Die Leute in Bumbuli wollen mitentscheiden
Bumbuli liegt mitten in den Usambara-Bergen in Tansania und ist ein Zentrum der Gegend, weil es ein großes Krankenhaus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT) beherbergt. Dessen Ruf war einst ausgezeichnet und hallt noch nach. Heute decken die Einnahmen auch dieses Krankenhauses die Kosten bei weitem nicht.
von Luise Steinwachs
Wie private und staatliche Krankenhäuser nehmen die Einrichtungen der Kirchen unter anderem Gelder durch eine Kostenbeteiligung derjenigen ein, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Einige Leistungen wie Impfungen und die Behandlung von Kindern unter fünf Jahren sind davon zwar ausgenommen. Diese Kostenbeteiligung ist trotzdem besonders für Menschen mit geringem und unregelmäßigem Einkommen untragbar.
Die Bevölkerung in und um Bumbuli lebt neben der Subsistenzlandwirtschaft vor allem vom Teeanbau und dem Anbau von Bohnen, die zum Teil direkt für die Märkte in Dar es Salaam abgeholt werden. Die große Erntezeit reicht vom November bis in das neue Jahr hinein. Ich war im letzten Juli und August in Bumbuli, Monaten, in denen alle auf diese Zeit der Ernte hinlebten, wenn es wieder genug zu essen und hoffentlich auch zu verkaufen gibt. Das Auftreten von Krankheiten nimmt auf diese Einkommensschwankungen natürlich keine Rücksicht. Mittel für medizinische Behandlungen müssen das ganze Jahr hindurch aufgebracht werden, auch wenn die Einkommenssituation dem Jahresrhythmus mit Ernte, Regen- und Trockenzeit unterliegt. Daher war vor der Ernte das Krankenhaus in Bumbuli fast leer, die Menschen hatten kein Geld für Behandlungen.
Bei einer Dorfversammlung in Kwemilungu in der Nähe von Bumbuli, wurde erzählt, dass viele ihre Verwandten zu Hause betreuen, die eigentlich dringend ins Krankenhaus gebracht werden müssten. Aber dafür fehlt das Geld. Und kostenlose Behandlungen sind auch in Bumbuli nicht möglich. Deshalb haben große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu notwendigen Gesundheitsleistungen.
Der staatliche Gesundheitsdienst in Tansania reichen nicht bis dahin, wo die Mehrheit der Bevölkerung in ländlichen Gegenden und von unregelmäßigem, meist geringem Einkommen lebt. Die Mitgliedschaft im National Social Security Fund ist Pflicht für die wenigen formal Angestellten. Auch Staatsbedienstete haben eine Krankenversicherung. Von staatlicher Seite aus gibt es den Versuch, auch für die Mehrheit der Bevölkerung mit unregelmäßigem und geringem Einkommen ein Sicherungssystem auf Distriktebene einzuführen. Doch werden diese Anfänge durch riesige Subventionen der Weltbank ad absurdum geführt. Hier wird genau das verhindert, was notwendig wäre: die unterstützende Förderung von Ansätzen zur Selbstorganisation.
Viele Initiativen in Tansania bemühen sich um den Aufbau und die Stärkung neuer Formen sozialer Organisation, die Sicherungsfunktionen übernehmen könnten. Da die Kirchen häufig Trägerin von Gesundheitseinrichtungen sind, lassen sich hier besonders viele Initiativen finden (unter anderem durch die anglikanische Kirche in Mwanza und die moravische Kirche in Mbezi). Oft basieren diese Ansätze auf schon existierenden Gruppen. Zum Beispiel unterstützt die katholische Kirche zwei Kirchengemeinden in Dar es Salaam beim Aufbau eines Gesundheitsfonds. Mehrere Marktgruppen in Dar es Salaam, die in Kooperativen zusammen arbeiten (zum Beispiel die Hühnerschlachter auf dem Kisutu Markt), haben beschlossen, neben den ohnehin täglich zu zahlenden Mitgliedsbeiträgen einen kleinen Aufschlag für einen Gesundheitsfonds ebenfalls täglich einzusammeln, der die Behandlung der Mitglieder und ihrer Familien übernimmt. Gemeinsam ist diesen Initiativen, dass die Systeme von denjenigen, die die Beiträge zahlen und die Dienste in Anspruch nehmen, selbst verwaltet und organisiert werden und in ihrem Besitz sind. Grundlage hierfür ist, dass sich die Menschen, die sich gemeinsam organisieren, kennen. Sie wissen um die persönliche Situation der einzelnen Mitglieder, mit allen Stärken und Schwächen. Sie können darauf vertrauen, dass sie im Krankheitsfall auf die Mittel zurückgreifen können und sind daher bereit, im Voraus Beiträge zu zahlen. Mitglieder einer Händlerkooperative auf dem Mwananyamala Markt in Dar es Salaam berichten, dass sie die Beitragszahlung sogar differenziert gestalten, nämlich entsprechend der täglichen Einnahmen der einzelnen Händlerinnen und Händler.
