Einheimische und internationale NGOs haben gemeinsam Einwände gegen das Erdölprojekt im Tschad vorgebracht - mit wenig Erfolg
Drei Ölkonzerne wollen im Süden des Tschad Öl fördern und dafür eine Pipeline an die Küste Kameruns bauen. NGOs aus dem Norden und aus dem Tschad und Kamerun selbst haben gemeinsam international Druck ausgeübt, um das Projekt umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten. Doch obwohl die Weltbank das Projekt fördert, und daher dem Tschad und den beteiligten firmen Bedingungen stellen kann, wurden die meisten Einwände der NGOs übergangen; manche Versprechen, die ihnen gegeben wurden, sind bereits gebrochen.
von Martin Zint
Im Tschad haben die Bauarbeiten für die wahrscheinlich größte privatwirtschaftliche Investition seit vielen Jahren in Afrika südlich der Sahara begonnen. 3,7 Milliarden US-Dollar will ein Konsortium unter der Führung der Firma ExxonMobil ausgeben, um Ölfelder im Süden der Republik Tschad zu erschließen und eine 1050 Kilometer lange Pipeline zu bauen, durch die das Öl an die Atlantikküste Kameruns transportiert werden soll. Die nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) des Tschad und Kameruns haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren gemeinsam mit zahlreichen anderen NGOs aus Ländern Afrikas und des Nordens versucht, die öffentliche Aufmerksamkeit im In- und Ausland auf die enormen Risiken dieses Projektes zu lenken.
Beteiligt an dem Projekt und der Auseinandersetzung darüber sind die Bevölkerung und die Regierungen des Tschad und Kameruns; die Firmen ExxonMobil aus den USA - diese hält 40 Prozent an dem Konsortium -, Petronas aus Malaysia (35 Prozent) und Chevron aus den USA (25 Prozent); die von den Regierungen des Tschad bzw. Kameruns sowie dem Konsortium gegründeten Öltransportfirmen Camerun Oil Transportation Company (COTCO) und Tschad Oil Transportation Company (TOTCO); die Weltbank; sowie die europäischen und nordamerikanischen NGOs. Alle sind sich einig, dass das Projekt erhebliche Risiken birgt.
Erstens politische Risiken: Die meisten Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent werden ausgetragen, weil in den jeweiligen Staaten keine Einigkeit darüber herrscht, auf welche Weise die Rohstoffe wirtschaftlich verwertet werden sollen. Zweitens soziale Risiken; hierzu zählen die brutale Unterdrückung der direkten Anwohner der Pipeline, Menschenrechtsverletzungen gegenüber Kritikern des Projekts, der ungesteuerte Zuzug in eine Region ohne Infrastruktur, die Zerstörung eingeführter Wirtschaftsweisen und die Ausbreitung von Krankheiten - nicht zuletzt AIDS (in Kamerun sind unter anderem die Pygmäen gefährdet, deren Lebensraum die Pipeline durchquert). Drittens bestehen ökologische Risiken: Das Ölgebiet ist identisch mit dem Quellgebiet der beiden großen Flüsse des Tschad. Der unkontrollierte Austritt von Öl hätte katastrophale Folgen für das ganze Land. Die 300 Bohrlöcher entstehen in der fruchtbarsten Gegend eines Landes, für das die Welternährungsorganisation FAO in ihrem jüngsten Bericht vor Hungersnot warnt. Auch in Kamerun birgt die Pipelinetrasse vielfältige ökologische Risiken.
Trotz dieser Bedenken und vielfältiger Proteste beschloss die Weltbank im Juni 2000, das Projekt mit Krediten an die Regierungen des Tschad und Kameruns zu fördern. Im Oktober 2000 hat ExxonMobil mit den Bauarbeiten begonnen.
Die Mobilisierung von NGOs rund um das Projekt war ohne Beispiel, stellen kameruner und tschadische Gruppen im Protokoll eines Vernetzungstreffens vom Februar 2001 in Kamerun fest. Bis Anfang 1998 hatte es keine Kontakte zwischen den Gruppen im Tschad und in Kamerun oder gar denen aus dem Nigerdelta gegeben. Reisen in der Region sind teuer, beschwerlich und gefährlich. Vermittelt von NGOs im Norden gab es aber gegenseitige Einladungen, die mit finanzieller Unterstützung der Partner im Norden auch wahrgenommen werden konnten. So kam es seit 1998 zu mehreren Vernetzungstagungen im Tschad und in Kamerun sowie zu einer Reise tschadischer und kameruner NGO-Vertreter ins Niger-Delta. Zusätzlich wurden für zahlreiche NGO-Vertreter der betroffenen Länder Vortragsreisen in Europa organisiert, die auch zu politischen Gesprächen genutzt wurden.
