40 Jahre Dienste in Übersee
Im September werden 40 Jahre Dienste in Übersee gefeiert. Es wird das letzte Jubiläum des evangelischen Personalfachdienstes sein, denn DÜ wird in den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) integriert. In diesem "Forum" wird eine Bilanz nach vier Jahrzehnten DÜ gezogen. Dabei geht es auch um eine Frage, die die Arbeit von Dienste in Übersee in den zurückliegenden Jahren permanent begleitet hat: Werden deutsche Expertinnen und Experten noch in Übersee benötigt, gibt es nicht genügend einheimische Fachkräfte?
von Frank Kürschner-Pelkmann
DÜ hat diese Frage nicht mit einer Verteidigung des Status quo beantwortet, sondern mit einem intensiven Dialog mit Partnerkirchen und -organisationen darüber, ob und in welchen Bereichen weiterhin Fachkräfte aus Deutschland benötigt werden. Das hat zu einer fundamentalen Umstellung im Berufsprofil der vermittelten Fachkräfte und zur Entstehung neuer Programme geführt, mit denen dem heutigen Bedarf der Partner besser entsprochen werden kann.
Dieses Erbe der Flexibilität und der kritischen Reflexion über die eigene Arbeit bringt DÜ in den EED ein. Dass die Vermittlung von Fachkräften zu den EED-Schwerpunkten gehört, bildet eine solide Grundlage dafür, dass kein Traditionsabbruch erfolgt, sondern immer neu debattiert wird, wo eine Vermittlung deutscher Fachkräfte sinnvoll ist und wo Einheimische eine Arbeit sehr viel wirkungsvoller ausführen können, was dann in aller Regel mit sehr viel niedrigeren Kosten verbunden ist.
Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um vorherzusehen, dass angesichts einer knappen Mittelsituation die Kostenfrage an Gewicht gewinnen wird. Das ist berechtigt, aber es darf nicht der alles beherrschende Gesichtspunkt sein. Im intensiven Dialog mit den Partnern in Übersee muss geklärt werden, warum für welchen Zweck eine Fachkraft aus Deutschland angefordert wird. Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Was kann diese Fachkraft anschließend mit den Erfahrungen und Einsichten aus dem Übersee-Einsatz in Deutschland tun?
Gefragt ist vor allem die Fähigkeit, Brücken in einer Welt zu bauen, die durch moderne Kommunikationstechniken einerseits immer mehr zusammenwächst, in der aber andererseits die Gegensätze und Abgrenzungen, vor allem aber die Ausgrenzungen zunehmen. Die für eine Vermittlung nach Übersee geforderte kulturelle Kompetenz kann sich auch nach der Rückkehr im Engagement dafür bewähren, dass hierzulande das Wirtschafts- und Alltagslebens stärker im Horizont der "Einen Welt" steht, also offener wird für die Verantwortung und für die Chancen, die sich daraus ergeben, dass die Welt zum "Dorf" geworden ist. Weltverantwortung gewinnt so eine neue Bedeutung, ist nicht mehr nur die Mitverantwortung für das Wohlergehen von Menschen in weit entfernten Ländern.
Die zurückgekehrten Fachkräfte können diese Aufgabe nicht lediglich als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer wahrnehmen, sondern die Gründung des "Eine Welt"-Werkes EED mit der Verknüpfung von Inlands- und Überseearbeit hierfür ganz neue Möglichkeiten eröffnen. "Menschen bewegen", der Slogan von DÜ, kann so enger als schon in der Vergangenheit verbunden werden mit Bildungs- und Advocacyarbeit, mit Kampagnen und der Förderung von wegweisenden Programmen von Partnern in Übersee.
Der EED braucht ein Fundament in unseren Kirchen und in der Gesellschaft, wenn er mehr sein soll als eine Agentur zur Vermittlung von Geldern und Fachkräften. Die Menschen, die als Fachkräfte in Übersee tätig sind, und diejenigen, die wieder nach Deutschland zurückkehren, stellen ein wichtiges Potential für die Basisverbindung des EED dar. Es gilt, sie systematisch zu nutzen. Personalaustausch ist in diesem Horizont eine Aufgabe mit Zukunft, und so sind 40 Jahre Diente in Übersee nicht nur ein Grund, die vielen positiven Ergebnisse der Vergangenheit zu feiern (auch das ist wichtig!), sondern kann zum Ausgangspunkt dafür werden, die Fähigkeiten und das Engagement der Menschen, die sich "bewegen" lassen, noch stärker im eigenen Land zur Geltung kommen zu lassen.
aus: der überblick 03/2000, Seite 111
AUTOR(EN):
Frank Kürschner-Pelkmann:
Frank Kürschner-Pelkmann ist Redakteur der FORUM-Seiten im überblick