Auch die Mitglieder des Community Health Fund (CHF) der ELCT sind in Gruppen organisiert, zum Beispiel die größere Familie oder die in einem Haushalt lebenden Personen. Die ELCT folgt aber bei Verwaltung, Kontrolle und Besitz einem etwas anderen Modell als andere Gesundheitsfonds: Zwar sollen alle Entscheidungen in enger Zusammenarbeit und Absprache von CHF-Mitgliedern und Krankenhaus erfolgen, der Fonds selbst ist Teil in der Verwaltung des Krankenhauses. Die Gelder des Fonds gehören jedoch den Mitgliedern. Das umfassende Anliegen ist, sowohl den Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen für alle Teile der Bevölkerung als auch langfristige finanzielle Planungen der Krankenhäuser durch regelmäßige Einnahmen zu sichern. Die einzelnen CHFs, die in mehreren Krankenhäusern der ELCT gegründet worden sind, werden jeweils lokal ausgestaltet und hängen nicht zusammen.
Für dieses Modell, das nicht direkt von den Mitgliedern gestaltet und kontrolliert wird, entschied sich die ELCT aus Gründen der Qualitätssicherung beim Management, der Definition des Leistungsumfangs und der Kontrolle medizinischer Leistungen. Daraus ergeben sich freilich Konflikte, da nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass die Gestaltung des Fonds den Lebenswirklichkeiten der Mitglieder entspricht. Bei meinen Gesprächen mit den Menschen in Bumbuli wurden die Konfliktbereiche immer wieder benannt.
Derzeit muss zum Beispiel die erste Hälfte des Jahresbeitrages für eine Familie sofort bezahlt werden, der volle Sicherungsanspruch tritt aber erst in Kraft, wenn der gesamte Betrag von 20.000 Shilling (für 6 Personen) bezahlt worden ist, eine sehr hohe Summe für die Familie einer Krankenschwester, die 27.000 Shilling im Monat verdient, oder die eines Feldarbeiters, der am Tag 500 Shilling bekommt, falls er denn überhaupt Arbeit findet. Für viele Familien ist ein so teurer Gesundheitsfonds illusorisch. Da entsprechen selbstgestaltete Fonds der Marktgruppen in Dar es Salaam, die die Möglichkeit bieten, täglich kleine Beträge zu sammeln, viel eher der alltäglichen Lebenssituation der Menschen. Eine Kombination aus großen Beitragssummen (zum Beispiel nach dem Verkauf der Ernte) und kleinen Beträgen (wöchentlich, monatlich) würde daher in Bumbuli auch den jahreszeitlichen Einkommensschwankungen gerecht werden.