Der Informationsfluss war dank der Nutzung von Fax und e-mail rasch und sehr intensiv. Oft waren die NGOs schneller und besser informiert als ihre Gegner im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Dadurch konnten "komparative Vorteile" der jeweiligen NGOs genutzt werden: Die nördlichen NGOs fanden leichter Zugang zu Informationen und zu Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, egal ob hier oder in Afrika, und diese Lobbyarbeit wurde durch verlässliche und schnelle Informationen über die Ereignisse vor Ort besonders effektiv. Während zum Beispiel die Regierung des Tschad im Dezember 1999 noch leugnete, dass der Zusammenschluss der betroffenen Bevölkerung der Ölregion (Entente de la Population Concernées du Projet Petroliére, EPOZOP) verboten worden war, lagen Faxe mit dem Verbotsdekret in den Büros der beteiligten NGOs in Europa und den USA vor und wurden an die jeweiligen Regierungen und die Weltbank weitergeleitet. In einem anderen Fall konnte der Vertrag zwischen ExxonMobil und der Regierung Kameruns über den Bau der Pipeline beschafft werden, der selbst kameruner Parlamentsabgeordneten unbekannt war. Die bei einem juristischen Fachinstitut in Auftrag gegebene Prüfung ergab, dass mit diesem Vertrag Bürgerrechte in Kamerun außer Kraft gesetzt werden. Er räumt unter anderem privaten Sicherheitsdiensten der Pipelinebetreiber das Recht ein, Grundstücke im Privatbesitz zu betreten.
Auch für europäische Verhältnisse ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gruppen bemerkenswert. Neu ist zum Beispiel, dass sich Amnesty International (AI) in einem solchen Rahmen engagiert. Ziel der Arbeit der NGOs zum Ölprojekt war bis zum Baubeginn die Prävention. Amnesty hat erst im Herbst 1996 - unter dem Eindruck der Ermordung von Ken Saro Wiwa - beschlossen, auch präventiv tätig zu werden.
Gruppen, die sich im Umweltschutz, in der Lobbyarbeit gegenüber der Wirtschaft, der Friedensarbeit oder der entwicklungspolitischen Arbeit engagieren, haben meist eigene Dachorganisationen. Eine Vernetzung dieser unterschiedlichen Tätigkeiten auf nationaler oder internationaler Ebene gibt es auch in Europa nicht. Entsprechend unterschiedlich sind die Aktionsformen, die Adressaten und die politische Analyse. Synergieeffekte werden selten genutzt. Ihre bescheidenen Erfolge konnte die Lobbyarbeit zum Ölprojekt aber nur erreichen, weil alle beteiligten Gruppen ihre jeweiligen Fachkenntnisse einbrachten.
Vorläufer der heutigen "Arbeitsgruppe Erdölprojekt Tschad/Kamerun" in Deutschland war die seit den achtziger Jahren bestehende Arbeitsgruppe "Menschenrechte Tschad", in der in erster Linie die im Tschad tätigen Hilfswerke Brot für die Welt, Misereor und Eirene sowie die zuständige Koordinationsgruppe der deutschen Sektion von Amnesty International zusammenarbeiteten. Sie berieten vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der katastrophalen Menschenrechtslage im Tschad. Im Jahr 1997 beschäftigte sich diese Gruppe erstmals mit dem Ölprojekt. Bei einer Tagung mit Gästen aus dem Tschad wurden die möglichen Folgen und Gegenstrategien beraten. Dies führte zur Einrichtung der "Arbeitsgruppe Erdölprojekt Tschad/Kamerun". Weitere Gruppen wurden zur Zusammenarbeit eingeladen und etwa 20 folgten der Einladung; die Hälfte davon beteiligte sich aktiv an der Arbeit, namentlich der Verein Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED), Urgewald - Kampagne für den Regenwald, das Menschenrechtsreferat des Diakonischen Werkes der EKD, die zu Westafrika arbeitenden Gruppen von AI, das FoodFirst Information and Action Network (FIAN) und die Initiative Pro Afrika. Der Ausschuss für Bildung und Publizistik der AG KED und Misereor finanzierten die Hälfte einer Stelle für die hauptamtliche Koordination.
