "Brot für die Welt" mit Direktpartnerschaften und mit dem Finanzbedarf der Gemeinden zu Hause. Auch die schwache Wirtschaftskraft und die hohe Arbeitslosenquote im Land machen sich bemerkbar.
von Carsten Heinemann
Zu DDR-Zeiten war "Brot für die Welt" ein selbstverständlicher Teil der kirchgemeindlichen Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern. Traditionell wurde am ersten Advent und zu Weihnachten für die Menschen im Süden gesammelt, manchmal auch noch zu Ostern. Diese Sammlung zu unterstützen, war ein stillschweigender Protest gegen staatlich verordnete Einseitigkeit. Denn der SED-Staat förderte zwar entwicklungspolitisch die Solidarität mit den sozialistischen Bruderstaaten. Aber ein Engagement darüber hinaus war nicht gefragt. "Brot für die Welt" macht hier jedoch bis heute keine Unterschiede und förderte schon damals Projekte unabhängig vom politischen Wohlwollen gegenüber der Regierung des Empfängerlandes. Wer sich für "Brot für die Welt" einsetzte, der wusste das.
Da die DDR-Mark nicht frei konvertierbar war, wurde das in den Kirchgemeinden gesammelte Geld über Umwege getauscht. Zunächst wurden die Spenden in der Landeskirche gesammelt und anschließend zum Diakonischen Werk der DDR nach Berlin überwiesen. Der Erlös in DDR-Mark wurde dann mit den Unterstützungsgeldern der EKD für die DDR-Kirchen verrechnet, das heißt die EKD überwies weniger Zuschuss. Manchmal wurden aber auch direkt Sachspenden gekauft und dann verschifft. So konnten die Christen in der DDR trotz der Mauer ihren Beitrag zur Unterstützung der Menschen im Süden leisten.
Mit der Wende kam die Reisefreiheit, und durch das Reisen entstanden Kontakte in alle Welt. Aus manchen Begegnungen in fernen Ländern entwickelten sich Hilfsprojekte direkt von Kirchengemeinden oder -kreisen. "Es gibt Beispiele für gelungene Partnerschaften", sagt der mecklenburgische Landespastor für Mission und Ökumene Hans-Wilhelm Kasch. "Es gibt aber auch zahlreiche Projekte, bei denen sich die Helfer übernommen haben und denen der direkte Kontakt und die Hilfe über den Kopf gewachsen ist." Meistens wurden bei diesen Hilfen die Regeln, die für eine nachhaltige Entwicklung gelten, nicht berücksichtigt.
Auf der anderen Seite sank nach der Wiedervereinigung die Unterstützung und Akzeptanz von "Brot für die Welt". Zu groß, zu unübersichtlich, keine konkrete Hilfe, so lauten die Vorwürfe an das Werk. Viele Kirchgemeinden haben sich von der Sammlung für "Brot für die Welt" verabschiedet, wie das rückläufige Spendenergebnis zeigt. Wie sehr sich "Brot für die Welt" für Nachhaltigkeit einsetzt und was für hohe Anforderungsmaßstäbe bei der Projektförderung angesetzt werden, ist nur schwer vermittelbar und für die Spender in den Kirchgemeinden nicht nachvollziehbar. Viele möchten sehen, wohin ihr Geld fließt.
"Wir merken, dass das Kirchensteueraufkommen sinkt und dass in den Kirchgemeinden stärker für die Finanzierung der eigenen Arbeit gesammelt werden muss", stellt Landespastor Dr. Hartwig Daewel vom Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs e.V. fest. Mittlerweile werden vielfach die traditionell für "Brot für die Welt" bestimmten Kollekten geteilt: ein Teil ist bestimmt für die Arbeit von "Brot für die Welt", ein Teil geht an eigene Projekte oder nach Osteuropa und ein Teil ist bestimmt für die Arbeit in der eigenen Gemeinde.
Aber auch die schwache Wirtschaftsstruktur mit einer hohen Arbeitslosenquote (im Juni 2003 bei 19,6 Prozent) macht sich bemerkbar. Im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern (76 Einwohner pro Quadratkilometer) leben mit 1,76 Millionen Menschen etwa so viele wie im Stadtstaat Hamburg (2290 Einwohner pro Quadratkilometer). Nur haben die Menschen in Mecklenburg weitaus weniger Geld zur Verfügung. Wer selber von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe lebt, hat kaum etwas zum Spenden zur Verfügung. Zu dem erschwert die ländliche und kleinräumige Struktur die inhaltliche Arbeit von und mit Multiplikatoren. Wer sich engagieren will, muss lange Fahrzeiten in Kauf nehmen, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen. Bei den vielen Anforderungen, die in den Kirchgemeinden zu leisten sind, gerät die Eine-Welt-Arbeit da leicht ins Hintertreffen.
Neuen Auftrieb hat die Sammlung für "Brot für die Welt" allerdings durch die Zentrale Eröffnung 2002 in Schwerin bekommen. Auch die Entscheidung, jährlich in Mecklenburg eine Landeseröffnung von "Brot für die Welt" am Sonnabend vor dem ersten Advent zu feiern, fördert das Anliegen der Spendenhilfsorganisation. Jedes Jahr lädt eine andere Propstei zu diesem Gottesdienst ein. Im Rahmenprogramm engagieren und präsentieren sich Eine-Welt-Gruppen. Aktionen, Berichte aus den Ländern des Südens und Informationsstände runden die Veranstaltung ab. Die Landeseröffnung in der eigenen Propstei ist für viele Kirchgemeinden wieder ein Anlass, sich stärker um "Brot für die Welt" zu kümmern. In diesem Jahr findet die Landeseröffnung in Ludwigslust am Sonnabend, 29. November, statt. Neben dem Gottesdienst wird es eine Großpuppenparade geben, einen Kaffee-Parcour und frisches Brot aus dem Holzbackofen. Gleichzeitig wird ein neuer Eine-Welt-Laden in der Stadt Ludwigslust eröffnet.
Ein wichtiger Partner von "Brot für die Welt" in Mecklenburg ist die Bäckerinnung des Bäcker- und Konditorenhandwerkes Mecklenburg-Vorpommern geworden. Gemeinsam mit den Bäckern wird das "Brot der Welt" vertrieben. Einmal jährlich im Herbst gibt es eine Auftaktveranstaltung, bei der die Sammlung der Bäcker eröffnet wird. Bis in den Februar hinein und darüber hinaus wird dann das "Brot der Welt" angeboten; von jedem verkauften Kilo gehen 10 Cent direkt an "Brot für die Welt". Mittlerweile ist diese Sammlung der Bäcker ein nicht unerheblicher Anteil am Gesamtspendenaufkommen für "Brot für die Welt" in Mecklenburg, das leider immer noch rückläufig ist.
Spendenaktion | bundesweit | Mecklenburg |
43.Aktion 2001-2002 | 58.726.601 Euro | 219.970 Euro |
42. Aktion 2000-2001 | 56.725.601 | 273.970 |
41. Aktion 1999-2000 | 49.539.544 | 309.719 |
aus: der überblick 03/2003, Seite 136
AUTOR(EN):
Carsten Heinemann:
Carsten Heinemann ist Beauftragter für "Brot für die Welt" in Mecklenburg im Diakonischen Werk der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs e.V.