Als Wahlbeobachter in Namibia
Er hat es noch einmal geschafft. Zum dritten Mal ist Sam Nujoma am 30. November und 1. Dezember 1999 mit 77 Prozent der Stimmen für fünf Jahre zum Präsidenten von Namibia gewählt worden. Laut Verfassung hätte er nur zweimal antreten dürfen. Aber mit der Zweidrittelmehrheit seiner SWAPO in der Nationalversammlung wurde die Verfassung rechtzeitig geändert, so daß er noch einmal kandidieren konnte.
von Heinz Berger
Nach über 20jährigem Befreiungskampf hatte die SWAPO unter Nujoma 1990 die Unabhängigkeit Namibias von Südafrika erlangt und ist seitdem ein demokratischer Mehrparteienstaat. Die Parteienlandschaft und Regierungspolitik wurden in diesen zehn Jahren klar von der SWAPO dominiert. Sie rekrutiert ihre Anhänger vor allem aus der weitaus größten Volksgruppe, den Ovambo, und konnte in den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur Nationalversammlung ihren Stimmenanteil von 57 Prozent in 1989 auf nun 76 Prozent steigern.
Einen Achtungserfolg bei den Präsidentenwahlen erzielte mit 10 Prozent Ben Ulenga vom erst im März letzten Jahres gegründeten Congress of Democrats (CoD), obwohl dieser wenig Zeit und Mittel zur Selbstdarstellung im Wahlkampf hatte. Klarer Wahlverlierer ist die Demokratische Turnhallen- Allianz (DTA), früher Hauptkontrahent der SWAPO, die die Hälfte ihrer Wähler verlor. Sie liefen offensichtlich zum Neuling CoD über. Beide Parteien erhielten je 7 Sitze in der 72sitzigen Nationalversammlung. Die drei übrigen Sitze entfielen auf zwei kleinere Parteien, während drei weitere ethnisch orientierte Parteien leer ausgingen.
Der CoD verdankt seine Entstehung den Initiativen zweier namibischer Ex-Diplomaten, dem ehemaligen Hochkommissar in London, Ben Ulenga, der aus Protest gegen Nujomas dritte Kandidatur und die Korruption von seinem Posten zurücktrat und nun Oppositionsführer wurde, und Nora Schimmings-Chase, der langjährigen Botschafterin in Bonn. In der landesüblichen Listenwahl konnte sie gerade noch den siebenten und letzten Sitz für ihre Partei gewinnen.
Von der SWAPO als Deserteure beschimpft, beschuldigte die CoD im Wahlkampf die Regierung der Geldverschwendung für protzige Regierungsbauten, der Aufblähung des Regierungsapparats und der Vernachlässigung der Entwicklung des Landes, vor allem des Bildungs- und Gesundheitswesens. Das Problem der rapiden AIDS-Ausbreitung werde ignoriert. Heftig kritisiert wurde auch die Aufblähung des Verteidigungsbudgets für das sinnlose militärische Engagement Namibias im Kongo.
Zwar waren die Wahlkampfveranstaltungen gut besucht, dennoch sank die Wahlbeteiligung deutlich um 13 auf 62 Prozent, da Vertrauen und Interesse an der politischen Kultur im Lande fehlten. Neben einigen gewalttätigen Zwischenfällen und Einschüchterungsaktionen seitens SWAPO-Anhängern gab es in Swakopmund noch kurz vor der Wahl eine massive Störung einer CoD-Wahlkundgebung mit Verletzten und Sachschäden.
Wie meist bei Regierungsparteien, hatte auch in Namibia die SWAPO einen strategischen Vorteil durch den Zugriff auf die personellen, technischen und logistischen Ressourcen der Regierung sowie die staatlichen elektronischen Medien. Auch den anderen Parteien waren in beschränktem Umfang freie Sendezeiten eingeräumt worden. In der Tagespresse dagegen wurde besonders dem CoD viel positive Aufmerksamkeit gewidmet. Alle im Parlament vertretenen Parteien erhielten je nach Sitzzahl finanzielle Zuschüsse vom Staat. Da die CoD aber noch nicht im Parlament war, ging sie leer aus.
Der Wahltermin war von der Regierung sehr spät festgelegt worden, so daß Maßnahmen der Wählererziehung, der Ausbildung von Wahlhelfern und -Beobachtern zu kurz kamen. Trotzdem entschloß sich der Christenrat von Namibia (CCN) zur Beteiligung an der Wahlprozeßbegleitung.