In den USA hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die renommierte Umwelt-NGO Environmental Defense Fund (EDF) das Thema entdeckt und betrieb insbesondere Lobbyarbeit gegenüber der Weltbank, die einen Teil des Projektes finanzieren soll. Der EDF nahm die Lobbyarbeit in den USA im Wesentlichen allein wahr, engagierte sich aber sehr in der internationalen Vernetzung. In Frankreich starteten Dritte-Welt-Gruppen eine Kampagne gegen die Weltbankbeteiligung am Tschad-Kamerun-Ölprojekt. Ihre Aktion Pompe à Frique - ein Wortspiel, das sowohl Afrika-Pumpe als auch Geld-Pumpe bedeuten kann - zielte darauf, das Projekt zu verhindern. ExxonMobil legt aus Gründen der Risikoabsicherung großen Wert auf eine Beteiligung der Weltbank. Nun gehört es nicht zu den Aufgaben der Weltbank, privatwirtschaftliche Risiken abzusichern und für preisgünstige Kredite an Unternehmen zu sorgen. Die NGOs legten den Finger in diese Wunde.
Im Tschad gerieten die Partner-NGOs allerdings infolge der Aktionen im Ausland unter Druck der Regierung. Sie wurden publikumswirksam als Handlanger westlicher Öko-Imperialisten dargestellt, die den Tschad in Armut halten möchten. Zudem waren die lokalen Gruppen überzeugt, dass die Volkswirtschaft des Tschad die Öleinnahmen braucht. In nicht immer einfachen Gesprächen mit ihnen fanden die internationalen NGOs letztlich eine gemeinsame Formel, zumindest für die deutsche Lobbyarbeit: Ziel der gemeinsamen Arbeit zum Ölprojekt soll sein, die Ölproduktion so umwelt- und sozialverträglich wie nur möglich zu gestalten. Der Kooperation zuliebe rückten die Menschenrechts-, Umweltschutz- und wirtschaftlichen Lobbygruppen von der These ab, nur eine Verhinderung des Projektes könne vor den Schäden schützen.
Das Ölprojekt von ExxonMobil wird seit Beginn der neunziger Jahre im Tschad vorangetrieben. Bis 1998 geschah dies praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein ARD-Team, das 1996 einen Film zum Ölprojekt machen wollte, bekam keine Interviews von ExxonMobil und durfte die Anlagen nicht filmen. Im Tschad gab es keine nennenswerten Initiativen zur Information der Bevölkerung. Im Gegenteil bekamen diejenigen Schwierigkeiten, die sich kritisch mit dem Ölprojekt auseinandersetzten - wie der gewählte Parlamentsabgeordnete der Ölförderregion, Yorongar Ngarlejy. 1998 saß er wegen einer angeblichen Beleidigung des Parlamentspräsidenten ein halbes Jahr unter schlimmen Bedingungen in Haft. Sein eigentliches Vergehen war es, Machenschaften rund um die geplante Ölförderung an die Öffentlichkeit gebracht zu haben.
Die Auseinandersetzung mit dem Ölprojekt im Tschad entzündete sich an der Frage der Menschenrechte. Im Juni 1994 landete ein Flugzeug auf einer Piste bei Béladja im Süden des Tschad, um einen verletzten Exxon-Mitarbeiter zu evakuieren. Dingamtolem Ajikolmian, ein Bauer aus der Nachbarschaft, war mit seinen Kindern zur Landepiste gelaufen, um das seltene Schauspiel mitzuerleben. Er wurde von einem Gendarmen, der die Exxon-Einrichtungen schützen sollte, erschossen. Eine örtliche Menschenrechtsorganisation dokumentierte den Fall und verlangte eine offizielle Untersuchung. Diese führte zwar letztlich nicht zu einem befriedigenden Ergebnis, aber das namenlose Sterben in den ländlichen Regionen des Tschad hatte ein Ende. Inzwischen erreichen solche Berichte regelmäßig die Hauptstadt, und es gelingt, die internationale Öffentlichkeit zu alarmieren - besonders wenn sich die Morde plötzlich häufen. So fielen im März 1998 fast 200 Menschen im Süden des Landes Massakern der Sicherheitskräfte zum Opfer.