Auch wird immer wieder gesagt, dass CHF in Bumbuli nicht die notwendige Sicherungsfunktion bieten kann, da wirklich große medizinische Eingriffe wie Operationen nicht übernommen werden. Der Sicherungsanspruch umfasst nur den doppelten Betrag der eingezahlten Summe. Die Kosten einer Operation können aber leicht das Fünffache übersteigen. Die jährliche Zahlung des Mitgliedbeitrages ist nach Meinung vieler nur angemessen, wenn der Sicherungsschutz dann auch wirklich nach oben offen ist. Einer meiner Gesprächspartner verglich CHF mit einer Autoversicherung. "In die Autoversicherung zahlt man jedes Jahr, auch wenn man keinen Unfall hatte. Wenn dann ein Unfall passiert, muss die Versicherung auch den Schaden zahlen. CHF ist nicht wirklich eine Versicherung. Wenn man krank ist, zahlt CHF eben nur einen kleinen Teil der Behandlung. Aber bezahlen muss man trotzdem jedes Jahr." Auch der Ausschluss von Überweisungen in Fachkrankenhäuser, wodurch letztendlich wirklich große Kosten entstehen können, ist für viele nicht akzeptabel. Für "kleine" Gesundheitsprobleme ist CHF zu teuer, für große Probleme jedoch nicht ausreichend.
Viele Menschen stellen sich die Frage, wohin denn das Geld gegangen sei, wenn nach einem Jahr wieder gezahlt werden muss, ganz unabhängig davon, ob und wie viel Gesundheitsleistungen genutzt worden sind? Darin wird eine klare Distanz zum Krankenhaus als der Stelle, die die Gelder kontrolliert, verwendet und verwaltet, ausgedrückt. Viele Bewohner Bumbulis gehen davon aus, dass die Gelder des Gesundheitsfonds dem Krankenhaus sogar gehören und somit ganz klar der Kontrolle der Mitglieder entzogen sind.
In den Gesprächen mit den Bewohnern in Bumbuli und in den umliegenden Dörfern wurde deutlich, dass die volle Verantwortlichkeit und Identifizierung mit CHF nicht ohne die Möglichkeit der Gestaltung, Kontrolle, Information über Verwendung von Mitteln und durch das Bewusstsein, dass die gezahlten Beiträge den Mitgliedern und nicht dem Krankenhaus gehören, entstehen. In Bumbuli ist daher vor allem eine wesentlich stärkere Einbeziehung der Bevölkerung in all diese Bereiche erforderlich.
Überwinden lassen sich solche Konflikte nur durch eine enge Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Kontrolle unter Einbeziehung möglichst vieler verschiedener Ansichten und Lebensumstände. Im vergangenen Jahr wurde daher ein CHF-Team eingesetzt, dass eng mit der Bevölkerung zusammen notwendige Korrekturen vornehmen will. Auch wird darüber nachgedacht, ein Verfahren zu entwickeln, dass Menschen, die nicht in der Lage sind, Behandlungen zu bezahlen, von der Kostenbeteiligung befreit. Dafür eine Regelung zu finden, ist aber sehr schwer.
Positiv ist auf jeden Fall, dass für CHF-Mitglieder der schnelle und direkte Gang ins Krankenhaus keine Frage ist. Mussten sie vorher oft langwierig das notwendige Geld organisieren oder gingen sie erst in die kostengünstige staatliche Gesundheitsstation oder in die Apotheke, so gehen sie jetzt direkt in die Ambulanz des Krankenhauses. Dieser Zeit- und Qualitätsfaktor ist oft von entscheidender Bedeutung.
Wenn es in Bumbuli gelingt, die angesprochene Bevölkerung wirklich als Partnerin in der Entwicklung eines Modells wahrzunehmen und die Gestaltung gemeinsam zu diskutieren und voranzubringen, wird damit auch die Verantwortlichkeit und Identifizierung mit dem CHF wachsen und dieser wird hoffentlich dadurch eine langfristige Sicherungsgrundlage darstellen.
Nicht nur im Rahmen einer staatlichen Gesundheitspolitik, sondern auch bei externer Unterstützung des Landes muss es darum gehen, die vorhandenen Strukturen zu stärken, und nicht darum, sie durch standardisierte Großmodelle zu ersetzen. Wichtig ist hierbei die Schaffung von Rechtssicherheit der neuen kleinen Modelle und damit die Integration in den offiziellen Gesundheitsbereich. Auch der Staat sollte lokale Initiativen eher unterstützen, als sie mit Weltbankgeldern ersetzen zu wollen.
aus: der überblick 01/2001, Seite 144
AUTOR(EN):
Luise Steinwachs :
Luise Steinwachs koordiniert das Tanzania-Network.de e. V. und hat ihre Diplomarbeit über die tansanische Gesellschaft geschrieben.