"Wir haben verborgene Schätze gehoben"
Die erste Entwicklungspolitische Konferenz der Kirchen und Werke (EPK) hat am 23.-24. Oktober in der Evangelischen Akademie Hofgeismar getagt. Eingeladen hatte ein Trägerkreis, der sich aus "Brot für die Welt", dem Kirchenamt der EKD und dem EED zusammensetzt. Christoph Wilkens, der Referent für ökumenische Begegnung im EED, hat die EPK im Auftrag des Trägerkreises geschäftsführend vorbereitet. Er erläutert den Zweck des neuen Gremiums.
von Bernd Ludermann
Was soll mit der neuen Entwicklungspolitischen Konferenz erreicht werden?
Die EPK soll zum einen den Austausch und die Vernetzung innerhalb der Evangelischen Entwicklungsarbeit fördern. Die erste Tagung im Oktober hat gezeigt, dass es einen größeren Bedarf an Austausch, Kennenlernen und Vernetzen gibt, als viele wahrhaben wollten. Zum Beispiel ist vorher kritisiert worden, dass sich da nur die treffen, die sich ohnehin immer treffen. Deshalb habe ich der Tagungsstätte gesagt, dass wir keine Namensschilder brauchen, denn es kennen sich ja alle. Die erste Kritik von den Teilnehmenden war dann: Warum gibt es keine Namensschilder? Es kennen sich eben nicht alle, und sie wissen auch nicht genau, was die anderen tun. Am Ende haben die Teilnehmenden gesagt, die Konferenz sei für ihre Arbeit wichtig und solle wieder stattfinden. Wir planen jetzt, dass sie sich einmal pro Jahr trifft.
Wer ist dort vertreten?
Vor allem vier Bereiche: Die Landeskirchen und die EKD, die Entwicklungswerke aus dem evangelischen Umfeld, weiter die Missionswerke und schließlich Verbände wie der Weltgebetstag der Frauen und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend.
Sind auch Vertreter der katholischen Seite beteiligt?
Wir hatten Misereor eingeladen. Aber Dr. Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer bei Misereor, musste wegen einer internationalen Dienstreise absagen.
Auf welcher Ebene waren die Kirchen und Werke vertreten?
Unterschiedlich. Vor allem die Arbeits- und weniger die Leitungsebene. Einige hatten Mitarbeitende der Inlands-, Öffentlichkeits- oder Kampagnenarbeit geschickt. Aber auch die internationale Programmarbeit war dabei. Bei der Auswahl der Vertreter wurde offenbar auf die Themen des Tagungsprogramms geachtet.
Sind Absprachen der Kirchen und Werke das Ziel der EPK?
Die EPK kann nicht die Entscheidungsprozesse in den beteiligten Organisationen aushebeln. Absprachen können deshalb nur auf der Arbeitsebene getroffen werden: Teilnehmende der EPK können anbieten, bei einzelnen Themen, die dort behandelt werden, tätig zu werden. Zum Beispiel könnte jemand zusagen, sich dafür einzusetzen, dass sein Werk zu einem Thema eine Studie verfasst oder sich an einer Kampagne beteiligt.
Wie verbindlich sind solche Absprachen?
Diese Frage wurde auf Konferenz selbst heftig diskutiert. So wie die EPK zusammengesetzt ist, können die Teilnehmenden keine Zusagen machen, die ihre Institutionen binden. Sie können aber auf der Arbeitsebene Vereinbarungen treffen. Einige Ergebnisse der Konferenz verdeutlichen das: Auf die Frage "Wie wichtig ist uns eigentlich das Studienbegleitprogramm für ausländische Studierende (Stube)?" hat sich spontan eine Arbeitsgruppe gebildet. Sie will diese Arbeit stärker in den Kirchen verankern und an verschiedenen Stellen auf die Tagesordnung bringen.
Welche Themen und Arbeitsbereiche sollen in der EPK koordiniert werden?
Schwerpunkt der ersten Tagung war die Lobby- und Kampagnenarbeit: Über Themen wie Aids, Entschuldung und Fairer Handel wurde berichtet und diskutiert. Als neues Thema stand das Menschenrecht auf Wasser auf dem Programm. "Brot für die Welt" hat das Thema eingebracht, bevor feststeht, was sie im Einzelnen dazu machen werden. Man kann also auf diesen Zug noch aufspringen. Einige haben das während der EPK getan. Die nächste Tagung wird einen anderen Schwerpunkt haben. Wichtig ist, dass in der EPK internationale Zusammenarbeit und Inlandsarbeit miteinander verknüpft werden können.
Kampagnen richten sich an die Öffentlichkeit. Soll die EPK das Auftreten der Kirchen und Werke nach außen verändern oder sich selbst öffentlich äußern?
Der Trägerkreis hat ein Modell für die EPK vorgeschlagen, das besagt: Die Autorität liegt bei den Kirchen und Werken, nicht bei der EPK. Das gilt für die Öffentlichkeitsarbeit wie für Absprachen und Entscheidungen. Dieses Modell, gleichsam der größte gemeinsame Nenner, ist von den Teilnehmenden angenommen worden. Die EPK ist demnach ein Forum, das über das, was die Teilnehmenden einbringen und mitnehmen, in die Werke und Verbände hineinwirkt. Wenn es in Zukunft einen größeren gemeinsamen Nenner unter den Mitgliedern geben sollte, müsste die EPK darauf reagieren. Aber das Zauberwort heißt "gemeinsam".
Gibt es nicht schon eine Reihe Koordinationsgremien - etwa die Länderrunden oder Kampagnenräte?
Natürlich kann man in der evangelischen Entwicklungsarbeit nicht über einen Mangel an Konferenzen klagen. Vielleicht sind nicht mehr alle davon heute noch notwendig. Und wenn man etwas Neues etablieren will, wird man besonders kritisch beäugt. Doch bei der ersten Tagung ist der Mehrwert der EPK deutlich geworden: Hier kommen - anders als in vielen auf ein Thema spezialisierten Gremien - Menschen mit Themen in Berührung, die sich sonst nicht damit befassen würden. Wir dachten vorher, die Kampagnen wären ohnehin überall bekannt. Aber wir sind auf einige verborgene Schätze gestoßen, die noch nicht gehoben sind.
Zudem: Außer für eng abgegrenzte Themen gibt es kein Gremium, in dem Kirchen, Entwicklungswerke, Missionswerke und Verbände zusammenkommen. Darin liegt der besondere Charme der EPK. Die Konferenz macht so deutlich, dass die globale Verantwortung der Kirchen nicht an Werke delegiert wird, sondern dass wir sie gemeinsam wahrnehmen.
Die Dokumentation der ersten Tagung der EPK kann bestellt werden beim EED, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Ulrich-von-Hasselstr. 76, 53123 Bonn.
aus: der überblick 04/2002, Seite 140
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".