Der dreißigjährige Bürgerkrieg hat die Bevölkerung entzweit. Zwischen der islamisch geprägten Bevölkerung in der Wüstenlandschaft des Norden, die heute den Präsidenten stellt, und den Menschen im fruchtbaren Süden, der in der ersten Hälfte dieses Jahrhundert christlich missioniert wurde, gibt es starke Spannungen. Wenn nomadisierende Viehzüchter aus dem Norden in die fruchtbareren Gebiete des Südens ziehen, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Ackerbauern. Mehrere Menschenrechtsorganisationen nehmen sich dieses speziellen Problems an und versuchen zur Entspannung beizutragen.
Aber in der tschadischen Öffentlichkeit gelten die Menschenrechtsgruppen als christliche Organisationen, die ihr Geld aus westlichen, also christlichen Ländern erhalten. Der Gedanke des islamisch-christlichen Dialogs ist nicht sehr weit entwickelt. Trotzdem suchen einige Organisationen die Verständigung, zum Beispiel durch die Förderung des Austauschs zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Stadtviertel und durch die Organisation spezieller Menschenrechtsseminare für islamische Führer. Die Menschenrechtsgruppen versuchen mit kreativen Methoden, die verheerende Menschenrechtslage im Land zu verbessern. Die Ölförderung thematisieren sie aber nicht direkt.
Im tschadischen Sprachgebrauch wer-den ausschließlich entwicklungspolitische Gruppen als NGOs bezeichnet. Wegen ihrer Zusammenarbeit mit Behörden und als bedeutender Wirtschaftsfaktor in dem chronisch devisenschwachen Land gelten sie als staatsnah. Ihr Zusammenschluss Comitee d'Information et de Liaisons des ONG (CILONG, Komitee zur Information und Verbindung unter den NGOs) sah zwar die drohenden Probleme im Zusammenhang mit der Ölproduktion sehr früh. Es dauerte aber bis Ende 1997, bis NGOs im Tschad ein ständiges Komitee zur Ölfrage gründeten, an dem sich aber nicht alle im Tschad tätigen NGOs beteiligten.
Der Deutsche Entwicklungsdienst (ded), der - obwohl er eine Einrichtung der deutschen Regierung ist - im Tschad zu den NGOs gerechnet wird, lehnt zum Beispiel eine offizielle Mitarbeit ab, weil er darin ein unerlaubtes politisches Mandat sieht.
So konnten die Regierung und das Konsortium Fakten schaffen. Im Parlament wurde ein Gesetz über die Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Projekt des Konsortiums verabschiedet, das lächerlich geringe Entschädigungssummen vorsah und keine Angaben zum Entschädigungsverfahren machte. Erst als der Baubeginn, der ursprünglich für 1998 vorgesehen war, immer näher rückte, gelang es, mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt ein Seminar zu veranstalten, das alle Betroffenen zusammenbringen sollte.
Das Seminar von Donia, einem Marktflecken in der Ölregion, fand im Januar 1998 statt. Etwa einhundert Vertreter und Vertreterinnen lokaler, nationaler und internationaler Gruppen nahmen teil. Außerdem waren eine fünfköpfige Delegation der Firma Exxon (eine Soziologin, der für Umweltschutz zuständige Projektleiter, ein französischer Ingenieur, der Pressesprecher und ein Consultant), ein Regierungsbeamter und ein Mitarbeiter der Weltbank anwesend sowie Gäste aus Kamerun, Nigeria und Europa. Das Seminar geriet zu einem Tribunal über die bisherige Projektvorbereitung. In Arbeitsgruppen hatten sich die tschadischen Gruppen mit den von Exxon vorgelegten Umweltverträglichkeitsstudien auseinandergesetzt. Dabei kam die Professionalität und der hohe Ausbildungsstand der lokalen NGO-Mitarbeiter voll zum Tragen.
Ihr Urteil war vernichtend. Ein Dorfältester schilderte, wie die Konsultation der einheimischen Bevölkerung aussah, die Exxon angeblich durchgeführt hatte: Die Soziologin war mit einer Militäreskorte in die Dörfer gekommen. Nach 30 Jahren Bürgerkrieg ist das ein Signal für alle Dorfbewohner, schleunigst das Weite zu suchen. Die zurückgebliebenen Ältesten haben sich ihre Antworten in Gegenwart des Militärs sehr genau überlegt.
