Tadschikistan im Teufelskreis des zentralasiatischen Drogenhandels
Tadschikistan profitiert als Transitland vom Drogenhandel. Aber weil Drogenhändler in Naturalien ausgezahlt werden, steigt der Drogenkonsum auch im Lande selbst.
von Patricia von Hahn
Tadschikistan ist mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 369 US-Dollar im Jahr 2005 nicht nur das ärmste Land Zentralasiens, es ist eines der ärmsten der Welt. Nicht enthalten in der Statistik sind aber die beträchtlichen Einnahmen einiger Bewohner. Sie profitieren davon, dass Tadschikistan Afghanistan zum Nachbarn hat, den weltgrößten Opiumproduzenten. Auf der so genannten neuen Seidenstraße gelangt der zu Heroin synthetisierte Stoff über Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan nach Russland und Westeuropa. Auch auf ihrem Weg nach Sibirien und China werden afghanische Opiate durch Tadschikistan transportiert. Seit der Heroinhandel auf der Balkanroute durch strengere Grenzkontrollen und Strafen für Drogendelikte im Iran erschwert wurde, hat sich das Geschäft in den letzten Jahren noch stärker auf die Seidenstraße verlegt. Alleine über die Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan sollen jährlich bis zu 50 Tonnen Heroin geschmuggelt werden.
Das hat Konsequenzen: Tadschikistan soll das zentralasiatische Land mit dem höchsten Drogenkonsum sein. Ein Grund hierfür ist, dass Drogenhändler in Naturalien ausgezahlt werden. Ein anderer ist der sehr niedrige lokale Preis des Heroins, der mit ungefähr 20 US-Dollar für ein Gramm bei einem Zwölftel dessen liegt, was in westeuropäischen Ländern gezahlt wird. Der Reiz des Drogengeschäfts liegt auf der Hand in einem Land, in dem Lehrer nur 5 US-Dollar im Monat erhalten, jeder Zweite arbeitslos ist und viele gezwungen sind, ihr Geld im Ausland zu verdienen. 6,3 Millionen Tadschiken arbeiten in Russland, viele von ihnen illegal. Daheimgebliebene, die nicht von ihren Angehörigen aus Russland unterstützt werden, können sich noch am ehesten versorgen, wenn sie sich entweder am Drogengeschäft beteiligen oder einen Job in der Drogenprävention finden.
Die Folge sind ansteigende Drogenabhängigkeit, Kriminalität und gerade im Bereich der Drogenbekämpfung, wo internationale Gelder fließen Korruption. Mittlerweile können selbst tadschikische Grenzbeamte auf den Zusatzverdienst durch den Rauschgiftschmuggel kaum verzichten. Es kursiert der Straßenwitz, dass in der tadschikischen Großstadt Chodshent jemand, der mit einem neuen teuren Wagen oder einer Luxusklasse auftaucht, nicht mehr gefragt wird, wie viel Geld, sondern wie viel Kilos, er gekostet habe. Die von den Vereinten Nationen (UN) geförderte Agentur für Drogenkontrolle in Tadschikistan behauptet, im Jahr 2005 etwa 30 Prozent des dort transportierten Opiums konfisziert zu haben. Im Vergleich zu den Angaben im Vorjahr, suggeriert dies eine beträchtliche Effizienzsteigerung. Allerdings sind derartige Erfolgsmeldungen gegenüber Geldgebern etwaiger Hilfsprogramme, wie den UN oder der EU, mit Vorsicht zu genießen. Korruption im lokalen Sicherheitsapparat sowie mangelnde Transparenz in der Budgetverwaltung sprechen eine andere Sprache. Nicht zuletzt der weiterhin dramatische Anstieg der Anzahl Drogenabhängiger in Tadschikistan zeigt, dass Hilfsprogramme zur Drogenprävention dort noch nicht ausreichend greifen. Nach Schätzungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung (UNODC) gibt es in Tadschikistan derzeit ungefähr 50.000 Abhängige. Davon sind 80 Prozent heroinsüchtig.
Wenn Heroin gespritzt wird, gelangt die Droge konzentrierter in den Körper als beim Rauchen von Opium. Zudem ist es billiger. Das mehrfache Verwenden derselben Spritzen und der Mangel an Einrichtungen, die neue Spritzen bereithalten, ist ein Hauptgrund für die Verbreitung des HI-Virus im zentralasiatischen Raum. Die anhaltende Vernachlässigung von Maßnahmen der Schadensbegrenzung (harm reduction) ist daher eine besonders neuralgische Schwachstelle im Kampf gegen den Drogenmissbrauch in Zentralasien. Dort sollen nach einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (2004) mittlerweile 1,3 Millionen Menschen infiziert sein. Damit sind die HIV-Infektionen in Zentralasien für den Zeitraum 2000 bis 2004 um 1600 Prozent gestiegen.
aus: der überblick 01/2006, Seite 48
AUTOR(EN):
Patricia von Hahn
Patricia von Hahn hat ihr Studium mit M.A. in Ethnologie und Englisch abgeschlossen und hospitiert zur Zeit beim "überblick".