Gemeinsam mit dem Namibischen NGO-Forum, dem Dachverband für 75 Nichtregierungsorganisationen, wurde mit zusätzlich rekrutierten Mitarbeitern ein Intensivprogramm zur Ausbildung von 200 lokalen Wahlbeobachtern und deren Einsatz in den Wahllokalen durchgeführt. Sie wurden mit eigens erarbeiteten Beobachtungsfragebögen, weiteren Materialien und T-Shirts und Kappen ausgestattet und berichteten anschließend über die Abläufe in ihren jeweiligen Wahllokalen und bei der Stimmenauszählung. Angesichts beschränkter finanzieller und logistischer Ressourcen war diese gemeinsame Aktion eine respektable Leistung.
Die Nationale Wahlkommission ihrerseits hatte für die 100 ausländischen Wahlbeobachter darunter 30 von der EU - mit südafrikanischer Unterstützung ein umfangreiches Info-Paket und Handbuch mit Gesetzen, Statistiken und Formularen bereitgestellt, die beim Einsatz in den Wahlbezirken sehr hilfreich waren. Das aktuelle Briefing war dagegen eher bescheiden.
Zur Unterstützung des Christenrates bei der Wahlbeobachtung waren Gerhard Koslowsky von der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal und ich von Dienste in übersee und Ökumenischem Rat der Kirchen entsandt worden. Als gemeinsames Einsatzgebiet hatten wir das Ovamboland im Grenzgebiet zu Angola ausgewählt. Nach 750 km Fahrt wurden wir von einem mächtigen Unwetter mit Blitz und Donner begrüßt - nach zwei Dürrejahren regnete es zur Freude der Bevölkerung endlich. Uns erschwerten die riesigen Tümpel, die ausgewählten 17 Wahllokale zu erreichen.
Trotz der zum Teil unzureichenden Ausbildung der Wahlhelfer verlief der Wahlgang an beiden Tagen weitgehend störungsfrei und im wesentlichen geheim. Neben kleinen technischen Pannen gab es Probleme mit nicht unlöschbarer Tinte bei der Markierung des Wählerdaumens. Manche Wähler hatten mehrere Wahlausweise, die sie von verstorbenen Angehörigen übernommen hatten. Mancherorts versuchten SWAPO-Leute, Wähler zu beeinflussen. Durch die Freiheit der Stimmabgabe in jedem beliebigen Wahllokal mußten alle Wahllokale separate Urnen für unbekannte Zahlen von Auswärtswählern aufstellen, die zwischen 20 und 50 Prozent variierten und auch getrennt ausgezählt werden mußten.
Ein kritischer Faktor bei der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahlen und der Ergebnisermittlung war das Fehlen eines genauen Wählerregisters. Dadurch hatten die Parteien im Vorfeld keine Möglichkeit der überprüfung und Aktualisierung von Namenslisten und der Ermittlung der Wahlbeteiligung. Außerdem konnte über 10 Prozent der Wähler wegen fehlender Ausweise nur mit Hilfe von persönlichen Zeugen und eidesstattlicher Erklärung wählen. Zu einer potentiellen Fehler- und Manipulationsmöglichkeit entwickelte sich die Stimmenauszählung. Sie sollte am Tag nach Ende der Wahl im Beisein der internationalen Wahlbeobachter stattfinden. Sie begann aber so extrem umständlich und langsam, daß sie in den meisten Lokalen ein bis drei Tage länger dauerte. Da die Beobachter aber am zusätzlichen zweiten Zähltag zur Berichterstattung nach Windhuk zurückgekehrt waren, blieben die überwachungsmöglichkeiten begrenzt.
Insgesamt kann festgestellt werden, daß die Anwesenheit lokaler und internationaler Beobachter sowie Vertreter der verschiedenen Parteien in den Wahllokalen einen stabilisierenden Effekt auf den Wahlvorgang hatte.
Für die CoD war das Wahlergebnis zweifellos enttäuschend. Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse erklärte Nora Schimmings-Chase, daß die nach Windhuk zurückgekehrten Mitarbeiter sehr viele konkrete Beweise für massive Wahlvergehen und schlimme Verstößen gegen Wahlgesetze gesammelt hätten und dies unter Eid belegen könnten. Man erwäge rechtliche Schritte. Beobachter aus den Nachbarstaaten hätten bestätigt, daß in Katutura CoD-Stimmen der SWAPO zugerechnet worden seien. Die Regierung müsse auch genau über den Verbleib der 350.000 Wahlzettel Rechenschaft ablegen, die zuviel gedruckt worden waren.
Abschließend erklärte Nora Schimmings-Chase, daß zwar der Wahlsieg der SWAPO in Ordnung gehe, daß sie aber bei einem korrekten Verlauf nicht einmal 66, geschweige denn 76 Prozent der gültigen Stimmen erzielt hätte. Der Ausbau der SWAPO-Mehrheit verschlechtert zweifellos das parlamentarische Gleichgewicht. Dennoch ist vom Einzug der neuen Partei eine Belebung der Parlamentsarbeit zu erwarten.
aus: der überblick 01/2000, Seite 136