Nicht weniger kompromittierend waren die Frage nach den lächerlich geringen Entschädigungssätzen für Pflanzen. Für einen Mangobaum, der pro Ernte 100 bis 150 Mark einbringen kann, sollten rund 10 Mark gezahlt werden. ExxonMobil bot sofort Neuverhandlungen der Entschädigungssummen an. Die NGOs verlangten auch, das Entschädigungsverfahren in die Verhandlungen einzubeziehen.
Das Seminar endete mit klaren Forderungen nach einem Aufschub der Arbeiten am Ölprojekt, nach einer Neuverhandlung der Entschädigungssätze und -modalitäten und nach der Erarbeitung neuer Umweltverträglichkeitsstudien. Damit war der vorgesehene Baubeginn im Sommer 1998 nicht zu halten.
Zwei Jahre später fand ein ähnliches Seminar in Bebidja statt. Diesmal waren dort auch die Regierung und die Weltbank prominent vertreten. Auch dieses Seminar endete mit der Forderung nach Nacharbeiten an den Umweltverträglichkeitsstudien, nach international einklagbaren Sicherheiten und nach einem ein- bis zweijährigen Moratorium für die Ölförderung.
Das Moratorium sollte Zeit geben, um die Entschädigung der Bauern, deren Land für die Pipeline gebraucht wurde, mit mehr Ruhe und effektiver durchzuführen. Die lokalen NGOs hatten Vorstellungen zum Entschädigungsverfahren entwickelt, die den örtlichen Gegebenheiten angepasst waren und sich stärker am dauerhaften Erhalt bzw. Wiederaufbau von Einkommensquellen orientierten als an Entschädigungszahlungen. Während ExxonMobil über die Höhe der Entschädigungen mit sich reden ließ und bereit war, zum Beispiel für einen ausgewachsenen Mangobaum bis zu 1500 Mark zu zahlen, war eine Verständigung über die Einbeziehung der lokalen NGOs in das Entschädigungsverfahren nicht möglich. ExxonMobil schrieb zwar entsprechende Aufträge öffentlich aus, die Verhandlungen mit NGOs scheiterten aber daran, dass ExxonMobil sie als reine Dienstleister zur Umsetzung der Unternehmenskonzepte einkaufen wollte. Dies scheiterte an der Solidarität der örtlichen NGOs. Exxon beauftragte schließlich eine kaum bekannte NGO aus der Hauptstadt.
In Kamerun entzündete sich die Kritik am Ölprojekt, anders als im Tschad, an der Frage des Umweltschutzes. In Kamerun soll kein Öl gefördert, sondern nur durchgeleitet werden. Die Pipeline dazu birgt im wesentlichen ökologische Risiken, und die sachgerechte Verwendung der Einnahmen sicherzustellen, ist in dem hoch korrupten Land ein ernstes Problem. Zudem ist die Pipeline ein Politikum. Die französische Regierung hat über den Ölkonzern Elf-Aquitaine auf ihren Verlauf Einfluss genommen; das gibt dessen früherer Generaldirektor le Floch-Prigent in seinen Memoiren preis. So wird die Pipeline nicht direkt zum bereits bestehenden Ölverladehafen Limbé geführt. Denn der hat den Schönheitsfehler, im englischsprachigen Teil des Landes zu liegen. Jetzt wird die Pipeline im frankophonen Teil Kameruns durch Regenwald und von Pygmäen bewohntes Gebiet in eine Bucht geführt, in der sich der Fluss Lobé in einem Wasserfall direkt ins Meer ergießt. Diese außerordentlich seltene Konstellation hat zu einer einzigartigen Flora und Fauna geführt; durch die Ölverladung wird sie bedroht.
Das politische System in Kamerun ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Korruption und durch willkürliche Unterdrückung. Scheinbare Freiheiten, zum Beispiel der Presse, enden abrupt, wo Regierungsinteressen berührt sind. Dies ist bei der Arbeit der NGOs zur Pipeline klar der Fall. Ein 1999 gegründeter Zusammenschluss von dreißig nationalen NGOs, die Groupe de Concertation des Actions (GCA), wird zwar vom Konsortium und von der Regierung gerne als Ansprechpartner für die Einbeziehung gesellschaftlicher Belange genannt. Der Gruppe ist es aber nie gelungen, zum gemeinsamen politischen Handeln zu finden. Der Verdacht liegt nahe, dass manche der beteiligten Organisationen ein - von wem auch immer gefördertes - Interesse hatten, gemeinsame Stellungnahmen und Aktionen zu verhindern.
So vergingen die drei Jahre, die allgemein als Zeit des Lobbying zum Ölprojekt genannt werden, ohne dass in Kamerun substanzielle Änderungen am Bauvorhaben oder dem Verlauf der Pipeline erreicht wurden. Erst seit sich einige engagierte kamerunische NGOs, darunter das "Zentrum für Umweltschutz" und "Ökumenische Dienste für den Frieden", eigenständig in die internationale Lobbyarbeit einbringen, gelingt es, ähnlich wie im Tschad Informationen direkt von den Betroffenen zu erhalten und mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Seit die Weltbank im Juni 2000 das Projekt gebilligt hat und die gewünschten Kredite an die Regierungen des Tschad und Kameruns auszahlen wird, gilt die Präventionsarbeit als beendet. Die Bauarbeiten haben im Oktober 2000 begonnen, und bald werden auch die Infrastrukturmaßnahmen in Angriff genommen, die eigentlich bis Projektbeginn abgeschlossen sein sollten. Die Weltbank stellt 3,7 Millionen US-Dollar dafür zur Verfügung, und der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) will fünf Fachkräfte im Zivilen Friedensdienst entsenden.
Die Erfolge der präventiven Lobbyarbeit sind insgesamt bescheiden. Von den zehn Jahren Vorbereitungszeit, die sich die NGOs gewünscht hätten, um die Infrastruktur, die Vermarktungsmöglichkeiten und die Wirtschaftsweise am Ort anzupassen, sind am Ende drei Jahre geblieben. Die Erhöhung der Entschädigungssätze ist als Erfolg zu verbuchen und für Optimisten auch eine Reihe von Selbstverpflichtungen bzw. von Bedingungen, die die Weltbank an ihre Kreditzusagen geknüpft hat. Die Tatsache, dass sich die Firmen Shell und Elf-Aquitaine aus dem Konsortium zurückgezogen haben, könnte als Erfolg der Öffentlichkeitsarbeit gewertet werden. Zumindest Shell hatte seit längerem öffentlich angekündigt, bei fortdauernden Menschenrechtsverletzungen das Projekt aufgeben zu wollen. Mit der malaysischen Petronas und der US-Firma Chevron sind jedoch Firmen in das Konsortium eingetreten, die außerhalb der Reichweite europäischer Verbraucher und NGOs liegen. Gerade der Ruf der bereits im Südsudan tätigen Petronas lässt wenig Optimismus aufkommen.
Eine Broschüre, die das Kameruner Zentrum zur Verteidigung der Umwelt zusammen mit Friends of the Earth Niederlande im Juni 2001 herausgegeben hat, zählt elf Versprechen des Konsortiums auf, die schon heute gebrochen sind. Die politische Situation im Tschad hat sich entgegen der Prognosen der Weltbank nach den offenkundig gefälschten Präsidentschaftswahlen vom Mai 2001 weiter verschlechtert. 4,5 Millionen US-Dollar aus Ölgeldern wurden bereits im Jahr 2000 für den Kauf von Militärhubschraubern ausgegeben. Zusagen über Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung werden nicht eingehalten, und die, die eingestellt wurden, beklagen unerträgliche Arbeitsbedingungen zu Hungerlöhnen. Es kommt immer wieder zu Streiks.
Den NGOs bleibt nicht viel, außer das Projekt genau zu beobachten. Sowohl im Tschad als auch in Kamerun werden Voraussetzungen für ein umfassendes Projektmonitoring aufgebaut. Aber insbesondere nach den skandalösen Umständen der Präsidentschaftswahlen im Mai 2001 verlangen wieder viele Gruppen, unter ihnen der EDF, den Rückzug der Weltbank aus dem Projekt.
aus: der überblick 03/2001, Seite 45
AUTOR(EN):
Martin Zint:
Martin Zint ist Journalist und auf Westafrika spezialisiert. Er ist Mitglied von Reporter ohne Grenzen und koordiniert die Arbeitsgruppe Erdölprojekt Tschad/Kamerun sowie die Initiative Medien und Konflikt.